Frage an Bernhard Schulte-Drüggelte bezüglich Recht

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Frage von Marco W. •

Frage an Bernhard Schulte-Drüggelte von Marco W. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Schulte-Drüggelte,

als Wähler in Ihrem Wahlkreis habe ich einige Fragen, welche vordergründig nur den Bereich des privaten Luftsportes betreffen.

Allerdings befürchte ich, daß im nächsten Schritt meine verfassungsmäßigen Rechte (Datenschutz, Gleichbehandlung, etc.) zukünftig auch in anderen Lebensbereichen willkürlich außer Kraft gesetzt werden.

Daher übersende ich Ihnen heute meine Fragen zu den Themen "LUFTSICHERHEITSGESETZ" und "GESUNDHEITSPRÜFUNG der Piloten nach JAR-FCL".

LUFTSICHERHEITSGESETZ

Laut § 7 (2) LuftSiG vom 15. Januar 2005 erfolgt die Überprüfung auf Antrag des Betroffenen, d.h. freiwillig.

Laut LuftSiG §17 (1) "regelt das Bundesministerium des Innern durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Zuverlässigkeitsüberprüfung". Diese Durchführungsverordnung gibt es nicht. Für eine Überprüfung ohne DVO fehlt die Rechtsgrundlage.

Laut § 7 (6) LuftSiG bleibt die Lizenz nur erhalten, wenn keine Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen (Umkehr der Beweislast, Abkehr von der Unschuldsvermutung). Die Zuverlässigkeitskriterien sind nicht bekannt. Dieser Zustand widerspricht dem in Art. 103 (2) GG verankerten Grundsatz "Keine Strafe für eine Tat, deren Strafbarkeit zum Zeitpunkt der Tat gesetzlich nicht bestimmt war".

Nach § 7 (6) LuftSiG erfolgt ein weitgehender Datenaustausch verschiedenster Behörden. Dazu wird das nach § 4 Abs.1 BDSG notwendige freiwillige Einverständnis erzwungen, auf den Schutz durch das Bundesdatenschutzgesetz zu verzichten, dessen ausdrücklicher Zweck es ist, den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird, §1 Abs.1 BDSG.

Obwohl es eine vom Bundesrat bestätigte Durchführungsverordnung derzeit nicht gibt, hat Herr Schily dennoch die Regierungspräsidien angewiesen, sofort mit der ZÜP zu beginnen. Das führt zu einer völlig unübersichtlichen Situation, da keiner weiß, was geprüft werden soll, was es kosten soll und dergleichen.

Hier entscheiden die Behörden völlig willkürlich nach eigenem Ermessen ohne eine Rechtssicherheit für die Betroffenen (es gibt KEINE festgelegten ZUVERLÄSSIGKEITSKRITERIEN). Die Privatpiloten werden durch die Behörden unter Androhung des Lizenzentzuges (da man durch Nichtstellen des Antrags automatisch als unzuverlässig gilt) gezwungen einen entsprechenden Antrag „kostenpflichtig + FREIWILLIG“ zu stellen. Sämtliche Behörden bis hin zu den Geheimdiensten dürfen Ihre Daten austauschen, um dann willkürlich und nach eigenem Ermessen darüber zu entscheiden, ob Zweifel an der Zuverlässigkeit des überprüften Piloten verbleiben.

Durch diese Vorgehensweise wird die Unschuldsvermutung nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» als wichtiger Rechtsgrundsatz und das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit kurzerhand ausgehebelt.

Steht jetzt die Minderheit der Piloten mit deutscher Fluglizenz auf der Liste der potentiellen Terroristen?
Das wäre eine ungeheuerliche Unterstellung. Bisher gab es noch keinen einzigen Terroranschlag von Piloten mit gültiger Lizenz (aktuell wird aber gerade diese Minderheit durch die Behörden diskriminiert), dagegen jede Menge Anschläge mit PKW, LKW, Rucksack, Sprengstoffgürtel. Werden nun in Kürze also alle LKW-Fahrer, PKW-Fahrer, Rucksackträger,... auf gleiche Weise durchleuchtet oder bleibt es bei der Ungleichbehandlung der Piloten mit deutscher Lizenz. Glauben Sie ein Terrorist würde sich die Mühe machen eine deutsche Flug-Lizenz zu erwerben?

Meine Fragen zum Thema LUFTSICHERHEITSGESETZ sind:
Sollte nicht ein gewisser Anfangsverdacht wenigstens die ZÜP rechtfertigen?
Wie stehen Sie zum Abschuß von zivilen Flugzeugen durch die Bundeswehr?
Was werden Sie im Falle Ihres Wahlgewinnes gegen diesen Rechtsbruch und diese Rechtsunsicherheit unternehmen?
Werden Sie sich dafür einsetzen, daß Piloten von Kleinflugzeugen von dieser Pflicht zur Zuverlässigkeitsüberprüfung ausgenommen werden?

