Halbzeit für die Ampel

Wie steht es um die Transparenz?

Das Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu und damit ist auch für die Ampelkoalition Halbzeit in dieser Legislaturperiode. Wir haben uns angeschaut, wie es aktuell um die Umsetzung ihrer Transparenzversprechen steht.

von Lisa Böhm und Sarah Schönewolf, 19.12.2023
Halbzeit bei der Ampel Koalition

 

Mehr Transparenz wurde versprochen, aber was ist bisher passiert und was bleibt noch zu tun? Außerdem werfen wir einen Blick darauf, ob die bisherigen Änderungen wirklich das gehalten haben, was versprochen wurde.

Um die Transparenzpläne der Ampelfraktionen bewerten zu können, orientieren wir uns am Koalitionsvertrag.

 

1. Das Lobbyregister:

Hierzu heißt es im Koalitionsvertrag:

„Wir werden das Lobbyregistergesetz nachschärfen, Kontakte zu Ministerien ab Referentenebene einbeziehen und den Kreis der eintragungspflichtigen Interessenvertretungen grundrechtsschonend und differenziert erweitern.“ (S. 10)

Was ist passiert?

Die Ampelkoalition hat beim Lobbyregister nachgebessert. Nach der Gesetzesreform müssen Lobbyist:innen im Lobbyregister offenlegen, auf welches Gesetzesvorhaben sie Einfluss genommen haben. Allerdings bleibt die Neuerung hinter den Erwartungen zurück. So wurde die ursprünglich im Koalitionsvertrag vereinbarte Offenlegung der Kontakte zu Referent:innen nicht erreicht, obwohl diese in den Ministerien überwiegend für die Ausarbeitung von Gesetzen zuständig sind.

Was fehlt:

Ohne gesetzliche Kontakttransparenz, also die genaue Offenlegung, wann, mit wem und in welcher Form es zu Kontakt zwischen Lobbyist:innen und Abgeordneten oder ihren Mitarbeiter:innen kam, werden Lobbytreffen weiterhin nur dann ans Licht kommen, wenn die Opposition die Regierung danach fragt oder wenn sie von den Medien oder der Zivilgesellschaft aufgedeckt werden. Wir sehen hier jedoch Lobbyist:innen in der Pflicht, ihre konkrete Einflussnahme auf die Politik aufzuzeigen, damit jede:r Bürger:in nachvollziehen kann, wie Gesetze oder Positionen zustande kommen. In anderen Ländern wie Kanada, den USA und auch auf EU-Ebene ist diese Offenlegung längst üblich.

Es bleibt zudem unklar, wie die Einträge im Lobbyregister überprüft werden sollen.

Wir plädieren hier für die Einführung einer unabhängigen Kontrollinstanz, ähnlich der französischen hohen Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens, die die Eintragungen überprüft und sanktioniert. Die geplanten Ausnahmeregelungen für Arbeitgeber:innen- sowie Arbeitnehmer:innenverbände und Kirchen bzw. Religions- und Weltanschauungsgesellschaften schwächen die Stellung des Lobbyregisters.

Eine weitere fragwürdige Regelung betrifft die Veröffentlichung von grundlegenden Stellungnahmen und Gutachten von Lobbyist:innen. Diese müssen zwar veröffentlicht werden, dürfen aber im Lobbyregister fehlen und stattdessen auf den Websites der Ministerien veröffentlicht werden.

Fazit:

Die Änderungen erfüllen zwar das Mindestmaß an Transparenz, aber die Ampel traut sich nicht, Lobbyismus für Bürger:innen vollständig sichtbar zu machen. Ihr fehlt es an einem gemeinsamen aktiven Gestaltungswillen. Ohne diese sogenannte Kontakttransparenz kommen Lobbytreffen nur ans Licht, wenn die Opposition die Regierung danach fragt oder wenn sie aufgedeckt werden.

 

2. Die Abgeordnetenbestechung

Im Koalitionsvertrag steht:

„Wir werden den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung und -bestechlichkeit wirksamer ausgestalten.“ (S. 10)

Was hat sich bisher getan:

Bisher noch nichts. Wir drängen seit Jahren auf eine Reform des entsprechenden Paragraphen 108e im Strafgesetzbuch, weil er nicht nur nach unserer Auffassung, sondern auch nach Ansicht des Oberlandesgericht München und der Bundesgerichtshof nicht anwendbar ist. So konnten diese nach den Maskenaffären diverser ehemaliger CSU-Abgeordneter keine Strafen verhängen. Vielmehr konnten die besagten Abgeordneten sogar ihre Gewinne aus den Maskendeals behalten - das liegt schlicht an einzelnen Formulierungen in diesem Paragrafen. Zu den Details hier!

Laut Medienberichten war die dringend notwendige Reform des Paragraphen 108e bereits auf der Zielgeraden, verzögerten sich jedoch, nachdem die EU einheitliche Anti-Korruptionsregelung in allen Mitgliedsstaaten vorgeschlagen hatte. Die Sorgen vor einer möglichen Gefährdung der Freiheit des Mandats haben hier den Prozess nochmal ins Stocken gebracht - und uns zu einem Appell an Justizminister Buschmann, endlich die Abgeordnetenbestechung anzugehen, veranlasst. Hier genau nachlesen! Das neue Gesetz ist laut Medienberichten jetzt für Anfang 2024 geplant.

