Frage an Christel Happach-Kasan bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Christel Happach-Kasan
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Frage von Fabian G. •

Frage an Christel Happach-Kasan von Fabian G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Dr. Christel Happach-Kasan,
kurze Frage an meine Abgeordnete der Freien Demokraten: War Bonn jemals - neben Regierungssitz - auch als Haupstadt der Bundesrepublik Deutschland anerkannt? Und wenn ja, wo möge das gestanden haben, wenn nicht im GG. Und da ist es meines Wissens erst in der Ergänzug des Art. 22 GG eingeflossen in 1990 u. als Berlin benannt worden.
Würde mich freuen, Sie könnten mir hier einmal Rechtssicherheit geben.
Vielen Dank dafür im Vorwege -
Beste Grüße, Ihr Fabian Görn

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Görn,

ich bedanke mich für diese sehr spannende Frage. Mein Brockhaus aus dem Jahr 1987 sagt ganz klar und ohne wenn und aber: Bonn, Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Aber das war auch damals nicht die ganze Wahrheit, denn meines Wissens gibt es keinen Beschluss des Deutschen Bundestages, der dies festgelegt hat.

Dr. Carlo Schmidt (SPD), Mitglied des parlamentarischen Rates, der das Grundgesetz formulierte, beschreibt in seinen Erinnerungen recht ausführlich, welche Überlegungen vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland die Mitglieder des Parlamentarischen Rates bewegten, eine "provisorische Bundeshauptstadt" zu bestimmen. Eine erste Vorentscheidung wurde getroffen bei der Bestimmung des Ortes, an dem der Parlamentarische Rat tagte. In der Diskussion standen: Bonn, Celle, Düsseldorf, Frankfurt, Karlsruhe, Koblenz und Lübeck. Am 17. August entschied sich die Mehrheit der Ministerpräsidenten der Länder für Bonn. Der parlamentarische Rat bestand aus 65 Mitgliedern, die von den bereits gegründeten Bundesländern ernannt worden waren. Als Gäste nahmen 5 Vertreter Berlins teil, das nach dem Viermächtestatus nicht Teil Westdeutschlands war. Am 10. Mai wurde im Parlamentarischen Rat über den Sitz der Bundesorgane entschieden. Zur Wahl standen Frankfurt und Bonn. Mit 33 zu 29 Stimmen beschloss der Parlamentarische Rat als vorläufigen Bundessitz Bonn. Eine weitere Entscheidung für Bonn durch den Deutschen Bundestag ist mir nicht bekannt.

Faktisch war gleichwohl Bonn Bundeshauptstadt, Regierungssitz und Sitz des Parlaments. Die erste Bundesversammlung, bei der Theodor Heuß (FDP), zum Bundespräsidenten gewählt wurde, tagte in Bonn im Bundeshaus, die weiteren Bundesversammlungen zur Wahl des Bundespräsidenten jedoch in der Ostpreußenhalle in Berlin. Damit wurde deutlich gemacht, dass Bonn als vorläufige Hauptstadt angesehen wurde. Erst ab 1974 tagte die Bundesversammlung in der Beethovenhalle in Bonn. Seit der Wiedervereinigung wurden die Bundespräsidenten im Reichstagsgebäude in Berlin gewählt.

Es gibt somit gute Gründe für die Feststellung, dass Bonn Regierungssitz, nicht aber Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland war. Den Verfassungsvätern war wichtig gewesen, den provisorischen Charakter des westlichen Teilstaates zu betonen. Deshalb erhielt auch die Verfassung den Namen "Grundgesetz". Sowohl der Staat Bundesrepublik Deutschland, als auch sein Regierungssitz standen stets unter dem Wiedervereinigungs-Vorbehalt. Von manchen wird angeführt, spätestens mit der Regierungserklärung 1973 habe der damalige Kanzler Willy Brandt im Zuge der Ostverträge de facto Bonn zur Hauptstadt bestimmt. Dem möchte ich entgegnen, dass der damalige Kanzler im Kontext seiner Erklärung lediglich zugestanden hatte, dass West-Berlin zum damaligen Zeitpunkt nicht Hauptstadt der Bundesrepublik sei. Angesichts der Tatsache, dass Berlin damals weder im Bundestag, noch im Bundesrat voll stimmberechtigt war, ist dieses auch plausibel. Das Viermächteabkommen über Berlin bekräftigte die Bindungen Berlins an den Bund, stellte aber auch fest, die Stadt sei nicht Teil der Bundesrepublik. Von einer Hauptstadt ist aber zu erwarten, dass sie Teil des Staatsgebietes ist. Darüber hinaus ist die Entscheidung über die Hauptstadt, des Sitzes von Parlament und Regierung, sicherlich dem Parlament vorbehalten und wird nicht in Regierungserklärungen bestimmt. Erst das wiedervereinigte Deutschland aber hat, wie sie richtig schreiben, zur Hauptstadtfrage einen Beschluss getroffen: Nach einer allgemein hoch gelobten Debatte wurde 1991 Berlin zur Hauptstadt bestimmt und dieses in der Verfassung verankert. Bonn wurde Bundesstadt.

Bonn war das politische Zentrum der alten Bundesrepublik, umgangssprachlich mag man sie auch als Hauptstadt bezeichnet haben. Einen Parlamentsbeschluss darüber gibt es nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Happach-Kasan