GESUNDHEITSPRÜFUNG der Piloten nach JAR-FCL

Am 1. Mai 2003 trat in Deutschland JAR-FCL 3 in Kraft, welche die Lizenzierung für Privatpiloten regelt.

"JAR-FCL 3 deutsch". Hier geht es um die Gesundheitsprüfung der Piloten. Obwohl wissenschaftlich nachgewiesen ist, daß Aufgrund mangelnder Gesundheit der Piloten praktisch keine Unfälle verursacht werden, wurde hierzulande ein monströses bürokratisches Regelwerk, welches ursprünglich eigentlich für die gewerbliche Luftfahrt vorgesehen war, auf alle Luftfahrer losgelassen. Im Land mit den meisten Privatpiloten (USA) gibt es dies mangelnder Relevanz nicht. In anderen europäischen Nachbarländern reicht ein Besuch beim Hausarzt der sicherlich feststellen kann ob jemand gesundheitlich angeschlagen ist oder nicht. Die Kriterien für Luftfahrer wurden nicht nur durch die Abschaffung des Medical Klasse 3 (nach den internationalen Regeln der ICAO) in Deutschland und Einführung von "JAR FCL 3 deutsch" drastisch erschwert, es wurde auch noch falsch aus dem englischen übersetzt. Selbst eine Grippeimpfung oder simple Schwangerschaft führt nach wortwörtlicher Auslegung dieses irrealen Bürokratenmachwerks zu sofortigem Ruhen der Pilotenlizenz. Als Europäische Regelung gedacht, wurde diese jedoch in Deutschland wesentlich schärfer formuliert, als der englische Originaltext, was dazu führt, daß Piloten bei minimalen medizinischen Ereignissen teure bürokratische Verfahren (schnell kommen mehrere Tausen Euro zusammen) über sich ergehen lassen müssen. Durch diese Vorschriften ist der Bestand des Luftsports in Deutschland ernsthaft gefährdet.

In der Anwendung der neuen Regelungen liegen weitere Probleme. Da wird man als Proband dazu genötigt quasi einen ´Blankoscheck´ für die Kostenübernahme für beliebige nicht übersehbare Folge-Untersuchungen zu unterschreiben, bei Weigerung bekommt man kein Medical und darf nicht mehr Fliegen. Leider sind schon einige Fälle bekannt geworden, bei denen die Betroffenen maßlos abgezockt wurden. Allein für den Aktenversand durch Behörden wurden schon Beträge von 240 bzw. 650 Euro in Rechnung gestellt, Ärztliche Zusatzuntersuchungen liegen nicht selten im vierstelligen Bereich.

Ein weiteres Problem liegt im Datenschutz. Da wird man als Proband gezwungen neben Fragen zu den eigenen medizinischen und persönlichen Verhältnissen, Medizinische Daten von nahen Verwandten, das Verhältnis zu Versicherungen,... (es gibt da einen Fragenkatalog mit fast 100 Fragen den Sie sich mal anschauen sollten) zu beantworten. Das wäre nicht so schlimm, wenn die Daten beim Arzt selber entsprechend seiner Schweigepflicht verbleiben würden. Leider wurde auch die ärztliche Schweigepflicht durch die neuen Regeln ausgehebelt was nicht nur das Vertrauen in den Arzt zunichte macht. Der Fliegerarzt übermittelt den Behörden zwangsweise nicht nur einen Bescheid zur Flugtauglichkeit eines Piloten, sondern der Arzt muß den Behörden das Ergebnis des gesamten Fragenkataloges und die Befunde schriftlich und zusätzlich auch noch elektronisch per Computer übermitteln. Jeder andere Arzt darf nicht einmal die Behörden über die Fahruntauglichkeit eines seiner Patienten unterrichten, der Fliegerarzt aber muß die Gesundheitsdaten seiner Klienten weiterleiten, wo ist da die ärztliche Schweigepflicht?

Völlig unklar ist auch, was mit den Daten in den Behörden geschieht, wie diese gespeichert werden, wer darauf Zugriff hat.

Leider scheint noch nicht einmal Herr Dr. Kirklies, welcher maßgeblich an der Einführung dieser Regeln beteiligt war, zu wissen was denn nun fluguntauglich macht. Auf Anfragen von verschiedenen Personen zu einem Theme sind verschiedene Antworten erfolgt, was die Lage nicht gerade vereinfacht. Sie können dies z.B. unter www.jar-contra.de in der Rubrik Flugtauglichkeit nachlesen. Was passiert z.B. wenn bei einem der seltenen Luftfahrt-Unfälle auf Grund der nicht vorhandenen Rechtssicherheit eine Versicherung nicht zahlen will?

Meine Fragen zum Thema GESUNDHEITSPRÜFUNG sind:
Werden Sie sich für Regelungen einsetzen, die dem Verhältnis Arzt/Pilot wieder mehr gerecht wird, so daß der Arzt über die Tauglichkeit eines Piloten entscheiden kann?
Werden Sie sich dafür einsetzen, daß die überzogenen Gesundheitsanforderungen wieder auf ein praxisgerechtes Maß zurückgenommen werden?

