Frage an Barbara Hendricks bezüglich Innere Sicherheit

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Barbara Hendricks
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Frage von Mathis W. •

Frage an Barbara Hendricks von Mathis W. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Dr. Hendricks,

Warum haben sie für das BKA-Gesetz gestimmt?

Das umstrittene BKA-Gesetz, das dem Bundeskriminalamt viele zusätzliche Eingriffsmöglichkeiten in die Privatsphäre der Bürger gibt, darunter die Onlinedurchsuchung, ist schädlich für die Demokratie.
Die neuen Befugnisse für das BKA lassen einen zu großen Eingriff in die Privatsphäre der Bürger zu. Das hat mehr mit Generalverdacht und Kontrolle der Bevölkerung als ihrem Schutz vor terroristischen Anschlägen zu tun! Dieses Gesetz ist also gefährlich für die Demokratie. Denn durch die mögliche Überwachung (bei bestimmter Auslegung der Gesetze) der Bürger wird die Meinungsvielfalt und Meinungsäußerung eingeschränkt.
Missbrauch ist keinesfalls unwahrscheinlich - egal durch wen.
Die Bevölkerung kann von der Regierung so leichter gelenkt und beeinflusst werden. Angst und Unsicherheit greifen leichter um sich. Das alles ist ein viel zu hoher Preis für den geringen Sicherheitsgewinn, den dieses Gesetz bietet.
Die große Koalition, also leider auch die SPD, gehen schrittweise bei der Gesetzgebung ihrer „Sicherheitspolitik“ vor.
In den USA hat die Bush-Administration das ganze Sicherheitspaket mit einem Schlag, dem so genannten "Patriot Act" verabschiedet.

Ob langsam oder schnell, das Wasser wird heißer und der Frosch ist tot, bevor er merkt, dass es kocht.

Meiner Meinung nach ist es schlimm und falsch, dass Sie für das Gesetz gestimmt haben.
Ich wüsste trotzdem gerne, weshalb Sie so abgestimmt haben.

Freundliche Grüße,

P. Mathis Wolters

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wolters,

ich danke Ihnen sehr für Ihre Anfrage hinsichtlich des neuen BKA- Gesetzes.

Sie kritisieren vor allem, dass der Bürger durch das neue BKA- Gesetz unter Generalverdacht falle und das Gesetz mehr der Kontrolle der Bevölkerung als ihrem Schutz diene. Darin sehen Sie ein erhebliches Gefährdungspotenzial für unsere Demokratie.

Dies ist ein schwerer Vorwurf, dem ich ganz deutlich widerspreche. Das Gegenteil ist der Fall und ich habe dem Gesetz genau aus dem Grunde zugestimmt, weil es nach meiner Überzeugung dem Schutz unserer Demokratie dient.

Die geopolitische Entwicklung nach den Anschlägen des 11. September 2001 im Verbund mit moderner Technologie fordert von allen demokratischen Staaten dieser Welt eine angemessene Reaktion und neue Instrumente. Dabei die Balance zu wahren zwischen Freiheit und Sicherheit ihrer Bürger, ist die Aufgabe der Gesetzgeber und der Deutsche Bundestag hat sie in intensiven, auch innerfraktionellen Diskussionen erfüllt.

In dem von uns verabschiedeten Gesetz haben wir das gesamte zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus notwendige polizeiliche Instrumentarium abgebildet. Dieses umfasst bekannte und bewährte polizeiliche Standardbefugnisse, wie die Vorladung und die erkennungsdienstlichen Maßnahmen. In den Polizeigesetzen der Länder sind diese Maßnahmen seit Jahrzehnten festgeschrieben.

Die einzige neue Befugnis des BKA-Gesetzes ist die sogenannte "Online-Durchsuchung".

