Beratungspflicht bei Spätabtreibungen

Der Bundestag hat eine striktere Regelung bei Abtreibungen nach der zwölften Schwangerschaftswoche beschlossen. U.a. wurde die Bedenkzeit für Schwangere vor einer Spätabtreibung auf drei Tage festgelegt. Bei SPD, FDP, Grünen und CSU gab es sowohl Ja- als auch Nein-Stimmen.

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Dafür gestimmt
325
Dagegen gestimmt
234
Enthalten
0
Nicht beteiligt
52
Abstimmungsverhalten von insgesamt 611 Abgeordneten.

Das verabschiedete "Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes" sieht eine verpflichtende ärztliche Beratung vor, welche den Eltern, aber insbesondere den Schwangeren Unterstützung und Hilfestellung bieten soll. Bei einer Behinderung des Ungeborenen ist der Arzt dazu verpflichtet, der Schwangeren in eine ergebnisoffene, psychosoziale Beratung zu vermitteln. Die Frau kann dies auch ablehnen. Zwischen der erweiterten Beratung und einem medizinischen Eingriff müssen zukünftig mindestens drei Tage Bedenkzeit liegen. Falls ein Arzt gegen die Beratungspflicht verstößt, wird ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro fällig. Die Frist gilt jedoch nicht, wenn das Leben der Schwangeren in Gefahr ist. Durch die verpflichtende Beratung soll vor allem das Leben des ungeborenen Kindes geschützt und eine vorschnelle Entscheidung der Mutter verhindert werden.

Bisher gab es keine verpflichtende Beratung für Frauen, die sich für eine Spätabtreibung nach der zwölften Schwangerschaftswoche entschieden.

Die Befürworter eines Gegenentwurfs, der u.a. von den Abgeordneten Humme (SPD) und Schewe-Gerigk (Grüne) (BT-Drs. 16/12664/pdf) eingebracht worden war, wollten lediglich den Rechtsanspruch Schwangerer auf frühe Beratung festschreiben, jedoch keine feste Bedenkzeit und auch keine Bußgelder für Ärzte. Die Linkspartei sprach sich gegen beide Entwürfe aus, da diese ein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Frauen seien.

Weiterführende Links: Das Gesetz zur Änderung des Schwangerschutzkonfliktgesetzes im Wortlaut

Kommentare

In eigener Sache: Warum Abgeordnetenwatch die Kommentar-Funktion abgeschaltet hat

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Die Gesetzesänderung bedeutet einen frauen- und frauengesundheitspolitischen Rückschritt. Mit den Änderungen wird die Reform von 1995 hinsichtlich einer fortschrittlichen Definition einer medizinischen Indikation zurückgenommen und gespalten, sodass die jetzt gesetzlichen Einschränkungen nur dann nicht greifen, wenn eine schwangere Frau in Lebensgefahr schwebt.

Eine starre Wartezeit von 3 Tagen, die für alle anderen schwerwiegenden Lebenssituationen gilt, wird Frauen in Angst halten, ob die ÄrztInnen eine medizinische Indikation ausstellen werden. Von Hilfe keine Spur! Ebenso werden indizierende ÄrztInnen noch weniger als bisher das Risiko eingehen und bereit sein, eine medizinisch - soziale Indikation auszustellen, wenngleich sie vorliegt. Nicht zuletzt auch aufgrund der Androhung eines Bußgeldes von € 5.000.- . Eine pure Einschüchterung der Ärzteschaft.

Es ist wahrscheinlich, dass schwangere Frauen ab der 13. Woche vermehrt ins Ausland ausweichen werden. Ein Skandal. Auch die Anzahl später Abbrüche kann ansteigen, allein aufgrund der starren gesetzlich vorgeschriebenen Wartezeit und der Beratungspflicht der ÄrztInnen unter Hinzuziehung eines Fach-ÄrztInnengremiums vor der Aushändigung einer ärztlichen Indikationsstellung an die Schwangere. Die Qual des Wartens tritt anstelle eines ruhigen Nachdenkens!
Auch das Risiko von ÄrztInnen verleumdet zu werden, ist allein durch die Androhung eines hohen Bußgeldes, dass ÄrztInnen in unerhörter Weise diskriminiert, erneut erhöht.