Was werden Sie im Falle Ihres Wahlsieges direkt nach der Wahl gegen diese Rechtsunsicherheit unternehmen?
Was unternehmen Sie im Falle Ihres Wahlgewinnes gegen die Untergrabung der Ärztlichen Schweigepflicht?
Was werden Sie direkt nach der Wahl unternehmen, um den Datenschutz zu gewährleisten und den Mißbrauch der Daten zu verhindern?

Weitergehende Informationen zu diesen Themen finden Sie hier:
www.fliegerarztverband.de,
www.jar-conta.de z.B. Rubrik: Flugtauglichkeit oder Flugsicherheit,
www.pilotundflugzeug.de,
www.fotokalender-segelfliegen.de,
www.aopa.de,
www.daec.de/recht/laufend/index.htm, Themenschwerpunkte: Luftsicherheitsgesetz und Flugtauglichkeit
www.lba.de in der Rubrik: JAR-FCL

Allein anhand der beiden genannten Problemfelder tun sich doch schon ungeheure Möglichkeiten zum viel beschworenen Bürokratieabbau auf. Was werden Sie konkret und für mich nachvollziehbar in meinem Interesse unternehmen?

Wenn Sie sich von der aktuellen Stimmungslage der Luftfahrer ein Bild machen wollen, möchte ich Ihnen das externe Forum AT unter www.jar-conta.de ans Herz legen, lassen Sie sich von den vereinzelt auch unverhältnismäßigen Wortmeldungen, wie sie in jedem öffentlichen Forum auftreten, nicht abhalten, Sie werden viele aufschlußreiche Informationen finden.

Sollten Sie bisher noch keinen oder wenig Kontakt mit Fliegerkreisen haben, besuchen Sie doch einfach mal einen Flugplatz in Ihrer Nähe, z.B. www.flugplatz-soest.de in Bad Sassendorf-Lohne.

Dieses Schreiben und Ihre Antworten werden in meinem Freundes-, Bekanntenkreis, im Flugsportverein Soest, weiteren Fliegerkreisen und entsprechenden Internetseiten veröffentlicht. Ihre Antworten werden sicherlich ausführlich diskutiert und bei der Stimmabgabe am 18. September diesen Jahres Berücksichtigung finden.

Mit freundlichen Grüßen,

Marco Wolf.

Portrait von Bernhard Schulte-Drüggelte
Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Wolf,

vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Luftsicherheit und Rechte der Piloten. Sie sehen es sicherlich ähnlich wie ich, dass sowohl Politik als auch Bevölkerung anlässlich der immer wiederkehrenden Terrornachrichten aus aller Welt besonders sensibilisiert sind, wenn es um Sicherheitsmaßnahmen und damit um den Schutz von Menschenleben geht. Hier tut sich oft ein Spannungsfeld zwischen der Sicherheit vieler oder gar aller und den Rechten einzelner Bürger auf.

Auch in Ihrem Fall gilt es Abzuwägen und den Spagat zwischen dem Schutz der Bevölkerung und Ihren berechtigten Interessen als Sportpilot zu erfüllen. Auch wenn ich über die Aktivitäten des "privaten Luftsports" im Kreis Soest sehr erfreut bin, so habe ich zu Detailfragen aller Themenfelder nicht unbedingt Antworten parat. Nach einigen Recherchen kann ich zu ihren konkreten Fragen jedoch folgendes antworten:

Schon während der Beratungen zum Luftsicherheitsgesetz hat die CDU/CSU – Fraktion immer wieder darauf gedrängt, die Regelungen des § 7 derart zu überarbeiten, dass die Ausdehnung des Zuverlässigkeitsmaßstabes auf generell alle Luftfahrer entfällt, da dieses über das Ziel hinausschießt. Leider konnten wir uns hier gegen die rotgrüne Bundesregierung nicht durchsetzen, was letztendlich auch eine Begründung dafür war, dass wir das Gesetz nicht mit trugen, da wir hier verfassungsrechtliche Probleme sahen.

Zu den JAR-FCL hat meine Fraktion am 21. Juni 2006 eine Kleine Anfrage formuliert, die vor allem auf die von Ihnen beschriebenen Probleme bei den medizinischen Vorraussetzungen bezüglich JAR-FCL 3 und deren Umsetzung in deutsches Recht zielen. Wegen der wahrscheinlich anstehenden Neuwahlen im September kommt diese Anfrage jedoch nicht mehr in dieser Legislaturperiode auf die Tagesordnung. Wir bleiben aber sicherlich am Ball, auch was diese Problematik angeht. <>

Ich hoffe, dass ich (trotz der Komplexität des Themas) die Frage zu Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte. Auch hier zeigt sich das Problem deutscher Überregulierungen und praxisferner Gesetzesausgestaltungen, die es ganz generell in Deutschland abzustellen gilt.

Mit Grüßen

Bernhard Schulte-Drüggelte, MdB