Frage an Aydan Özoğuz von Mark J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Özoguz,
in der WDR-Sendung "aktuelle Stunde" vom 27.01.2014 gab es einen Beitrag über die Armutszuwanderung von Rumänen und Bulgaren.
Zunächst wird kurz über ein Musikprojekt berichtet, dann beginnt ein Bericht über die Probleme mit Zuwanderern. Es Bericht kommt direkt am Anfang, es genügt, wenn Sie sich die ersten 3:00 anschauen. Darum bitte ich Sie.
Der Oberbürgermeister der Stadt Duisburg, Ihr Parteiferund Sören Link, beginnt bei 2:44 Minuten zu sprechen und endet bei 3:00 mit seinen Ausführungen. Laut Aussage von Herrn Link sind 90% der Zuwanderer gar nicht oder nur gering qualifiziert. Er zitiert die Bundseagentur für Arbeit als Quelle in seinen Ausführungen.
Hier der Link zum WDR:
Die Sendung ist sieben Tage ab dem 27. Januar online abrufbar.
Herr Link ist Kommunalpolitiker und "nahe dran", ich glaube ihm was er sagt.
Seinen Aussagen stehen die Aussagen von verschiedenen Landes- und Bundespolitikern aller Parteien und auch der Medien gegenüber, die immer wieder behaupten, die Zuwanderer seinen "mehrheitlich" oder zumindest "viel davon" hochqualifiziert.
Quelle 3:
shortnews.de/id/1020656/neue-studie-beweist-rumaenische-und-bulgarische-zuwanderer-sind-hochqualifiziert
Irgendetwas stimmt hier doch nicht.
Sagen uns Landes- und Bundespoilitiker sowie Medien etwa nicht die Wahrheit? Oder sagt Herr Link nicht die Wahrheit?
Mit freundlichem Gruß
M. Jansen
Sehr geehrter Herr Jansen,
vielen Dank für Ihre Frage zum Thema „Armutszuwanderung“, die ich Ihnen gerne beantworte.
Ich verstehe, dass die unterschiedlichen Informationen aus Medien und Politik auf den ersten Blick verwirrend oder gar widersprüchlich wirken können. Einerseits wird immer wieder betont, dass es sich bei der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien zu großen Teilen um qualifizierte Personen handelt, andererseits gibt es „Hilferufe“ aus Kommunen und Städten, die sich mit der aktuellen Lage überfordert fühlen und die andere Zahlen vorlegen.
Es gibt eine ganz einfache und sachliche Erklärung für diese Diskrepanz: Auf Bundesebene betrachtet nehmen Rumänen und Bulgaren unterdurchschnittlich oft staatliche Hilfen in Anspruch. Die Arbeitslosenquote z.B. war 2013 mit 7,4 Prozent etwas geringer als im Bevölkerungsdurchschnitt (7,7 Prozent) und sogar deutlich geringer als bei der ausländischen Bevölkerung insgesamt (17,4 Prozent). Entsprechend lag die Anzahl derjenigen, die Leistungen z.B. aus dem SGB II bezogen, bei 10 Prozent der Rumänen und Bulgaren in Deutschland. Davon waren aber auch ein nicht unwesentlicher Teil so genannte „Aufstocker“, die ihren geringen Arbeitslohn mit Leistungen des SGB II ergänzen mussten.
Gleichzeitig findet aber eine Konzentration der ökonomischen und sozialen Probleme in einigen Kommunen statt. Dies trifft z.B. auf Duisburg, Berlin oder Dortmund zu. Betrachtet man diese Orte isoliert, ist die Arbeitslosenquote der rumänischen und bulgarischen Zuwanderer im Vergleich deutlich höher (Duisburg: über 33 Prozent, Dortmund: über 21 Prozent zur Jahresmitte 2013). Häufig wird die soziale Notsituation der Menschen ausgenutzt und z.B. Bulgaren und Rumänen schwarz oder illegal beschäftigt. Unzumutbare Wohnbedingungen oder unwürdige Arbeitsbedingungen sind hier sehr häufig. Die Bevölkerung vor Ort ist natürlich beunruhigt.
Die Sorgen der betroffenen Kommunen nehmen wir in der SPD-Bundestagsfraktion sehr ernst. Die Kommunen benötigen jetzt erst einmal schnelle Unterstützung auch von Seiten der EU und des Bundes. Die Bundesregierung wird die Städtebauförderung deutlich erhöhen (von 455 auf 700 Millionen Euro, davon z.B. 150 statt bisher nur 40 Millionen Euro für die „Soziale Stadt“), um Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Zuwanderern, aber auch bei der allgemeinen Infrastruktur, der Beschulung der Kinder sowie bei der Gesundheitsversorgung zu unterstützen. Das konnten wir Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen.
Um aber auch zukunftsorientiert alle Zahlen und Daten zu erfassen und sowohl unser, als auch das EU-Recht, auf Lücken und Notwendigkeiten zu überprüfen, wurde ein Staatssekretärsausschuss der Bundesregierung eingerichtet, in dem ich selber Mitglied bin. Ende März 2014 werden wir einen Zwischenbericht vorlegen.
Mit freundlichen Grüßen
Aydan Özoguz, MdB