Die vorgeblichen Ziele der Gesetzesänderungen, wirkliche Hilfen für Frauen zu ermöglichen und die bundesweit seltenen Spätabtreibungen zu reduzieren waren politisch kalkulierte Schaumschlägerei. Mit wahrheitswidrigen Behauptungen ohne empirisch nachweisbare Unterstellungen Frauen und der Ärzteschaft gegenüber wurde die Öffentlichkeit über mehrer Jahre hin geschickt getäuscht, unterstützt von den Medien.

Von Beginn an, seit 2002, ging es einem konservativen parteipolitschen Kreis um die Einschränkung der medizinischen Indikation. Sie war und blieb politisch im Visier. Sie wurde am 13. Mai 2009 von konservativer, christlich - fundamentalistischer Seite zum Nachteil einer jungen Frauengeneration eingeschränkt.

Sie wird wieder um ihr Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit kämpfen müssen, zu dem weltweit ein liberaler Umgang mit ungewollter Schwangerschaft zählt und dem Recht auf Zugang zu einer medizinisch guten
Schwangerschaftsabbruch - Versorgung.

Antwort auf von Ulla Ellerstorfer

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"Von Hilfe keine Spur! Ebenso werden indizierende ÄrztInnen noch weniger als bisher das Risiko eingehen und bereit sein, eine medizinisch - soziale Indikation auszustellen, wenngleich sie vorliegt." Für diese Befürchtung gibt es keine Hinweise. Da die entsprechenden Diagnosen in der Regel vom Pränataldiagnostiker gestellt werden, also nicht von einem Psychiater ist eher die umgekehrte Situation ein Problem: Sobald eine Behinderung erkannt wird, kann beinahe jede Schwangere, die eine solche Indikation möchte, sie auch erhalten, unabhängig von ihrer tatsächlichen psychischen Verfassung. Es ist anders zu erklären, wieso einerseits zahlreiche Klagen gegen Pränataldiagnostiker, die Behinderungen übersehen haben, mit der Begründung abgelehnt werden, aufgrund der nach der Geburt fehlenden psychischen Erkrankung der Mutter sei eine Abtreibung ohnehin illegal gewesen, andererseits Frauen, die eine solche vornahmen, noch nie darüber berichteten, nach einem Arzt suchen zu müssen, der ihnen eine Indikation ausstellte. In lediglich einem bekannt gewordenen Fall wurde eine solche erfolgreich verweigert, der Spiegel schrieb darüber unter dem Titel "Der Ludwig lacht". Nur mit dieser Annahme lässt sich auch erklären, wieso in diesem Zusammenhang immer wieder von Beratung durch die Mediziner gesprochen wird, auch wenn der § 218 a (Abs.2) und b ganz eindeutig eine Kontrollfunktion durch den Arzt vorgesehen ist. Der bloße Wunsch, kein Kind mit Behinderung zu haben, reicht seit 1995 nicht mehr aus, um die übliche 12-Wochenfrist zu überschreiten.

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Es ist ein Skandal, dass Spätabtreibungen zu einem Zeitpunkt, wo das Kind schon überlebensfähig ist, überhaupt noch zugelassen werden. Es gibt genügend Beispiele, wo Kinder ihre Abtreibung überlebt haben, die dann hinterher, sich selbst überlassen, entweder gestorben sind oder schwerstbehindert überlebt haben. Um dieses zu verhindern, werden die Ungeborenen durch eine Kaliumchloridinjektion ins Herz getötet. Es kann mir kein Mensch sagen, dass dies für das Kind schmerzfrei sein soll.
Völlig außer Frage steht dagegen, dass Spätabtreibungen möglich sein sollten, wenn das Leben der werdenden Mutter in unmittelbarer Gefahr ist.
Die Rechtssprechung sollte vor allem dahingehend geändert werden, dass Spätabtreibungen nur bis etwa gut zur Hälfte der Schwangerschaft (20/21. Woche) erlaubt sein sollen. Und auch die Definition der (furchtbares Wort) abtreibungswürdigen Behinderungen muss viel enger gefasst werden. Rein rechtlich ist es in D möglich, ein Kind auch wegen eines Klumpfußes oder einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte bis kurz vor der Geburt abzutreiben.