Fazit:

Da noch keine Umsetzung erfolgt ist, kann die Reform noch nicht bewertet werden. Es kann jedoch festgestellt werden, dass die Umsetzung dieses Transparenzvorhabens nur sehr langsam vorangeht.

 

3. Das Parteiengesetz: 

Im Koalitionsvertrag steht:

„Parteiensponsoring werden wir ab einer Bagatellgrenze veröffentlichungspflichtig machen.“ (S. 10)

„Die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung von Zuwendungen an Parteien wird auf 35.000 Euro herabgesetzt.“ (S. 10)

„Spenden und Mitgliedsbeiträge, die in der Summe 7.500 Euro pro Jahr überschreiten, werden im Rechenschaftsbericht veröffentlichungspflichtig.“ (S. 10)

„Wir schützen die Integrität des politischen Wettbewerbs vor einer Beeinträchtigung durch verdeckte Wahlkampffinanzierung mittels so genannter Parallelaktionen.“ (S. 10)

Was hat sich bisher getan:

Das Parteiengesetz wurde im Dezember verabschiedet. Hier geht es zur namentlichen Abstimmung.

Die Reform enthält eher kleine Verbesserungen: Großspenden müssen nun schon ab 35.000 Euro direkt gemeldet werden - bisher waren es 50.000 Euro. Auf diese Abstufung hatten sich die Ampelfraktionen bereits in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. Auch darf das sogenannte Parteisponsoring nicht mehr wie bisher im Verborgenen stattfinden. Künftig muss das in einem jährlichen Sponsoringbericht offengelegt werden. Unter Parteisponsoring fallen beispielsweise die Kosten für Stände auf Parteitagen oder auch die Kosten für Anzeigen in Parteizeitungen. Auch so genannte Parallelaktionen können nicht mehr im Dunkeln bleiben - sie werden künftig den Spenden gleichgestellt.

Fazit:

Die Reform des Parteiengesetzes zeigt, dass sich die demokratischen Fraktionen nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen konnten. Die im Koalitionsvertrag vorgesehenen schrittweisen Verbesserungen wie die Absenkung der Großspendengrenze und die Erfassung des Parteisponsorings gehen nicht weit genug. Sie sind mut- und visionslos. Nach wie vor ist nur die Spitze des Eisbergs der Parteispenden sichtbar, der Großteil bleibt unter der Oberfläche verborgen. Wir werden uns weiterhin für deutlich strengere Regeln für Parteispenden einsetzen und Sie können uns dabei unterstützen! Unterzeichnen Sie jetzt unsere Petition und erhöhen Sie gemeinsam mit uns den Druck auf die Politik!

 

4. Der legislative Fussabdruck

Im Koalitionsvertrag steht:

„Für Gesetzentwürfe der Bundesregierung und aus dem Bundestag werden wir Einflüsse Dritter im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesvorhaben und bei der Erstellung von Gesetzentwürfen umfassend offenlegen (sog. Fußabdruck).“

Was hat sich bisher getan:

Noch nichts. Eigentlich sollte es schon längst ein Eckpunktepapier zum Fußabdruck geben, aber bisher warten wir vergeblich darauf. Im Koalitionsvertrag wird er groß angekündigt, aber bisher bleibt uns die Ampelregierung diesen Fußabdruck, der dokumentieren soll, welche Lobbyist:innen an einem Gesetzgebungsprozess beteiligt waren und wie ihr Einfluss auf die konkrete Gesetzesformulierung aussieht, schuldig.

Fazit:

Hier müssen die Ampelfraktionen dringend nachlegen. Der sogenannte Fußabdruck ist ein wichtiger Baustein für eine transparentere Politik und ein Versprechen der Regierungsparteien. Er wäre eine wichtige Ergänzung zum Lobbyregister und würde Abläufe und Einflüsse auf das Gesetzgebungsverfahren transparenter machen und somit das Vertrauen der Bürger:innen in die Politik stärken.

 

5. Das Bundestransparenzgesetz

Im Koalitionsvertrag steht:

„Die Informationsfreiheitsgesetze werden wir zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickeln.“ (S. 11)

Was hat sich bisher getan:

Zu wenig. Eigentlich wollte das Innenministerium bis Ende 2022 Eckpunkte vorlegen, wie Staatssekretär Dr. Markus Richter vollmundig auf einer Konferenz der Datenschutzbeauftragten erklärte. Davon ist nichts übrig geblieben.Jetzt will die Ampel erst bis Ende 2024 einen Gesetzentwurf vorlegen. Das würde bedeuten, dass das Gesetz erst 2025 eingeführt wird - so steht es in einem Aktionsplan des Bundeskanzleramtes.

Unseres Wissen gibt es aktuell noch keinen finalen Entwurf des Transparenzgesetzes im Innenministerium. Stattdessen reibt man sich an mit der Integration von Open Access-Fragen auf ohne den Entwurf, den abgeordnetenwatch.de gemeinsam mit acht weiteren Bündnispartnern der Zivilgesellschaft, zu der auch die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit und Wikimedia Deutschland gehören, zu befassen.

Fazit:

Die neuerliche Verlangsamung beim Bundestransparenzgesetz ist ein Indiz dafür, dass die Ampelparteien einfach nicht bereit sind, dass die Bürger:innen mehr Einblick in die Arbeit des Staates bekommen. Um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen, muss sich die Regierung hier schnellstens bewegen. Denn eines ist klar: Ohne Transparenz keine politische Mitbestimmung. Zum gemeinsamen Gesetzesentwurf des Transparenzbündnisses.

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