Sollte ein terroristischer Anschlag über das Internet geplant oder koordiniert werden, reichen die herkömmlichen Instrumente nicht aus. Es ist die Pflicht der Bundesregierung, die Sicherheitsbehörden technisch in die Lage zu versetzen, adäquat auf die veränderte Bedrohungslage zu reagieren, etwa durch Überwachung terroristischer Kommunikation. Obwohl kriminalistisch notwendig, muss die Onlinedurchsuchung so grundrechtsschonend wie möglich und immer in den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Grenzen eingesetzt werden.

So sieht das neue BKA- Gesetz vor, dass das neue Instrument nur unter sehr hohen Hürden richterlich angeordnet werden kann. Auch der Eilfall, der im Gesetz vorgesehen ist, kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn ein Richter tatsächlich nicht erreichbar ist. Ein solcher Fall darf auch nur dann angenommen werden, wenn selbst ein effizienter Richter-Notdienst keine Abhilfe schaffen kann. Die SPD-Fraktion wird darauf drängen, dass Bereitschaftsdienste an allen BKA-Standorten vorhanden sind. Dies ist im Übrigen auch verfassungsrechtlich geboten.

Das Grundrecht der geschützten Privat- und Intimsphäre (vom Bundesverfassungsgericht als Kernbereich privater Lebensgestaltung bezeichnet), gilt für alle, auch für die der von einer Online-Durchsuchung erfassten Personen. Hierüber wacht der unabhängige Datenschutzbeauftragte des Bundeskriminalamts. Bei der Auswertung der Kernbereichsinhalte wird er von zwei Beamten des Bundeskriminalamts unterstützt. In Zweifelsfällen sind die Daten zu löschen oder zur Entscheidung, ob der Kernbereich betroffen ist, einem Richter vorzulegen. Dieser gesamte Prozess muss dokumentiert werden. So hat auch der Bundesdatenschutzbeauftragte die Möglichkeit, den Vorgang zu kontrollieren. Peter Schaar hat sich zu dieser Regelung im Innenausschuss bereits positiv geäußert.Ich bin außerdem überzeugt, dass die Bedenken einiger Länderinnenminister auch von meiner Partei im weiteren Gesetzgebungsverfahren ausgeräumt werden können.

Um Ihnen plausibel zu machen, dass wir als Abgeordnete keine naive Beschwichtigungsstrategie fahren, ist es notwendig, sich den Umfang möglicher Überwachungsfälle klar zu machen, von dem wir hier sprechen. In den letzten zehn Jahren hat das BKA ganze zwei Rasterfahndungen durchgeführt. Von 2001 bis zum zweiten Quartal 2007 gab es nur sieben Wohnraumüberwachungen, also im Schnitt eine Wohnraumüberwachung pro Jahr! Von dem Instrument der Online-Durchsuchung, so BKA-Präsident Zierke, werde nur restriktiv Gebrauch gemacht werden. Die Maßnahme sei sehr komplex und aufwendig im Hinblick auf Personal-, Zeit-, und Kosteneinsatz. Es ist also zu erwarten, dass das BKA auch von seinen präventiven heimlichen Ermittlungsbefugnissen nur maßvoll Gebrauch machen wird.

Es kann also nicht die Rede davon sein, dass ein Generalverdacht auf der Bevölkerung liege und mit Hilfe dieses Gesetzes der Einstieg in den Überwachungsstaat vorgenommen worden sei.

Ich bin mir allerdings der Gefahren bewusst, die im technischen Potential flächendeckender Onlineüberwachung durch ein totalitäres Regime liegen. Auf keinen Fall dürfen wir aber Potential und Realität gleichsetzen, sonst handeln wir irrational. Und unsere bundesdeutsche Realität sieht so aus, dass es erstens keine flächendeckende Überwachung gibt und zweitens kein totalitäres Regime.

Das BKA-Gesetz dient nicht zuletzt dem Ziel, beides zu verhindern!

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit diesem Schreiben die Beweggründe für mein Abstimmungsverhalten deutlich machen.

Mit freundlichen Grüßen
Barbara Hendricks