Bundestag erwägt "deutlich frühere" Veröffentlichung von Parteispenden

Seit Jahren rügt der Europarat Deutschland dafür, Parteispenden viel zu spät zu veröffentlichen. Jetzt kommt Bewegung in die Sache: Der Bundestag erwägt, die Rechenschaftsberichte der Parteien künftig "deutlich früher" online zu stellen. Klingt gut, doch der Transparenzgewinn dürfte am Ende eher mickrig ausfallen. Das Kernproblem bleibt.

von Martin Reyher, 26.01.2017
Symbolbild Parteispenden

Der bislang letzte Rüffel aus Straßburg kam im vergangenen März. Noch immer habe Deutschland mehrere Empfehlungen „zu Fragen von höchster Wichtigkeit“ nicht umgesetzt, kritisierte die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO). Dazu gehöre „die frühzeitige Veröffentlichung von Rechenschaftsberichten zu Wahlkämpfen“. In den Rechenschaftsberichten müssen Parteien u.a. die Namen ihrer Spender offenlegen, doch dies passiert erst mit großem zeitlichen Abstand zur Spende.

Fast jährlich forderte GRECO deshalb von Deutschland mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung, was im Berliner Regierungsviertel tatenlos zur Kenntnis genommen wurde. Nun aber kommt überraschend Bewegung in die Sache.

Bezeichnenderweise ist es nicht die Regierungskoalition, die das Thema anschiebt, sondern der Präsident des Deutschen Bundestages. Immer wieder hatte auch Norbert Lammert an die Abgeordneten appelliert, die Parteienfinanzierung transparenter zu gestalten. Jetzt wird er - kurz vor Ende seiner Amtszeit - selbst aktiv.

Von seinen Beamten werde „derzeit geprüft“, ob die Rechenschaftsberichte der Parteien grundsätzlich schon vor der Plausibilitätsprüfung durch die Parlamentsverwaltung öffentlich gemacht werden könnten, schreibt Lammert in einem 198-seitigen Bericht über die „Rechenschaftsberichte 2012 bis 2014“, der vergangene Woche online gestellt wurde. Dadurch ergäbe sich eine „deutlich frühere Veröffentlichung“ der Rechenschaftsberichte.

Parteispenden werden teilweise erst nach über zwei Jahren öffentlich

Bislang ist das Procedere genau andersrum: Erst prüft die Parlamentsverwaltung die von den Parteien eingereichten Berichte, dann erst bekommt sie die Öffentlichkeit zu Gesicht. Teilweise dauert es mehr als zwei Jahre, bis eine Parteispende öffentlich wird – so aber ist eine wirkungsvolle Kontrolle durch Zivilgesellschaft und Medien unmöglich.

Doch ob Lammerts Vorhaben geeignet ist, um eine „deutlich frühere Veröffentlichung“ zu erreichen, ist mehr als fraglich.

Bei Lichte betrachtet gibt es zwei Optionen für eine zeitigere Veröffentlichung:

  • Möglichkeit I: Veröffentlichung nach Ablauf der Frist, zu der alle Parteien ihren Rechenschaftsbericht bei der Bundestagsverwaltung eingereicht haben müssen. Diese Frist endet zum 30. September nach dem jeweiligen Rechnungsjahr. Allerdings sieht das Parteiengesetz auf Antrag eine Fristverlängerung um drei Monate vor, so dass die Berichte de facto erst zum 31. Dezember eingereicht werden müssen. Ob die Bundestagsverwaltung allerdings – um ein Beispiel zu nennen – die diesjährigen Parteispenden nun am 31. Dezember 2018 ins Netz stellen wird oder entsprechend der bisherigen Praxis im Februar oder März 2019, macht keinen allzu großen Unterschied.
  • Möglichkeit II: Veröffentlichung nach Abgabe des Rechenschaftsberichtes durch eine Partei bei der Bundestagsverwaltung. Doch dadurch würden die meisten Berichte vermutlich auch nicht viel früher öffentlich als bei Möglichkeit I. Denn die Fristverlängerung bis zum 31. Dezember werde „häufig“ in Anspruch genommen, heißt es in einem Bericht der Korruptionsprüfer von GRECO. Soll heißen: Dass eine Partei ihren Rechenschaftsbericht bereits zum 30. September fertig hat, ist eher die Ausnahme.

Natürlich bestände auch die Möglichkeit, die Einreichungsfristen deutlich zu verkürzen. Weil die Rechenschaftsberichte der Parteien aber inhaltlich derart umfassend und komplex sind (zum Beispiel muss eine Partei sämtliche Einnahmen und Ausgaben aller Parteigliederungen bis hinunter zu den Ortsverbänden zusammentragen), kommt dies wohl nicht infrage. Eine Anfrage von abgeordnetenwatch.de zu denkbaren Veröffentlichungszeitpunkten ließ die Bundestagsverwaltung bislang unbeantwortet.

Wie tatsächlich Transparenz geschaffen werden könnte

Und so dürften aus einer „deutlich früheren Veröffentlichung“ der Rechenschaftsberichte, wie es dem Bundestagspräsidenten vorschwebt, am Ende wohl nur wenige Monate werden. Doch das Problem bleibt: Wenn ein Unternehmen am heutigen Tag 49.999 Euro an eine Partei spendet, wird die Öffentlichkeit dies frühestens Ende 2018 erfahren.

Deswegen fordert abgeordnetenwatch.de eine sehr viel wirkungsvollere Transparenzmaßnahme: Parteispenden sollten künftig bereits ab einer Höhe von 10.000 Euro unverzüglich auf der Bundestagswebseite offengelegt werden müssen und nicht wie bislang erst ab 50.000 Euro. Dann spielte auch der Veröffentlichungszeitpunkt der Rechenschaftsberichte keine Rolle mehr.

Für schärfere Transparenzregeln müsste allerdings eine Mehrheit im Deutschen Bundestag das Parteiengesetz ändern, und das steht nicht zu erwarten. CDU und CSU sehen keinerlei Handlungsbedarf - die beiden Parteien mit den höchsten Unternehmensspenden sind mit den derzeitigen Veröffentlichungsregeln immer ganz gut gefahren. 

Update 15. Februar 2017:

Knapp einem Monat nach unserer Presseanfrage vom 18. Januar 2017 hat die Bundestagsverwaltung heute eine Antwort geschickt. Diese ist allerdings wenig ergiebig:

"Derzeit wird eine frühere Veröffentlichung von Rechenschaftsberichten geprüft. Bei diesem Sachverhalt ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Rechenschaftsberichte der Parteien regelmäßig offenkundige Unrichtigkeiten (insbes. Rechenfehler, Spaltenverwechslungen etc.) beinhalten, die zwar korrekturbedürftig, aber nicht sanktionswürdig sind. Im Interesse der Transparenz und Klarheit für die Leser der veröffentlichten Rechenschaftsberichte wird auf einen vorherigen Austausch der betroffenen Seiten Wert gelegt. Darüber hinaus muss die Veröffentlichung nach dem Parteiengesetz als Bundestagsdrucksache erfolgen. Der nachträgliche Austausch von Seiten in einer bereits veröffentlichten Drucksache muss aber die absolute Ausnahme bleiben."

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