Frage an Barbara Hendricks bezüglich Finanzen

Portrait von Barbara Hendricks
Barbara Hendricks
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Barbara Hendricks zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Ingrid M. •

Frage an Barbara Hendricks von Ingrid M. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Dr. Hendricks,

ist einzelwirtschaftlich zutreffende Erfahrung - Sparabsicht bringt Sparerfolg (eine nicht hoch genug einzuschätzende Tugend) - auch auf unsere Volkswirtschaft übertragbar?

Mit freundlichen Grüßen

Ingrid Möller

Portrait von Barbara Hendricks
Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Möller,

danke für Ihre Frage. Ich verstehe Sie hoffentlich richtig, wenn ich annehme, dass Sie wissen wollen, ob sich Sparen des Staates für die Volkswirtschaft insgesamt ebenso positiv auswirkt wie Sparen für den Einzelnen. Diese Frage ist bei Volkswirten sehr beliebt, denn zwei Volkswirte vertreten ungefähr drei Meinungen.

Allgemein gilt die Gleichung, dass Privathaushalte in einer Volkswirtschaft das Sparen besorgen, während Staat und Wirtschaft dieses Geld investieren und den Sparern durch kluges Wirtschaften verzinsen und zurück zahlen. Im Übrigen ist dieser Zusammenhang ein unschätzbar hohes Gut - und er funktioniert nirgends auch nur annähernd so gut wie in den demokratischen Industriestaaten.

Ich möchte mich aber gar nicht bei der Theorie aufhalten, sondern ganz praktisch entlang dem Finanzhaushalt des Bundes argumentieren. Die Einnahmen des Bundes sind für bestimmte, gesetzlich und politisch festgelegte Aufgaben vorgesehen. Von 283,2 Mrd. Euro, die im Gesamthaushalt 2008 zur Verfügung stehen, geht fast die Hälfte in den Etat für Arbeit und Soziales, nämlich 124,041 Mrd. Euro. Verteidigung schlägt mit 29,45 Mrd, Verkehr mit 24,391 und die übrigen Ressorts mit 62,383 Mrd. Euro zu Buche. Dieser letzte Posten gliedert sich in: Bildung/Forschung, Wirtschaft, Familie, Agrar/Verbraucherschutz, Entwicklung, Innen, Finanzen, Gesundheit - Reihenfolge nach Größe.

Soweit so gut. Das heißt, eben nicht gut.

Denn für wichtige Aufgaben, die wir politisch wollen und die sich für uns alle segensreich auswirken würden, ist nicht genug Geld da. Wir brauchen zum Beispiel mehr Mittel für die Entlastung der Familien oder die Investitionen in Bildung und Forschung. Warum also dafür nicht einfach mehr Schulden machen? Also mehr vom Gesparten der Privathaushalte nehmen und durch den Staat ausgeben - oder es gleich über höhere Steuern den Privathaushalten wegnehmen?

Ganz einfach, schlicht und klar deshalb, weil wir bereits bis zur Oberkante Unterlippe verschuldet sind! Weil wir bis zu den Schröderschen Steuersenkungen bereits die höchste Steuerquote in Europa hatten! Lassen Sie es sich einmal auf der Zunge zergehen: Für die in Jahrzehnten aufgelaufene Bundesschuld in Höhe von 960 Mrd Euro zahlen wir jährlich 43 Mrd Euro Zinsen! Und damit sind die Schuldzinsen tatsächlich der zweithöchste Ausgabeposten im Etat des Bundes - weit vor den Verteidigungsausgaben, ganz zu schweigen von den übrigen Etatposten!

Mit der Kreditaufnahme des Bundes verschlechtern wir außerdem die Kreditkonditionen für Wirtschaft und Private. Und weiter: wir legen uns damit selbst Fesseln an - denn an diesem Posten ist nichts zu rütteln, Verträge müssen erfüllt werden!

Während es also - wie ich im ersten Absatz geschrieben habe - gut für die Volkswirtschaft ist, dass Staat und Wirtschaft das privat Gesparte ausgeben, muss auf der anderen Seite eine gesunde Relation bestehen zwischen öffentlicher Gesamtverschuldung und Wirtschaftskraft und zwischen Neuverschuldung und Wirtschaftskraft. Sonst gerät die volkswirtschaftliche Struktur durcheinander, das Vertrauen kippt und der Trend geht überall nach unten.

Mit den Maastricht-Kriterien haben die Euro-Staaten eine solche Relation als Mindestbedingung für die Staaten festgelegt, die den Euro als gemeinsame Währung verwenden und für seine Stabilität verantwortlich sind. Das jährliche Haushaltsdefizit bzw. die Neuverschuldung eines Landes darf nicht höher als 3 Prozent der Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt) sein. Der Schuldenstand soll nicht mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. So lange diese Relationen nicht gut und langfristig gesichert sind, muss der Staat also seine Ausgaben auf das Machbare beschränken - und möglichst noch etwas weniger als das, da es sich um Mindestgrenzen handelt.

Wir in der SPD haben mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts bis 2011 fest im Auge. Wir wollen den Posten Schuldendienst im Bundeshaushalt langfristig verringern, um mehr investieren zu können: für Familien und für Bildung, wir wollen den Schuldendienst verringern, um weniger Steuern einnehmen zu müssen.

Denn wir wollen, dass noch mehr Menschen sich entscheiden können, ob sie überhaupt sparen wollen - viele können es bis jetzt noch nicht, weil sie alles für sich und die Familie ausgeben müssen.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Hendricks