Internetsperren

Mit 389 Ja- zu 128 Nein-Stimmen hat der Bundestag die umstrittene Einführung sog. Internetsperren beschlossen. Dadurch soll der Zugriff auf Seiten mit kinderpornographischen Inhalten erschwert werden. Gegner halten die Sperren für weitgehend wirkungslos und befürchten eine Zensur des Internets.

Weiterlesen
Dafür gestimmt
388
Dagegen gestimmt
128
Enthalten
18
Nicht beteiligt
77
Abstimmungsverhalten von insgesamt 611 Abgeordneten.
Name Aufsteigend sortieren FraktionWahlkreisStimmverhalten
Portrait von Hermann Otto SolmsHermann Otto SolmsFDP175 - Gießen Nicht beteiligt
Portrait von Petra SittePetra SitteDIE LINKE73 - Halle Dagegen gestimmt
Portrait von Johannes SinghammerJohannes SinghammerCDU/CSU219 - München-Nord Dafür gestimmt
Portrait von Thomas SilberhornThomas SilberhornCDU/CSU237 - Bamberg Dafür gestimmt
Portrait von Bernd SiebertBernd SiebertCDU/CSU172 - Schwalm-Eder Dafür gestimmt
Portrait von Ilja SeifertIlja SeifertDIE LINKE157 - Löbau-Zittau - Görlitz - Niesky Dagegen gestimmt
Portrait von Marion SeibMarion SeibCDU/CSU Dafür gestimmt
Portrait von Kurt SegnerKurt SegnerCDU/CSU277 - Odenwald-Tauber Dafür gestimmt
Portrait von Wilhelm Josef SebastianWilhelm Josef SebastianCDU/CSU200 - Ahrweiler Dafür gestimmt
Portrait von Rita Schwarzelühr-SutterRita Schwarzelühr-SutterSPD289 - Waldshut Dafür gestimmt
Portrait von Rolf SchwanitzRolf SchwanitzSPD168 - Vogtland - Plauen Dafür gestimmt
Portrait von Martin SchwanholzMartin SchwanholzSPD39 - Stadt Osnabrück Dafür gestimmt
Portrait von Angelica Schwall-DürenAngelica Schwall-DürenSPD128 - Coesfeld - Steinfurt II Dafür gestimmt
Portrait von Frank SchwabeFrank SchwabeSPD122 - Recklinghausen I Dafür gestimmt
Portrait von Marina SchusterMarina SchusterFDP247 - Roth Dagegen gestimmt
Portrait von Ewald SchurerEwald SchurerSPD215 - Erding - Ebersberg Dafür gestimmt
Portrait von Uwe SchummerUwe SchummerCDU/CSU112 - Viersen Dafür gestimmt
Portrait von Swen SchulzSwen SchulzSPD79 - Berlin-Spandau-Charlottenburg Nord Dafür gestimmt
Portrait von Reinhard SchultzReinhard SchultzSPD131 - Warendorf Dafür gestimmt
Portrait von Bernhard Schulte-DrüggelteBernhard Schulte-DrüggelteCDU/CSU147 - Soest Dafür gestimmt
Portrait von Herbert SchuiHerbert SchuiDIE LINKE36 - Soltau-Fallingbostel - Winsen L. Dagegen gestimmt
Portrait von Ole SchröderOle SchröderCDU/CSU7 - Pinneberg Dafür gestimmt
Portrait von Kristina SchröderKristina SchröderCDU/CSU180 - Wiesbaden Dafür gestimmt
Portrait von Ottmar SchreinerOttmar SchreinerSPD297 - Saarlouis Enthalten
Portrait von Olaf ScholzOlaf ScholzSPD20 - Hamburg-Altona Nicht beteiligt

Mit einem Stopp-Schild (s.o.) will die Bundesregierung gegen Kinderpornographie im Internet vorgehen. Internetanbieter (sog. Provider) werden in dem Gesetz verpflichtet, "technische Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu kinderpornographischen Internetangeboten zu erschweren." Dazu wird ihnen vom Bundeskriminalamt eine täglich aktualisierte Liste mit den Adressen von Kinderpornoseiten übermittelt. Wer künftig eine indizierte Seite aufruft, bekommt lediglich ein Stopp-Schild angezeigt.

