Frage an Brunhilde Irber bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Brunhilde Irber
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Frage an Brunhilde Irber von Thomas T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Irber,
Ich beziehe mich auf Ihre Antwort in Sachen Leiharbeit vom 19.2.2008. Haben Sie eigentlich vergessen, dass die rot-grüne Bundesregierung durch die Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz den Unternehmern die Leiharbeit erst so richtig schmackhaft gemacht hat? Nach der gesetzlichen Neuregelung des AÜG ist zwar formal der Gleichbehandlungsgrundsatz der Leiharbeitnehmer und der Stammbelegschaft bei vergleichbarer Tätigkeit festgelegt, jedoch kann durch Tarifvereinbarung davon abgewichen werden.
In der seit 2002 von der EU Kommission vorgelegten ( Richtlinie des EU Parlamentes und des Rates über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern 2002/0072 (COD))
heißt es in § 15:
"Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeitnehmer sollten mindestens denjenigen entsprechen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie von dem entleihenden Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eigestellt würden."
Die erste Amtshandlung von Herrn Scholz als neugekürter Arbeitsminister war es am 5.12.2007 auf der Ministerratssitzung der 27 EU Arbeitsminister in Brüssel, diese Richtlinie durch sein Veto zu blockieren!
Ihre Partei, vertreten durch die Arbeitsgruppe Arbeitnehmerüberlassung ( u.a.Andrea Nahles, MdB (Leitung der Arbeitsgruppe) Klaus Brandner, MdB Willi Brase, MdB Anette Kramme, MdB ) hat folgende Forderung aufgestellt:
"Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz muss so geändert werden, dass nach einer von den Tarifpartnern festzulegenden angemessenen Einarbeitungszeit für Leiharbeitnehmer die gleiche Bezahlung und die gleichen Arbeitsbedingungen gelten wie für Stammarbeitskräfte. Von dieser Regel soll dann nicht mehr durch Tarifvertrag abgewichen werden können."
Wo bleibt die Umsetzung dieser Forderung?
Was soll das neuerliche Gefasel von sozialer Gerechtigkeit nachdem Ihre Partei selbst jahrelang über Gesetze wie das AÜG aktiv Bedingungen geschaffen hat, die sie neuerdings beklagt.?
mfg. Th.Thielemann (Betriebsrat)

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SPD

Sehr geehrter Herr Thielemann,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Es ist richtig, dass mit dem ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (Hartz I) auch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geändert wurde. Ziel war es, Zeitarbeit stärker als Instrument für die Reintegration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt zu nutzen. Unter anderem wurde daher festgeschrieben, dass Zeitarbeitnehmer während der Dauer der Überlassung hinsichtlich wesentlicher Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsentgelt und Arbeitszeit, wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihbetriebs behandelt werden müssen. Ausnahmen von dieser Regel gibt es in den ersten sechs Wochen der Überlassung und für den Fall einer abweichenden tarifvertraglichen Regelung. Die Union forderte übrigens eine Ausnahme vom Gleichbehandlungsgrundsatz von mindestens sechs Monaten.

Mit der Reform des AÜG hatten wir die Erwartung an die Tarifparteien und an die Unternehmen verbunden,

- dass sie die Leiharbeit zu einem allgemein anerkannten Bereich der im internationalen Vergleich hoch produktiven deutschen Wirtschaft entwickeln werden, der durch Qualität, Flexibilität und soziale Sicherheit Standards setzt,

- dass sie Initiativen ergreifen, insbesondere mittels Arbeitnehmerüberlassung wenigstens einen Teil der bezahlten Überstunden in neue qualifizierte und sozial abgesicherte Arbeitsplätze umzuwandeln und auf diese Weise einen nachhaltigen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu leisten.

Leider haben die so genannten christlichen Gewerkschaften (CGB) früh einen Tarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) abgeschlossen, der auf sehr niedrigem Niveau lag. Die Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) war daher im Zugzwang und hat in der Folge einen Tarifvertrag mit dem Bundesverband Zeitarbeit (BZA) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitunternehmen (iGZ) abgeschlossen. Die Entwicklung seit 2003 zeigt, dass nur der BZA und iGZ ernsthaftes Interesse an einer Fortentwicklung von vernünftigen Tarifstrukturen haben, während der AMP den Tarifvertrag mit dem CGB als Instrument für Lohnunterbietungskonkurrenz nutzt.

Zahlreiche Hinweise aus wichtigen Wirtschaftsbranchen zeigen auch, dass wir uns mit neuen Problemen im Bereich der Leiharbeit auseinandersetzen müssen. Zunehmend gehen Unternehmen dazu über, Stammbelegschaften durch Leiharbeitnehmer zu ersetzen. Vor allem im Dienstleistungsbereich gründen Unternehmen eigene Leiharbeitsgesellschaften, verlagern Beschäftigte in diese Tochterunternehmen und verleihen diese dann wieder an ihre ursprünglichen Arbeitsplätze zurück.

Leiharbeit kann ein sinnvolles Instrument sein, um kurzfristige Auftragsspitzen in Unternehmen zu bewältigen oder um insbesondere Langzeitarbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir wollen Leiharbeit daher nicht abschaffen. Wir müssen jedoch dort einschreiten, wo Leiharbeit missbräuchlich genutzt wird. Es kann nicht sein, dass Leiharbeit zu Tarifflucht und Lohndumping genutzt wird.

Die SPD hält es für notwendig, dass die Leiharbeitsbranche in den Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufgenommen wird. Ziel ist die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des existierenden Mindestlohn-Tarifvertrages, der zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossen wurde. Wir fordern darüber hinaus, dass nach einer angemessenen Einarbeitungszeit für Leiharbeitnehmer die gleiche Bezahlung und die gleichen Arbeitsbedingungen gelten, wie für Stammarbeitskräfte. Ein entsprechender Beschluss der Arbeitsgruppe Arbeitnehmerüberlassung des SPD-Gewerkschaftsrates, aus dem Sie auch zitieren, wurde bereits gefasst.

Die SPD wird innerhalb der Großen Koalition mit Nachdruck an der Umsetzung dieses Beschlusses arbeiten. Unklar ist jedoch noch, inwieweit eine Einigung mit der Union erzielt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

BRUNHILDE IRBER