Frage an Annette Sawatzki bezüglich Soziale Sicherung

Annette Sawatzki
DIE LINKE
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Frage von Gawan M. •

Frage an Annette Sawatzki von Gawan M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Sawatzki,

wie stehen Sie zu dem Thema: bedingungsloses Grundeinkommen und Konsum, bzw. Verbrauchsbesteuerung?

Mit freundlichen Grüssen
G.Mäder

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Mäder,

das BGE wird in der LINKEN sehr leidenschaftlich und kontrovers diskutiert. Einigkeit besteht bei uns darüber, dass jedem und jeder ein existenzsicherndes Einkommen zusteht, dessen Höhe auch soziale und kulturelle Teilhabe ermöglicht und unabhängig von einem wie auch immer definierten „Wohlverhalten“ gewährt werden muss. Die LINKE fordert deshalb eine sanktionsfreie Grundsicherung von mindestens 500 Euro (plus tatsächliche Wohnkosten und Sozialversicherung). Mindestens 500 Euro auch für jedes Kind, statt Chipkarten oder ähnlicher „Pakete“, mit denen sich die Fürsorgebürokratie in erster Linie selbst alimentiert.

Das BGE ist m. E. eine gute und interessante Idee, deren Vorteile ja z. T. schon in Realexperimenten (Namibia) erwiesen wurden. Ich gehe davon aus, dass viele Menschen sich auch dann sinnvoll betätigen wollen, wenn ihre materielle Existenz ohne ihr Zutun gesichert ist. Sicherlich nicht alle, aber eine hochproduktive und auf Produktivitätssteigerung in langen kapitalistischen Jahrhunderten gedrillte Gesellschaft wird das m. E. verkraften können. Ich halte auch positive Verschiebeeffekte auf dem Arbeitsmarkt und im Lohngefüge für möglich - dass mit BGE insgesamt mehr gesellschaftlich sinnvolle Arbeit geleistet wird und die gerechtigkeitstheoretisch zentrale Kompensationsfunktion des Lohns stärker zur Geltung kommt (niedrigere Löhne für attraktive Tätigkeiten, höhere Löhne für unattraktive, aber notwendige Tätigkeiten).

Unseriös und gefährlich finde ich jedoch die Forderung, alle staatlichen Ausgaben einschl. BGE ausschließlich über eine Konsumsteuer zu finanzieren. Das wirkt auf den ersten Blick zwar auch nicht doof, weil man sich davon eine Entwicklung zu weniger, überlegterem, nachhaltigerem Konsum versprechen kann, den Abschied von der Wegwerfgesellschaft. Super. Jedoch: es verschärft die Ungleichheit der Vermögensverteilung. Menschen mit niedrigen Einkommen verkonsumieren alles, was sie haben. Je höher das Einkommen, desto niedriger die Konsumquote. Reiche Menschen verkonsumieren nur einen sehr kleinen Bruchteil ihres Einkommens und Vermögens. Wohlhabende müssten sich bei einer Umstellung auf Konsumbesteuerung noch weniger an der Finanzierung der staatlichen Gemeinschaftsaufgaben beteiligen als jetzt, Menschen mit geringen Einkommen würden stärker belastet. Die großen Privatvermögen (und die Macht ihrer Eigentümer) würden noch schneller wachsen  - auf Kosten derer, die auf ein funktionierendes Gemeinwesen angewiesen sind, es sich dann aber noch weniger leisten können. Und auch nach dem Abbau überflüssiger Bürokratie und über die ausgezahlte BGE-Summe hinaus bleiben schließlich eine Menge Gemeinschaftsaufgaben, die erledigt werden müssen: Bildungswesen, Wohnungsbau und Verkehr, Gesundheitsversorgung... Kann man dann ja privatisieren, den Rest zum Nachtwächterstaat schrumpfen? Nein. Wer eine gerechtere Gesellschaft will, kommt um die Vermögenssteuer, eine linear progressive Einkommensteuer (mit deutlich höheren Spitzensätzen, dafür ohne Ausnahmeregelungen wie Ehegattensplitting und Freibeträge, insbesondere ohne den Sonderfall Abgeltungssteuer) und die Besteuerung von Kapitaltransaktionen nicht drumherum.

Mit freundlichen Grüßen

Annette Sawatzki