Frage an Bärbel Höhn bezüglich Verbraucherschutz

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Bärbel Höhn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Christina K. •

Frage an Bärbel Höhn von Christina K. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrte Frau Höhn,

»Alle an Tieren experimentell gewonnenen Ergebnisse haben nur für die jeweilige Art Aussagekraft und in exakter Auslegung sogar nur für das jeweilige Individuum, an dem experimentiert wurde. Es ist also falsch, aus den an Ratten studierten Sachverhalten einfach auf die Bedingungen von
Menschen, Hunden oder Wiederkäuern zu schließen.«
Zitat von Prof. Dr. Klaus Gärtner, Tierexperimentator an der Medizinischen Hochschule Hannover

Nun zu meiner Frage: Wenn schon Wissenschaftler die Übertragbarkeit von Tierversuchen auf den Menschen ausschließen, warum werden sie dann noch
vorgeschrieben und warum müssen sie zu ihrer wissenschaftlichen Anerkennung nicht genauso validiert werden wie die alternativen Ersatzmethoden? Geht es dann überhaupt noch um den Verbraucherschutz oder nicht doch vielmehr um wirtschaftliche Interessen? Und wie erklärt sich dann die Aussage der Bundesregierung, dass Tierversuche nach Möglichkeit ersetzt werden sollen, während gleichzeitig für die Förderung von Tierversuchen ein Vielfaches an Geldern im Haushalt vorgesehen ist, als für die Erforschung von Ersatzmethoden veranschlagt wurde? Bei Ihrer Antwort bitte ich zu berücksichtigen, dass ich in die Thematik
eingearbeitet bin und auch die Gesetzeslage kenne.

MfG
Christina Kremer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Kremer,

vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Tierversuche und Tierversuchsersatzmethoden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sehen wie Sie viele Tierversuche kritisch. Wir wollen sie reduzieren und engagieren uns deshalb seit vielen Jahren aktiv für die Förderung von Tierversuchsersatzmethoden und gegen Tierversuche. Wir sehen Handlungsbedarf in folgenden Bereichen:
a) kurzfristig: EU weites Verbot von Affenversuchen
b) mittelfristig: umfassende Förderung tierversuchsfreier Verfahren
c) langfristig: weitgehende Abschaffung der Tierversuche Im Einzelnen geht es uns um folgendes:
a) EU-RL 86/609: Ein EU-weites Verbot von Affenversuchen sollte aufgenommen werden.
b) REACH: ECVAM muss stärker eingebunden werden. Die Validierungszeit wurde für REACH bereits von normal ca. 10 Jahren auf 5 Jahre verkürzt.
c) Das Deutsche Tierschutzgesetz soll wie folgt geändert/ergänzt werden: § 7 Abs. 4a „Tierversuche an Primaten sind verboten“.
d) Handlungsbedarf im Rahmen der Genehmigungspraxis: Die Genehmigungsbehörde muss durch eigene Prüfung entscheiden, ob ein Versuch tatsächlich notwendig ist, nicht die Wissenschaftler selbst. Aufgrund Art. 20a GG und Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 86/609 besteht Überprüfungspflicht für die Behörde.
e) Notwendigkeit einer Regelung hinsichtlich der Gewissensfreiheit der Studierenden. Hier soll eine Änderung des Tierschutzgesetzes herbeigeführt werden: § 10: „Niemand darf entgegen seiner Gewissensentscheidung zur Teilnahme an Demonstrationen oder Versuchen solcher Art im Sinne von Abs. 1 Satz 1 gezwungen oder wegen insoweit unterlassener Mitwirkung benachteiligt werden.“
f) Im Bereich der staatlichen Förderung wird nicht genug getan. Die Förderprogramme des BMBF werden leider nicht ausreichend wahrgenommen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben daher folgende Anforderungen an die Forschung:
o Die Forschungsintensität für Alternativmethoden muss erhöht werden (In-vitro- Grundlagenforschung, transgene Zellen statt transgene Tiere, Prävalidierung und Validierung).
o Vernetzung von Projekten auf EU-Ebene – Bestrebungen allein auf nationaler Ebene führen nicht zum Ergebnis.
o Förderung der universitären Forschung – „Alternativenforscher“ sollen als Zukunftsforscher betrachtet werden.
o Die Lehrmethodik muss verbessert werden, in diesem Zusammenhang sind mehr Stiftungslehrstühle erforderlich.
o Deutschland soll in internationalen Gremien aktiv mitarbeiten und so deutsche Präsenz zeigen.
o Einheitliche europäische und internationale Validierungsprozedur.
o Stärkerer Einsatz von mathematischen Modellierungsmodellen. Im Rahmen unserer derzeitigen Arbeit an einer Novelle des Tierschutzgesetzes werden wir auch Vorschläge für eine Neuregelung der Genehmigung resp. der Versagung von Tierversuchen vorschlagen. Das Thema Tierversuche ist komplex und wird auch emotional stark besetzt. Aus unserer Antwort können Sie entnehmen, dass wir an verschiedenen Punkten ansetzen, um Tierversuche zurückzudrängen und Tierversuchsersatzmethoden zu fördern.

Mit freundlichen Grüßen

Bärbel Höhn