Gegner der sog. Netz-Sperren, darunter die Oppositionsparteien und der "Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur", halten diese Maßnahme im Kampf gegen Kinderpornographie nicht nur für weitgehend wirkungslos, da eine Sperre leicht zu überwinden sei, sondern sogar für kontraproduktiv. Statt durch eine Löschung von Internetseiten entschlossen gegen Kinderpornographie vorzugehen, würde diese lediglich hinter einem Stopp-Schild versteckt. Kinderpornographie würde so auch weiterhin Verbreitung finden.

Von Union und SPD wird darauf verwiesen, dass nach dem Prinzip "Löschen statt Sperren" verfahren werden soll: Erst wo die Löschung einer Internetseite mit Kinderpornos nicht gelingt, weil sich diese z.B. auf einem Server im Ausland befinden, soll eine Sperrung erfolgen. Allerdings kann laut Gesetzentwurf eine Internetseite auch dann auf der Sperrliste des Bundeskriminalamtes landen, wenn eine Löschung "nicht in angemessener Zeit erfolgversprechend" ist. Dies kann z.B. der Fall sein, weil deutsche Polizeibehörden keinen direkten Zugriff auf ausländische Provider haben und erst einen Umweg über internationale Behörden nehmen müssen, wie es die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann in einer Antwort auf abgeordnetenwatch.de beschreibt.

Kritiker des Sperr-Gesetzes befürchten, dass eine Zensur-Infrastruktur für das Internet geschaffen wird, der auch andere Inhalte zum Opfer fallen könnten. In Blogs, Foren und bei Twitter formierte sich ein Proteststurm, der in einer ePetition an den Bundestag zusammenlief: Mit mehr als 130.000 Unterstützerinnen und Unterstützer ist die Petition "Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten" die größte Online-Eingabe aller Zeiten.

Auch innerhalb der SPD-Fraktion gab es kritische Stimmen gegen das umstrittene Gesetz. Der Abgeordnete Gregor Amann schrieb auf abgeordnetenwatch.de, er rechne wegen Bedenken in seiner Fraktion damit, dass die Internetsperre "entweder gar nicht oder nur in sehr veränderter Form beschlossen wird". Auf Drängen der SPD kam es in letzter Minute schließlich noch zu Änderungen an dem Gesetzentwurf.

Die Koalitionsfraktionen einigten sich auf folgende Eckpunkte:

1. Für die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten wird ein Spezialgesetz geschaffen, das einzig den Bereich Kinderpornographie umfasst und zuächst auf drei Jahre befristet wird. Dies hatte die SPD gefordert. Ursprünglich war vorgesehen, die Netz-Sperren innerhalb des Telemediengesetzes zu verankern. Dadurch, so Kritiker, ließe sich die Sperrung auch problemlos auf andere Inhalte wie "Killerspiele" (wie z.B. vom CDU-Abgeordneten Thomas Strobl auf abgeordnetenwatch.de angedacht) oder bei Urheberrechtsverletzungen ausweiten.

2. Internetnutzer, die auf den Stopp-Seiten landen, sollen keine Strafverfolgung mehr fürchten. In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes war eine Verpflichtung für Internetanbieter geplant, Nutzerdaten zu speichern und diese auf Verlangen an das Bundeskriminalamt weiterzuleiten. Dadurch hätten auch Internetsurfer, die bspw. durch das versehentliche Anklicken eines Links auf eine solche Stopp-Seite gelangt wären, ins Fadenkreuz der Ermittlungsbehörden geraten können.

Der endgültige Gesetzentwurf sieht außerdem eine unabhängige Kontrolle der Filterliste des Bundeskriminalamts vor, wovon zuvor keine Rede gewesen war.