Frage an Christa P. Meist bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Christa P. Meist
DIE LINKE
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Frage von Jörg F. •

Frage an Christa P. Meist von Jörg F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Kandidierende,
sehr geehrter Kandidierender,

bitte umreißen Sie für die Community Ihr beabsichtigtes politisches Verhalten im Falle einer Wahl zu folgenden Themen:

1. deutsche Finanzwirtschaft
2. deutsche Kriegseinsätze
3. deutsche Energieversorgung

mit freundlichen Grüßen
Jörg Faltenbacher

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Faltenbacher,

Sie haben keine konkrete(n) Frage(n) gestellt, sondern grundsätzliche Positionen eingefordert. Deshalb fällt meine Antwort sehr lang aus.

Mich irritiert etwas der mehrfache Gebrauch des Wortes "deutsch". Es gibt zwar deutsche Kriegseinsätze, aber keine deutsche Finanz- oder Energiewirtschaft.
Warum?
Die Finanzwirtschaft wird geprägt von international tätigen Banken und Konzernen, zumeist Aktiengesellschaften. Manche tragen vielleicht das Wort "deutsch" im Namen, und haben vielleicht auch mehrheitlich Aktionär*innen mit einem deutschen Pass haben oder sie haben einen Unternehmensssitz in Deutschland. (z. B. Deutsche Bank, Allianz, Post/DHL...).
Die Energieversorgung auf dem Gebiet der Bundesrepublik wurde durch die Privatisierung der Energiewirtschaft ebenfalls international tätigen Konzernen und ihren internationalen Aktionären übertragen. Es gibt natürlich Positionen deutscher Regierungen und Parteien zu diesen international, global agierenden Konzernen und diesen Märkten, jedoch keine "deutsche" Finanz- oder Energiewirtschaft. In kleinen Bereichen und mit begrenzten Umsätzen gibt es in beiden Wirtschaftsbereichen vereinzelt regional tätige Unternehmen, die man mit dem Etikett "deutsch" versehen könnte (örtliche oder regionale Sparkassen und Genossenschaftsbanken oder einige Stadtwerke, Stromgenossenschaften... ). Diese stehen aber unter enormem Druck durch die Konzerne. Diese kleinen Unternehmen in genossenschaftlicher oder öffentlicher Verantwortung gegen die Macht der internationalen Konzerne zu verteidigen, zu unterstützen, halte ich für wichtig. Die von der Bundesregierung und der bayerischen Staatsregierung unterstützte Politik der EU, Reste regionaler Wirtschaftszusammenhänge und die kommunale Daseinsvorsorge (siehe Wasser - Nestlé) den internationalen Märkten und und Konzernen auszuliefern, ist nicht akzeptabel.
International tätige, sog. "Deutsche" Konzerne vor ihren internationalen Konkurrenten zu schützen, sie gegenüber diesen zu privilegieren, wäre nicht nur rechtswidrig im Rahmen des EU-Rechts. Da Siemens, Allianz, DHL und Konsorten sich ohnehin weitgehend der deutschen Steuerpflicht entziehen und die in Deutschland erzielten Gewinne nur selten hier versteuern, gibt es nicht den geringsten Grund dafür. Hinzu kommt die Binsenweisheit, dass nicht Länder konkurrieren, sondern Unternehmen. Wer sich von Vertreter*innen neoliberaler Politik inkl. SPD einreden lässt, es gäbe eine Konkurrenz von Nationen, statt einer Konkurrenz der Unternehmen - fast immer zu Lasten der Bevölkerungen aller Länder - sorgt dafür, dass weiterhin allein Konzerninteressen die Entscheidungen der Wirtschafts- und Sozialpolitik bestimmen. Vor diesem Hintergrund ist die LINKE die einzig wählbare Partei, weil sie diesen Konzernen entgegentritt. Sie finanziert auch ihre Wahlkämpfe nicht aus großzügigen Konzernspenden.

Zu politischen Entscheidungen in den von Ihnen genannten Bereichen hätte ich als Landtagsabgeordnete fast nicht beizutragen. Das wissen Sie sicher auch. Deshalb zielt Ihre Frage wohl auf eine kurze Darlegung meiner eigenen und der grundsätzlichen Positionen der LINKEN ab.

