Frage an Antje Blumenthal von Andreas G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Blumenthal,
ich bin absolut enttäuscht, dass Sie für die Neuregelung des Telekommunikationsüberwachungsgesetz gestimmt haben.
Wie konnten Sie für einen offensichtlich gegen das Grundgesetz verstoßenden Gesetzesentwurf stimmen. Wie ist das Gesetz ihrer Meinung nach mit Artikel 5 §1 (Pressefreiheit) sowie Artikel 10 §1 (Fernmeldegeheimnis) und Artikel 10 §1 u. §2 (Unverletzlichkeit der Wohnung) vereinbar?
Vielen Dank
Sehr geehrter Herr Günter,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 11. November 2007 zum Telekommunikationsüberwachungsgesetz.
Die Bundesregierung hat der Richtlinie Nr. 2006/24/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, zugestimmt. Sie hat dies mit Unterstützung des Deutschen Bundestages getan. In dem Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD vom 7. Februar 2006 (BT-Drs. 16/545), der mit der Mehrheit der Stimmen des Deutschen Bundestages angenommen wurde, wurde die Bundesregierung aufgefordert, dem Text der Richtlinie bei der abschließenden Befassung des Rates der Europäischen Union zuzustimmen (Nr. II. 1 der Beschlussempfehlung). Der Deutsche Bundestag hat in dem Beschluss ausdrücklich darauf hingewiesen dass ein Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, und bei mittels Telekommunikation begangenen Straftaten unverzichtbar ist (Nr. I. 5 und 6 der Beschlussempfehlung). Dem Deutschen Bundestag war dabei bewusst, dass das hierfür gewählte Instrument der Richtlinie möglicherweise nicht ganz frei von rechtlichen Risiken ist (I. 13 der Beschlussempfehlung).
Er hat sich dennoch dafür ausgesprochen, weil es sich insoweit um einen Kompromiss der EU-Mitgliedstaaten gehandelt hat (das Instrument des Rahmenbeschlusses war innerhalb der EU-Mitgliedstaaten nicht mehrheitsfähig) und es jedenfalls gelungen ist, in der Richtlinie Regelungen mit Augenmaß (z. B. keine Speicherung von Gesprächsinhalten, Beschränkung der Speicherungsfrist auf 6 Monate, Datenabfrage nur bei Verdacht erheblicher oder mittels Telekommunikation begangener Straftaten) zu erreichen. Der Richtigkeit dieser Entscheidung stehen auch nachträglich eingetretene Umstände nicht entgegen. Weder aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Mai 2006 in Sachen Übermittlung von Fluggastdaten, noch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2006 in Sachen Rasterfahndung lässt sich zwingend ableiten, dass die Richtlinie von der Form oder vom Inhalt her rechtswidrig wäre.
Die Richtlinie wird voraussichtlich bis Ende des Jahres in nationales Recht umgesetzt. Die Bundesregierung hat in dem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung Regelungen vorgesehen, mit denen dies geschieht. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung werden die oben genannten Vorgaben eingehalten. Es wird sowohl dem Interesse an einer effektiven Strafverfolgung als auch dem Schutz der Grundrechte in ausgewogener Weise Rechnung getragen wird.
Aus diesem Grund habe ich am letzten Freitag für die Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung gestimmt.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Blumenthal