Frage an Antje Blumenthal von Martin J. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Blumenthal,
können Sie mir sagen, warum auf Tierfutter, Schnittblumen sowie bei Seilbahnen und Skilifte nur der ermäßigte Mehrwertsteuersatz erhoben wird, aber auf Kinderartikel (Windeln, Kinderkleidung sowie sonstige "Babyzubehör" (z.B. Fläschen, Sauger, Kinderbadewannen etc.) der volle Mehrwertsteuersatz anfällt? M.E. sollte sich der Staat in erster Linie um den Schutz und die Förderung der Familien und erst in zweiter Linie um die die Belange der Schnittblumenindustrie oder die Skiliftebetreiber kümmern. Was meinen Sie?
Mit freundlichen Grüßen
Martin Jendis
Sehr geehrter Herr Jendis,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage bei Abgeordnetenwatch zum vollen oder ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Produkte für Kinder.
In Deutschland gibt es zwei Mehrwertsteuersätze, den allgemeinen von 19 % für die meis-ten Leistungen und den ermäßigten Steuersatz von 7 % für z.B. Lebensmittel (außer Getränke und Gaststättenumsätze), Personennahverkehr, Bücher, Zeitschriften, bestimmte Kunstgegenstände und Leitungswasser. Nach dieser Einordnung unterliegen Produkte für Kleidung, Windeln und Kinderspielzeug dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz. Die überwiegende Anzahl der aktuell geltenden Mehrwertsteuerermäßigungen geht zu-rück auf das Jahr 1968. Bei der Einführung des Umsatzsteuersystems zum 1. Januar 1968 hat der Gesetzgeber nach eingehenden Beratungen ein Gesamtkonzept für alle Bereiche des täglichen Lebens entwickelt.
Die Frage einer möglichen Absenkung des Mehrwertsteuersatzes bei bestimmten Produkten sollte daher nicht isoliert, sondern vielmehr im Rahmen einer umfassenden Diskussion über die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegenden Produkte insgesamt erörtert werden. Es ist zu bedenken, dass eine Absenkung von einzelnen Produkten zweifelsohne zu erheblichen Steuerausfällen führen würde. In Anbetracht der nach wie vor angespann-ten Haushaltslage sind derartige isolierte Steuersenkungen derzeit daher nicht beabsichtigt - es würde sich zudem sofort die Frage nach einer Gegenfinanzierung stellen.
Eine von Ihnen angesprochene mögliche Entlastung der Familien durch Absenkung des Mehrwertsteuersatzes bei Produkten für Kinder würde daher zu Steuerausfällen führen, obwohl gleichzeitig nicht gesichert sein könnte, dass die Steuerersparnis an die Verbraucher weitergegeben wird, denn Preise für einzelne Produkte werden letztlich durch den Markt bestimmt. Auch der Erfahrungsbericht der Europäischen Kommission vom 2. Juni 2003 zeigt, nach der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen wie z.B. häusliche Pflege, Friseurdienste oder Renovierungsarbeiten (KOM (2003) 309 endg.)) der erwünschte Erfolg einer vollständigen Übertragung der Mehrwertsteuerermäßigung auf die Verbraucherpreise nicht sicherzustellen ist. In einem freien Markt gibt es leider keinen zwingenden Automatismus zwischen der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes und einer vollständigen Übertragung der Mehrwertsteuerermä-ßigung auf die Verbraucherpreise. Deshalb befürworte es ich als Sozialpolitikerin, Familien gezielt durch konkrete familien-politische Maßnahmen zu unterstützen anstatt Steuersenkungen zu propagieren, deren vollständige Weitergabe an die Verbraucher von der Politik nicht sichergestellt sein kann.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in der Großen Koalition in den vergangenen Jah-ren viele konkrete Maßnahmen beschlossen, die Familien sowohl finanziell als auch struk-turell unterstützen. Dazu zählen unter anderem das Elterngeld, der Ausbau der Kinder-betreuung, die bessere Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, die Weiterentwicklung des Kinderzuschlags und die Erhöhung des BAföGs. Auch in den nächsten Jahren werden wir uns weiter dafür einsetzen, dass Familien die nötige Unterstützung erhalten, sich für Kinder entscheiden zu können und sie zu erziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Antje Blumenthal