Frage an Antje Blumenthal von Eugen S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Blumenthal ,
Ehlilch gesagt halte ich CDU für eine nationalistische Partei, die von christlichen Ideen weit abgekommen ist, aber meineFamilie wohnt in Ihrem Wahlraum und deshalb wollen wir noch vor unserer Wahl von Ihnen folgendes wissen:
Rund 200000 Menschen leben seit vielen Jahren ohne eine sichere Aufenthaltsperspektive in BRD. Mit dem Zuwanderungsgesetzt sollten Kettenduldungen abgeschafft werden. In der Praxis zeigt sich, dass dieses Ziel nicht einnährend erreicht wird. Die unzureichenden Gesetzesformulierungen werden von den Innenministerien und Ausländerbehörden durch eine restriktive Auslegung nochmals verschärft. Selbst Jugendliche und Kinder , die in Deutschland aufgewachsen sind, haben kaum Chancen, ein Aufenthaltsrecht zu erreichen.
Was wollen Sie zur Verbesserung der Situation langjährig Geduldeter tun?
Treten Sie für eine großzugige Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete ein?
Welche Kriterien werden Sie an eine Bleiberechtsregelung anlegen?
Mehr als eine Million Menschen leben ohne Papiere und ohne Aufenthaltsstatus in Deutschland. Dazu gehören Menschen, die aufgrund des restriktiven Asyl- und Ausländerrechtes in die Illegalität gedrängt worden sind und Opfer von Menschenhandel, die zur Ausbeutung ihrer Arbeitskraft nach Deutschland gebracht wurden. Ihnen wird der Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und den sozialen Sicherungssystemen verwehrt. Sie haben kaum eine Chance, ihre Lohnanspruche und Schutzrechte gegenüber dem Arbeitgeber durchzusetzen. Wer illegalisierten Menschen hilft, kann sich strafbar machen.
Was werden Sie tun, um die Situation von Menschen mit irregulärem Aufenthalt zu verbessern?
Wie bewerten Sie die Ergebnisse von Legalisierungen in anderen europäischen Ländern und halten Sie diese Maßnahmen für übertragbar?
Was wollen Sie tun, um Menschen ohne Papiere den Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und sozialen Mindestrechten zu ermöglichen?
Danke im Voraus.
E.Samko
Sehr geehrter Herr Samko,
trotz ihrer provozierenden Eingangsbemerkung habe ich mich entschlossen, Ihre Frage zum Bleiberecht langjährig Geduldeter zu beantworten.
Im Rahmen des parteiübergreifenden Kompromisses zum Aufenthaltsgesetz aus dem Jahre 2004 sind die Bleiberechtsregeln im Bereich der humanitären Zuwanderung verbessert worden. Insbesondere soll die verbreitete Praxis von Kettenduldungen weitgehend abgeschafft werden. Wer eine Duldung erhalten hat, weil eine Abschiebung wegen Foltergefahr, der Gefahr der Todesstrafe oder wegen Abschiebungshindernissen nach der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht möglich ist, dem soll die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Die Erteilung steht unter dem Vorbehalt, dass der Antragsteller nicht in einen anderen, dritten Staat ausreisen kann und er nicht wiederholt oder gröblich gegen gesetzliche Mitwirkungspflichten verstößt. Außerdem wird eine Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen wurden, oder der Antragsteller eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Bundesrepublik darstellt. Eine Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist, weil eine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Voraussetzung für die Erteilung ist, dass mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist und der Betroffene nicht ausreisen kann, auch wenn er es will. Eine Erteilung ist in jedem Fall ausgeschlossen, wenn der Antragsteller falsche Angaben zu seiner Identität oder Herkunft macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht.
Für weitergehende Regelungen, insbesondere eine generelle Altfallregelung, gab es bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz im Hinblick auf die dargestellten Verbesserungen für Flüchtlinge parteiübergreifend keine Mehrheit.
Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein. Eine von der Union geführte Bundesregierung wird dies zu gegebener Zeit unter Einbeziehung der Interessen aller Betroffenen und in einer gründlichen Abwägung sorgfältig prüfen.
Darüber hinaus sprechen Sie die Situation von Menschen mit irregulären Aufenthaltstiteln an.
Das Thema „Leben in der Illegalität“ wirft große praktische, rechtliche und vor allem menschliche Probleme auf. Wer sich für eine Zuwanderung in unser Land außerhalb der legalen Möglichkeiten entscheidet und als Konsequenz daraus ein Leben in der Illegalität führt, mag zunächst viele Gründe dafür haben. CDU und CSU sehen durchaus die Einzelschicksale der Menschen, die sich nach illegaler Zuwanderung plötzlich mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert sehen. Für deren schwierige Situation gebührt den Betroffenen Verständnis.
Gleichwohl müssen innerhalb der gesamten Diskussion auch übergeordnete staatliche Interessen ihren Platz haben. Wenn dies auch menschlich nicht immer leicht zu akzeptieren ist, gehört hierzu auch die aus der Souveränität des Staates fließende Befugnis, dass der Staat regeln darf, welche Angehörige anderer Staaten unter welchen Voraussetzungen in sein Staatsgebiet einreisen, sich in ihm aufhalten und in ihm leben dürfen. Als abstrakte Regel wird hiergegen nichts einzuwenden sein, häufig wird es aber dann schwierig, wenn diese abstrakte Regel mit negativen Folgen einen Einzelfall betrifft und emotionale Bindungen entstanden sind. Diese Zielkonflikte sind nur selten für beide Seiten akzeptabel aufzulösen.
CDU und CSU legen besonderes Augenmerk darauf, dass geltendes Recht geachtet, befolgt und durchgesetzt wird. Wer sich in die Illegalität begibt, darf nicht damit rechnen, dass er auf diesem Weg ein Aufenthaltsrecht erzwingen kann. Ein verantwortlicher Umgang mit dem Thema Illegalität beinhaltet auch, dass man den Betroffenen in der Beratung Wege zu einer Rückkehr in Würde aufzeigt und sie nicht in einer Fehleinschätzung der tatsächlichen Aufenthaltsperspektiven bestärkt.
Für weitergehende als die im Aufenthaltsgesetz vorgesehenen Reglungen, insbesondere eine Altfallregelung, gab es bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz parteiübergreifend keine Mehrheit. Maßgeblicher Grund für die Ablehnung einer Altfallregelung war, dass von einer weitreichenden Legalisierung illegaler Aufenthalte eine unerwünschte Anreizwirkung für weitere illegale Zuwanderung nach Deutschland ausgeht.
Ob nach dem unter schwierigen Bedingungen zustande gekommenen Zuwanderungskompromiss in Zukunft Korrekturen am Aufenthaltsgesetz vorgenommen werden können, ist offen. Dies wird in der jeweiligen Situation aufgrund der konkreten Problemlage zu entscheiden sein. Eine Handhabe der Problematik kann aber nur im Einklang mit den anderen europäischen Staaten im Wege einer europarechtlichen Vereinheitlichung gefunden werden, weil aus Legalisierungen weitgehende Rechte - wie beispielsweise nach 5 Jahren die volle Freizügigkeit innerhalb der EU - erwachsen können, die auch die anderen Mitgliedstaaten betreffen.
Antje Blumenthal