Finanzwirtschaft:
Die Bundesregierungen unter Schröder (98 -2005) haben u. a. durch die Abschaffung von Regulierung und Kontrollen wesentlich dazu beigetragen, dass die internationalen Finanzmärkte die gegenwärtige Machtfülle zum Nachteil der Bürger*innen der Bundesrepublik und Europas gewonnen haben. DIE LINKE wird im Bundestag alles dazu tun, die Bundesregierung dazu zu zwingen, in Deutschland und in Europa diese Macht der Finanzmärkte einzuschränken, sie Regularien zu unterwerfen, die geeignet sind, Spekulationsblasen zu verhindern und die weltweite Diktatur der Finanzmärkte - mit ausgeführt durch die Institutionen IWF, WTO und EZB, in Europa durch die "Troika" EZB, EU-Kommission und IWF - im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu beenden. Welche Wege dazu konkret möglich sind, hängt vom weiteren Verlauf der Geld-, Wirtschafts- und Finanzkrise in der Welt, in Europa und in Deutschland ab. Ergänzend dazu ist in Deutschland eine Wirtschafts- und Sozialpolitik nötig, die zu einer Verringerung der Dominanz deutscher Exporteure auf den Weltmärkten und zu ausgeglichenen Handelsbilanzen beiträgt. Alle Bundestagsparteien außer der LINKEN haben einem kurzsichtigen europäischen Krisenmanagement zugestimmt. Durch diese Maßnahmen, fälschlicherweise "Rettungsschirm" genannt, wurden die Gewinne der Banken garantiert, die Bevölkerung einiger europäischer Länder aber in Armut gestürzt. Sollten die beschlossenen Maßnahmen sich als nicht ausreichend im Interesse der Banken erweisen, werden alle Parteien, die diese Politik mit tragen (CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne) nicht davor zurückschrecken, auch die Arbeitnehmer*innen in Deutschland für diese falsche Politik haften zu lassen. Weitere Kürzungen bei Sozialausgaben, weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bis hin zur Belastung kleiner, angesparter Vermögen (Zypern!) sind für diesen Fall auch bei uns zu erwarten. Nur eine starke LINKE kann dieser absehbaren Entwicklung entgegenwirken.

Auslandseinsätze:
Nach meinem/unserem Verständnis lässt das Grundgesetz (Art. 87 a) Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte, ganz gleich zu welchem Zweck, mit welcher Aufgabenstellung nicht zu. Völkerrechtliche Bestimmungen schließen das Eingreifen von Staaten in innerstaatliche Konflikte anderer Staaten ohne UN-Mandat aus. Zwischenstaatliche Konflikte müssen mit friedlichen, mit politischen Mitteln, auf dem Verhandlungsweg gelöst werden. Wirtschaftsinteressen werden gerne zu "nationalen" Interessen erklärt. Für Wirtschaftsinteressen Kriege zu führen, lehnen wir ab, auch wenn vereinzelt sogar SPD-Politiker behaupten/behauptet haben, dass z. B. in Afghanistan deutsche Interessen verteidigt würden.

Energiewirtschaft:
In Deutschland haben die Konzerne E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall eine Energiepolitik durchsetzen können, die in vielerlei Hinsicht den Interessen der Bewohner*innen unseres Landes widerspricht. Die Risiken der Stromerzeugung durch Atomenergie (Betrieb, Entsorgung) wurden auf Staat und Verbraucher abgewälzt. Industrielle Großverbraucher wurden von den Kosten der Umstellung auf erneuerbare Energien befreit, zu Lasten der privaten Haushalte. Enorme Gewinnabschöpfung aus dem Netzbetrieb führten zur Vernachlässigung der Wartung und Instandhaltung der Netze und verringerten die Versorgungssicherheit. Wir wollen eine dezentrale Stromproduktion unter Ausnutzung möglichst natur schonender Techniken bei der Umwandlung von erneuerbaren Energien in Strom (z. B. Photovoltaik, Windkraft, Biogas aus organischen Abfällen, kleine Turbinen an fließenden Gewässern). Die Stromerzeugung soll weitestgehend von den Bürger*innen kontrolliert werden, sei es z. B. in örtliche Produktionsgenossenschaften, evt. mit kommunaler Beteiligung, oder in Eigenbetrieben großer Kommunen. Die Verteilung der Energie und die Preisbildung müssen öffentlicher Kontrolle unterliegen. So kann gewährleistet werden, dass jeder Haushalt zu sozial verträglichen Bedingungen Strom beziehen kann. Als aktuell nötige und schnell wirksame Maßnahme gegen die rasch anwachsende Belastung der Haushalte durch Energiekosten schlagen wir einen gestaffelten Tarif vor. Haushalte sollen eine bestimmte Basis-Strommenge sehr billig, vielleicht sogar kostenlos, erhalten. Das ist möglich, wenn man höheren Energieverbrauch nicht durch Rabatte belohnt. Stromsperren für Arme, die gelegentlich die monatlichen Abschläge nicht aufbringen können, darf es nicht geben!

Ich hoffe, dass meine Antwort für Sie als Entscheidungshilfe nützlich ist.

Mit freundlichen Grüßen
Christa P. Meist