Änderung des Infektionsschutzgesetzes (Ende weitreichender Corona-Maßnahmen)

Der Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/Die Grünen sieht mehrere Änderungen im Infektionsschutzgesetz und weiteren Vorschriften vor. Bis auf einige „niedrigschwelligen Maßnahmen“ soll es den Bundesländern danach nicht mehr erlaubt sein, Grundrechte zur Pandemiebekämpfung einzuschränken. Ausnahmen sollen für sogenannte lokale „Hot Spots“ gelten.

Der Gesetzentwurf wurde mit 364 Stimmen aus den Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/Die Grünen gegen 277 Stimmen von CDU/CSU, AfD und Die Linke angenommen. Es gab zwei Enthaltungen.

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Dafür gestimmt
364
Dagegen gestimmt
277
Enthalten
2
Nicht beteiligt
93
Abstimmungsverhalten von insgesamt 736 Abgeordneten.

Hintergrund des Gesetzentwurfes ist die letzte Änderung des Infektionsschutzgesetzes per Abstimmung vom 18. November 2021. Diese beendete die epidemische Lage nationaler Tragweite und schuf dafür einen rechtlichen „Maßnahmenkatalog“ zur Pandemiebekämpfung. Dieser war durch das Gesetz zeitlich bis zum 19. März 2022 begrenzt. Ab dem 20. März 2022 hätte es also keine rechtliche Grundlage für Corona-Maßnahmen mehr gegeben.

Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktion hat deshalb die Absicht, einen sicheren Rechtsrahmen für die zukünftige Pandemiebekämpfung zu schaffen. Er sieht dabei vor, den Bundesländern nur noch geringen Spielraum bei den Maßnahmen einzuräumen. Dabei geht es im Wesentlichen um die folgenden vom Gesetzentwurf „niedrigschwelligen Maßnahmen“ genannten Einschränkungen:

  • Maskenpflicht zum Schutz von Risikogruppen
    • in Krankenhäusern, Dialyseeinrichtungen, Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegediensten, Asylunterkünften und im öffentlichen Personennahverkehr
  • Testpflicht zum Schutz von Risikogruppen
    • in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegeeinrichtungen, Schulen, Kindergärten, Asylunterkünften, Justizvollzugseinrichtungen, Abschiebungshafteinrichtungen, Maßregelvollzugseinrichtungen und in anderen Einrichtungen mit dauerhaftem Freiheitsentzug wie Psychiatrien und Heime

Außerdem bleibt die Maskenpflicht im Luft- und Personenfernverkehr bestehen. Diese kann jedoch von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates ausgesetzt werden.

Ausnahmen sollen für sogenannte lokale „Hot Spots“ gelten. Dabei soll es ich um Regionen mit lokal begrenzter bedrohlicher Infektionslage handeln. Diese könne aufgrund einer gefährlichen Virusvariante, drohender Überlastung des Gesundheitssystems oder besonders starken Anstiegs der Neuinfektionen gegeben sein. Für die betroffenen Regionen dürften dann erweiterte Schutzmaßnahmen wie etwa Maskenpflicht, Abstandsgebot und verpflichtende Hygienekonzepte erlassen werden. Diese „Hot Spots“ müssen jedoch von den Landtagen der betroffenen Regionen festgestellt werden.

Die mit dem Gesetzentwurf erlassenen Maßnahmen gelten spätestens bis zum 23. September 2022. Dann soll neu bewertet werden, welche Maßnahmen für den kommenden Herbst und Winter notwendig sind.

Nicht zuletzt wird durch die Änderung im Infektionsschutzgesetz eine rechtssichere Definition des Impf- und Genesenenstatus vorgenommen. Bislang hatte man sich dafür auf konkretisierende Internetveröffentlichungen des Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts bezogen. So definiert das Infektionsschutzgesetz nach der Änderung etwa die Personen als genesen, die einen direkten Erregernachweis vorlegen können, der mindestens 28 Tage und höchstens 90 Tage zurückliegt.

Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) betonte in der Debatte zu dem Gesetzentwurf, dass die Pandemie nicht vorbei sei und man von keinem „Freedom Day“ sprechen dürfe. Für diesen brauche es eine allgemeine Impfpflicht. Es handle sich bei dem Gesetzentwurf um einen „schweren Kompromiss“ darüber, was man den Menschen noch zumutzen könne. Man trage der Tatsache Rechnung, dass derzeit keine Überlastung des Gesundheitssystems drohe.

Lukas Köhler der FDP-Fraktion hob hervor, dass nur absolut notwendige Freiheitseinschränkungen beschlossen werden dürften. Dafür sei einzig und allein die Überlastung der Kliniken das Kriterium. Das Gesetz sorge für den notwendigen Schutz.

Für BÜNDNIS 90/Die Grünen sprach Dr. Kirsten Kappert-Gonther ebenfalls von einem Kompromiss, aus dem der Gesetzentwurf entstanden sei. Aus ihrer Sicht als Ärztin und auch aus der Sicht ihrer Fraktion hätte es für guten Infektionsschutz mehr als das gebraucht, was mit dem Gesetz beschlossen worden sei.

Tino Sorge (CDU/CSU) wiederholte die Kritik der Ministerpräsidentenkonferenz vom Vortag. Es sei nicht klar, was konkret ein „Hot Spot“ sei und welche Kritierien für diesen gelten würden. Deshalb werde man schon bald wieder über das Gesetz diskutieren müssen.

Die AfD-Abgeordnete Christina Baum holte zu einer grundsätzlichen Kritik am Pandemiemanagement der Regierung aus. Es habe nie eine Überlastung der Intensivstationen oder Belege für die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen gegeben. Das neue Gesetz sei „nichts weiter als eine Beruhigungspille“, da die darin festgehaltenen Regelungen nach Belieben aufgehoben werden könnten.

Susane Ferschl bezeichnete die „Hot Spot“-Regelung für ihre Die Linke-Fraktion als Fleckenteppich unterschiedlicher Regelungen. Das Gesetz sei handwerklich und inhaltlich schlecht. Das liege auch daran, dass es im „Schweinsgalopp“ durchgesetzt worden sei, während die Regierung etwa Monate für einen Pflegebonus brauche.

Der Gesetzentwurf wurde mit 364 Stimmen aus den Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/Die Grünen angenommen. Die Fraktionen der CDU/CSU, AfD und Die Linke haben mit 277 Stimmen gegen den Gesetzentwurf gestimmt. Es gab zwei Enthaltungen. 93 Abgeordnete haben sich nicht an der Abstimmung beteiligt.