Frage an Ann-Sophie Bohm bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ann-Sophie Bohm
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Frage von Michael F. •

Frage an Ann-Sophie Bohm von Michael F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Was werden Sie gegen den immer weiter ausufernden "Mietenwahnsinn" unternehmen - ein entscheidender Faktor bei der zunehmenden Spaltung der Gesellschaft?

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr F.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ja, auch in Thüringen steigen in den größeren Städten zunehmend die Mieten. Gleichzeitig erleben wir eine zunehmende Abwanderung aus manchen Gegenden Thüringens, was vor allem in kleineren Städten und dem ländlichen Raum für Leerstand und günstige Immobilienpreise sorgt. Das ist der Spagat, in dem sich eine Thüringer Wohnungspolitik bewegen muss. Zusammenhängend mit der Frage der Miethöhe ist die nach dem Angebot. Es fehlt vor allem in den größeren Städten wie Erfurt, Jena, Weimar oder Ilmenau an bezahlbarem Wohnraum gerade für untere und mittlere Einkommen. Die Preistreiber bei den Mieten sind dabei nach meiner Beobachtung nicht die kommunalen Wohnungsgesellschaften oder regionalen Wohnungsgenossenschaften, sondern eher größere private Investor*innen, die viel zu sehr auf Rendite setzen. Doch auch bei privaten Investitionen kann das Land Bedingungen schaffen, um diese in einem sozialverträglichen Rahmen zu lenken. Hier kann und muss insbesonders das zuständige Infrastukturministerium noch sehr viel mehr tun!

Preiswertes und zugleich ökologisches Wohnen ist auch bei Neubauten unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Preistreibend ist neben dem Grundstück vor allem der Tiefbau. Verzicht auf Tiefgaragen zum Beispiel spart demnach Baukosten. Daher muss das Ministerium endlich aktiv werden und die Novelle der Landesbauordnung voranbringen, sodass bei Neubauten nicht mehr zwingend Parkplätze geschaffen werden müssen! Auch die kommunale Ebene muss hier dringend mitziehen und Geschosswohnungsbau als preisgünstige und ökologisch sinnvoll Alternative bevorzugen. Denn der Bau von Einfamilienhäusern trägt wenig zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum bei.

Wenn Wohnungen neu gebaut werden, geschieht dies oft von privaten Investor*innen, die zu häufig vor allem auf Eigentumswohnungen setzen. Vor allem in Weimar lässt sich beobachten, dass neu gebaute Wohnungen zu horrenden Preisen an Zuziehende vermietet werden, sodass der positive Effekt auf den lokalen Wohnungsmarkt gering ist. Am echten Bedarf des Weimarer Wohnungsmarktes wurde und wird jedoch eher vorbei gebaut.

Um ein größeres Wohnungsangebot zu schaffen und damit die Mieten nicht noch weiter nach oben zu treiben, setze ich mich daher für folgende Maßnahmen ein:

- die Förderpolitik des Landes für Wohnungsbauprojekte muss konsequent auf Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ausgerichtet werden. Vorhaben zu alternativen, generationenübergreifenden Wohnformen wie Wohnprojekte sollten gezielt gefördert werden.
- Nicht-gewinnorientierte Konzepte wie Wohnprojekte sollten bei Ausschreibungen bevorzugt werden. Das Land muss dafür geeignete Förderstrukturen aufbauen und als kompetenter Ansprechpartner bei der Entstehung von Wohnprojekten beratend zur Seite stehen. Das Land und seine Beteiligungen sollten auch den Verkauf von Grundstücken überdenken und eine Vergabe nach dem besseren Konzept, statt der höheren Summe, realisieren.
- Städte und Kommunen müssen ein aktives Flächenmanagement betreiben und wertvolles Bauland am besten nicht verkaufen, sondern selbst entwickeln oder zum Beispiel in Erbbaupacht vergeben. Hierbei sind außerdem Mehrfamilienhäuser zu bevorzugen. Darin sollten die Kommunen vom Land bestärkt werden.
- Was Bauen und damit die Mieten teuer macht, ist zu einem nicht geringen Teil der Tiefbau. Die Thüringer Bauordnung muss dringend geändert und die Stellplatzpflicht abgeschafft werden. Stattdessen sollte für jede Baumaßnahme auf ein individuelles Mobilitätskonzept gesetzt werden.
- Denkbar ist auch die Einrichtung einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, die landesweit und nicht-gewinnorientiert bezahlbaren Wohnraum schafft.
- Sozialer Wohnungsbau muss weiter betrieben und Bemühungen zur Steigerung seiner Attraktivität intensiviert werden. Hier ist besonders die Landespolitik gefragt!

Wenig beachtet ist bei diesen Maßnahmen alles, was getan werden muss, um das Leben im ländlichen Raum attraktiver zu machen. Denn wenn weniger Menschen in die großen Städte ziehen,weil es ihnen auch in kleineren Städen oder auf dem Land gefällt, entspannt das den Wohnungsmarkt. Dazu gehört ein besserer Zugang zu Infrastruktur, wie Ärzt*innen, Geschäften, Bussen und schnellem Internet. Mit unserer grünen Mobilitätsgarantie beispielsweise können Menschen auch ohne Auto im ländlichen Raum mobil sein - und haben eventuell einen Anreiz mehr, auf dem Dorf zu wohnen.

Und nicht zuletzt: Bereits jetzt setze ich mich als Stadträtin und als Aufsichtsratsmitglied der Weimarer Wohnstätte für bezahlbare Mieten ein. Angesichts mancher Versäumnisse oder Fehlentscheidungen in der Vergangenheit gilt es energisch umzusteuern, um nicht weiter am Bedarf vorbeizuagieren.