Die Indikationsstellung für die Spätabtreibung sollte extrem eng gefasst werden, wobei es ohnehin ein Unding ist, dass heute immer noch davon gesprochen wird, dass ein Ungeborenes lebensunwert ist. Diese unselige Situation hatten wir im vergangenen Jahrhundert, und ich sehe beim besten willen nicht den Unterschied zwischen Ungeborenen und Lebenden.

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Schon der Titel ist irreführend. Die schwangere Frau hat keine zusätzlichen Pflichten auferlegt bekommen. Einziges Manko bei streng feministischer Ansichtsweise mag sein, daß nun eine Mindestfrist von 3 Tagen für die Entscheidung der Frau vorgeschrieben wird. Wohlgemerkt nur bei den Spätabtreibungen, bei denen der Embryo z.T. schon lebensfähig ist. Für alle anderen Abtreibungen bleibt es bei der geltenden Rechtslage.

Die Beratungspflicht liegt beim Arzt/bei der Ärztin. Es muss jetzt durch den Arzt medizinisch beraten werden, vor allem aber endlich in die psychosoziale Beratung verpflichtend vermittelt werden.
Die betroffene Frau kann selbstverständlich die Beratung ablehnen - diese ist also freiwillig.

Der richtige Titel für diese Abtimmung müsste also lauten Vermittlungspflicht für Ärzte - Ablehnungsrecht für Frauen.

Josef Winkler, MdB

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Was mich vor allem stört ist, daß es nach meiner Kenntnis keine statistischen Daten dazu gibt, wieviele der abgetriebenen Föten tatsächlich eine Behinderung aufwiesen. D.h. die Genauigkeit der Vorhersagen im Hinblick auf eine Behinderung wird scheinbar gar nicht kontrolliert. Es sind andererseits eine Menge Fälle bekannt, in denen sich gegen Abtreibung entschieden wurde und nach der Geburt herausstellte, daß doch keine Behinderung vorlag! - Gerade im Zusammenhang mit einer so schwierigen Thematik sollten aber doch zumindest sichere Ausgangsdaten und echte Fakten vorhanden sein, bevor eine Debatte über das weitere Vorgehen überhaupt Sinn macht!

Antwort auf von Monika Selbst

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Diese Ansicht hat mit der geltenden Rechtslage nicht das Geringste zu tun. Es ist eben nicht erlaubt, eine Behinderung als Grund für eine Abtreibung nach der 12. Woche anzugeben, allenfalls die psychische Gesundheit der Frau darf den Ausschlag geben. Das wird im Artikel zwar auch erwähnt, aber nur als Grund, auch bei leichteren Behinderungen Spätabtreibungen vorzunehmen. Den zwingende Schluss, dass dann auch Schwangeren, die ein Kind mit schweren Behinderungen in ihrer Gebärmutter tragen in vielen Fällen eine solche verweigert werden muss, weil sie diese nur wünschen, aber zur Erhaltung ihrer Gesundheit nicht benötigen, führt sie nicht durch. Sinnvoller als das Gesetz scheint daher die Verfolgung der in diesem Zusammenhang im § 218 bereits existierenden Straftatbestände.

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ich wünschte, jeder der hier dafür gestimmt hat, würde sich auch um das Leben dieser Kinder NACH jeder verhinderten Abtreibung in dem Masse kümmern, wie es immer vor der Abtreibung geschieht.

Hat man in der Politik schon jemals darüber dikutiert, welches Leben diese Betroffenen (Mutter und Kind) erwartet und ob es überhaupt sinnvoll ist?

Denn das alles macht doch nur einen Sinn, wenn den Betroffenen auch wirklich geholfen wird, und ist das denn der Fall?

Ich denke all das ist wohl nötig, weil die Menschheit vom Aussterben bedroht ist. Oder?

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Betr. Kommentar #6

die Politik soll diskutieren, ",welches Leben diese Betroffenen (Mutter und Kind) erwartet und ob es überhaupt sinnvoll ist?", also für die Betroffenen entscheiden, ob ihr Leben überhaupt sinnvoll ist oder ob sie das Leben besser sein lassen sollten? ich glaube ich lese nicht recht