Frage an Burkhardt Müller-Sönksen bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Burkhardt Müller-Sönksen
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Frage von Mario B. •

Frage an Burkhardt Müller-Sönksen von Mario B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Müller-Sönksen,

der US Supreme Court verhandelt aktuell einen Fall mit großen Auswirkungen auf die weltweite Durchsetzbarkeit von Menschenrechten, den sog. Kiobel Case. Es geht darum, inwieweit Shell in den USA wegen Menschenrechtsverstößen in Nigeria gegen die Ogoni auf Schadensersatz verklagt werden kann.

Der Fall hat weltweite Bedeutung, weil mit ihm auch geklärt werden wird, ob sich multinationale Unternehmen für Menschenrechtsverstöße, die in anderen Ländern als den USA begangen wurden, weiterhin vor US Gerichten verantworten müssen.

Während die Obama Regierung und die Vereinten Nationen im Kiobel Case die Partei der Ogoni Volksgruppe ergriffen, hat sich die Bundesregierung in einer völlig unerwarteten Stellungnahme auf die Seite von Shell gestellt. Der US Supreme Court hat nun den Fall auf September 2012 vertagt.

Dazu habe ich folgende Fragen an Sie, als stellv. Mitglied im Menschenrechtsausschuss:

1.) Wer genau hat die Stellungnahme der Bundesregierung in Auftrag gegeben? Wer war an der Vergabe beteiligt (Namen, Position, Abteilung) ?
2.) Gab es bezüglich des Kiobel Falles Kontakte zwischen der Bundesregierung, dem Außenministerium oder anderen Behörden und der Firma Shell bzw. ihren Vertretern oder Lobbyisten oder anderen Firmen und/oder Verbänden? Wenn ja welche?
3.) Wer trägt die politische Verantwortung für diesen Vorgang und die Stellungnahme?
4.) Plant die Bundesregierung mit einer weiteren Stellungnahme für die nächste Anhörung im US Supreme Court noch einmal in den Fall einzugreifen?

Wie bewerten Sie das Vorgehen der Bundesregierung im Kiobel Case? Könnten Sie sich vorstellen, eine Resolution zu unterstützen, in welcher sich der Bundestag von der Stellungnahme der Bundesregierung im Kiobel Case distanziert?

Mfg
Mario Broccucci

Quellen:
FAZ: http://www.faz.net/-gq7-6yy63
taz : http://bit.ly/Jn9Im3
Kiobel Case samt Stellungnahmen: http://bit.ly/AmFfPr
Stellungnahme der Bundesregierung: http://bit.ly/Kuo99f

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Broccucci,

vielen Dank für Ihre Frage zum "amicus curiae brief" der Bundesregierung zum Fall Kiobel versus Shell. Bitte entschuldigen Sie die zeitliche Verzögerung, da ich mich mit dem Sachverhalt erst vertraut machen musste.

Der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz Dr. Stadler teilte mir mit, dass die Bundesregierung sich mittels eines "amicus curiae brief" an dem Rechtsstreit beteiligte, da sie eine Beeinträchtigung der deutschen Gesetzgebungshoheit durch eine ggf. sehr weit reichende Auslegung der US-amerikanischen Zuständigkeitsregeln befürchtet. Die Souveränität der Bundesrepublik wird verletzt, wenn deutsche Unternehmen und Privatpersonen durch US-Gerichte der US-Gerichtsbarkeit unterworfen werden würden, selbst wenn sie keine Berührungspunkte mit den USA haben.

Im besagten Schreiben betont die Bundesregierung insbesondere, dass sie dem internationalen Menschenrechtsschutz besonders hohe Bedeutung zumisst und durch diese Intervention nicht die grundsätzliche Haftung von Unternehmen für Völkerrechtsverletzungen infrage stellt. In einer Antwort der Bundesregierung vom 5. Juni 2012 (BT-Drucksache 17/9867) führt die Bundesregierung ausdrücklich aus, dass sie "das Verhalten von international tätigen Unternehmen [missbilligt], wenn diese in zurechenbarem Zusammenwirken mit ausländischen Regierungen Menschenrechte von Bürgerinnen und Bürgern dieser ausländischen Staaten verletzen."

Der "amicus curiae brief" wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Absprache mit dem Justizministerium und dem Auswärtigen Amt beauftragt. Innerhalb der Ministerien waren die jeweils sachlich zuständigen Referate mit dem Vorgang betraut. Dies beantwortet gleichzeitig Ihre Frage nach der politischen Verantwortung.

Ein Hinweis auf das Verfahren gab es wegen der grundsätzlichen Bedeutung vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Dieser Hinweis war verbunden mit der Anregung einer Stellungnahme der Bundesregierung vor dem US-Supreme Court. Über den Inhalt der Stellungnahme fand keine Abstimmung mit dem BDI, mit Vertretern der Industrie- und Handelskammern oder den beteiligten Unternehmen statt.

Klarstellend teilte mir der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Stadler mit, dass die Bundesregierung nicht beabsichtige, einen weiteren "amicus curiae brief" zum besagten Fall zu verfassen.

Die Bundesregierung hat meiner Meinung nach korrekt gehandelt, indem sie ihre berechtigten Bedenken gegen eine Ausdehnung der US-Gerichtsbarkeit für Vorgänge, die keinen oder nur einen geringen Bezug zu den USA haben, deutlich gemacht hat. Zu keinem Zeitpunkt hat die Bundesregierung damit das Verhalten des beklagten Unternehmens kommentiert oder bewertet, sondern deutlich gemacht, dass sie dem internationalen Schutz der Menschenrechte hohe Bedeutung zumisst. Deutschland hat durch geeignete Gesetzgebung dafür gesorgt, dass deutsche Unternehmen, die im Ausland Menschenrechtsverletzungen begehen, auch in Deutschland angeklagt werden können. Aus diesen Gründen sehe ich keine Veranlassung dazu, dass sich der Bundestag von der Stellungnahme der Bundesregierung in diesem Fall distanzieren sollte.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen hinreichend beantworten und verbleibe

mit den besten Grüßen

Ihr Burkhardt Müller-Sönksen