Frage an Anja Siegesmund von Mario B. bezüglich Umwelt
Das Thema Windenergie ist aktuell in aller Munde und spaltet die Nation in Befürworter und Gegner. Somit wird das Thema Windenergie ein zentrales Thema bei der diesjährigen Landtagswahl sein für die Sie sich zur Wahl gestellt haben.
Ich selbst verfolge das Thema schon seit vielen Jahren und mir ist völlig klar, warum sich Befürworter und Gegner der Windenergie einfach nicht näher kommen. Die Befürworter (sozusagen Sie) sprechen über die riesigen Umweltprobleme die es zu lösen gilt und das es dafür absolut notwendig ist Windenergieanlagen zu errichten. Die Gegner sprechen hingegen darüber, dass Windenergie der Umwelt gar nicht hilft sondern nur zusätzliche Probleme verursachen. Man redet also ganz klassisch immer aneinander vorbei was mich zu meinen Fragen bringt: Was möchten Sie in Ihrer nächsten Legislaturperiode tun um die beiden Parteien näher zusammen zu bringen und wie möchten Sie bei der Energiewende in Thüringen vorgehen?
Konkrete Fragen mit denen sich Windkraft-Kritiker ständig konfrontiert sehen und die es ihm unmöglich machen den Windkraftausbau zu befürworten sind:
Wie stark ist der von Windenergieanlagen ausgesendete Infraschall und wie gefährlich ist dieser für unsere Gesundheit? Wie viele Windräder werden in Thüringen noch benötigt? Wie wird die Stromversorgung sichergestellt, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint? Wo in Thüringen und wann sollen die notwendigen Pumpspeicherkraftwerke gebaut werden und in welcher Anzahl? Wie viele Power-To-Gas Anlagen sind in Thüringen geplant und wann und wo sollen diese errichtet werden? Wo soll das Gas gespeichert werden? Wann werden die für Thüringen notwendigen Stromtrassen gebaut und wie ist deren Verlauf?
Sehr geehrter Herr B.,
Windkraft gehört neben Solarenergie zum „sauberen Energiemix“. Der saubere Energiemix schützt die Lebensgrundlagen, löst teure, schmutzige Energieimporte nach Thüringen ab und steigert die regionale Wertschöpfung.
Ich stimme Ihnen zu, dass sich Befürworter und Gegner von Windkraftanlagen in Thüringen sehr konträr gegenüberstehen. Als Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz war es meine Aufgabe, die unterschiedlichen Interessen, zum einen unsere Umwelt zu schützen und zum anderen die Energiewende zu gestalten, miteinander abzuwägen und mich dabei an Recht und Gesetz zu halten. In vielen öffentlichen Veranstaltungen, sei es in Diskussionsrunden, bei Informationsveranstaltungen im Klima-Pavillon oder der alljährlichen Erneuerbaren Energien Konferenz des Ministeriums habe ich mit Sachargumenten für die umweltverträgliche Nutzung der Erneuerbaren Energien geworben. Das Thüringer Umweltministerium hat mit einer Energiegewinner-Kampagne für den Ausbau der Erneuerbaren Energien geworben. Seit 2015 vergibt die Servicestelle Windenergie der Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur das Siegel „Faire Windenergie Thüringen“. Das Siegel garantiert maximale Transparenz, Beteiligung aller Interessengruppen im Umfeld eines Windparks während der gesamten Projektierungsphase/Entwicklung, sowie Angebote einer direkten finanziellen Beteiligungsmöglichkeit für Bürger und Kommunen. Die Thüringer Landesregierung hat einen Windenergieerlass als einheitliches Planungsinstrument verabschiedet.
Ich werde mich auch in der nächsten Legislatur mit aller Kraft dafür einsetzen, um bis 2040 bilanziell eine 100 % Versorgung durch Erneuerbare Energien in Thüringen zu erreichen.
Ihre weiterführenden Fragen möchte ich wie folgt beantworten:
Wie stark ist der von Windenergieanlagen ausgesendete Infraschall und wie gefährlich ist dieser für unsere Gesundheit?
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens zum Bau einer Windkraftanlage wird geprüft, ob sich die beantragten Windkraftanlagen in einem solchen Abstand zur Wohnbebauung befinden, der einen ausreichenden Schutz vor Infraschall garantiert. Darüber hinaus werden bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung weitere gesundheitsrelevante Aspekte abgeprüft, ebenso wie bspw. im Genehmigungsverfahren für Industriebauten. Grundsätzlich gilt, dass der Infraschall bspw. durch Sturm, Meeresbrandung (Küste) und insbesondere Straßenverkehr um ein vielfaches stärker ist, als der Infraschall durch Windkraftanlagen (vgl. https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/erneuerbare-energien/infraschall ).
Wie viele Windräder werden in Thüringen noch benötigt?
Das Bundesziel, bis 2030 einen erneuerbaren Stromanteil von 65 % zu erreichen, ist nur mit deutlichem Ausbau der Windkraft realisierbar. Für Thüringen dokumentieren bundesweite Studien (z. B. Zukunft Stromsystem II) einen Ausbaubedarf von mindestens 1.000 modernen 4 MW-Anlagen, bzw. mindestens 1 % der Landesfläche.
Bei einer Nutzung von 1 % der Landesfläche für den Bau von Windkraftanlagen kann eine Erzeugungsleistung von 10 TWh Strom pro Jahr erreicht werden. Je nach Leistungskraft des einzelnen Windrades werden hierfür 1.000-1.500 Windkraftanlagen benötigt. Derzeit existieren in Thüringen rund 850 Windkraftanlagen.
In Thüringen werden derzeit fast 3 TWh aus Windenergie erzeugt (entspricht rund 28 % des o.g. Bedarfs). Technische Entwicklungen ermöglichen zunehmend mehr Leistung pro Windkraftanlage. Je moderner der Anlagenpark, desto weniger Anlagen werden benötigt.
Wie wird die Stromversorgung sichergestellt, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint?
Die Stromversorgung kann aus meiner Sicht nur durch einen Mix unterschiedlicher Energiequellen auf verschiedenen Ebenen (zentral und dezentral) unter Einbeziehung von Speichertechnologien und einem moderaten Ausbau der Leitungssysteme sichergestellt werden.
Wo in Thüringen und wann sollen die notwendigen Pumpspeicherkraftwerke gebaut werden und in welcher Anzahl? Wie viele Power-To-Gas Anlagen sind in Thüringen geplant und wann und wo sollen diese errichtet werden? Wo soll das Gas gespeichert werden? Wann werden die für Thüringen notwendigen Stromtrassen gebaut und wie ist deren Verlauf?
Bitte haben Sie Verständnis, dass ich im Rahmen dieser Beantwortung nicht darlegen kann, wo und wann in Thüringen ein Pumpspeicherkraftwerk, eine Stromtrasse oder eine Power-To-Gas Anlage errichtet wird bzw. werden kann. Hierzu sind umfassende Planungsprozesse notwendig, die nicht alleine in meiner Verantwortung liegen, sondern einen umfassenden Abstimmungs- und Beteiligungsprozess bedürfen.
Mit freundlichen Grüßen
Anja Siegesmund