Frage an Christian Ahrendt bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Christian Ahrendt
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Frage von Werner S. •

Frage an Christian Ahrendt von Werner S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Entschuldigung, Ihr Demokratieverhalten zu Fragen der Bürger scheint nicht allzu ausgeprägt zu sein, siehe Antworten. Internetbeteiligung der Bürger an Entscheidungen in der Demokratie,Wahlen,Gesetzesentscheidungen. Wie stehen Sie dazu. Man kann Millionen von Euro im Internet bewegen, aber eine Mitbestimmung über die Politik wird verwehrt.

M.fr.G Szelag

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Szelag,

vielen Dank für Ihre Anmerkung.

Mit Blick auf mein Demokratieverhalten zu Fragen der BürgerInnen auf einzelne Fragestellungen dieser Site erlaube ich mir zunächst den Hinweis, dass diese teilweise derart komplex sind, dass sie einer tieferen Betrachtung bedürfen, und das nimmt seine Zeit in Anspruch. Eine schnelle Antwort ist auch mit Blick auf die hohe Zahl übriger Wähleranfragen, die direkt an mein Büro gerichtet werden, nicht immer möglich. Ich bitte Sie deshalb, mir die Verzögerungen nachzusehen.

Die Frage, wie ich zur Beteiligung der Bürger an Entscheidungen in der Demokratie (Wahlen, Gesetzesentscheidungen) durch das Internet stehe, kann ich Ihnen nicht eindeutig beantworten.

Grundsätzlich begrüße ich ein höheres Maß an Mitbestimmung durch die BürgerInnen. Dies bringt sie der Demokratie durch die erforderliche Auseinandersetzung mit den zu entscheidenden Fragen näher. Auch ist eine Verlagerung der Verantwortung auf die Ebene der Fachpolitiker nicht mehr so einfach möglich, und Entscheidungsprozesse werden prinzipiell transparenter. Schließlich ist die Nutzung des Internets eine Möglichkeit, die Stimme einfach und bequem abzugeben. Und dass die Umsetzung auch praktisch möglich ist, hat sich bei der Kommunalwahl in Estland im Jahre 2005, in deren Rahmen erstmals per Internet abgestimmt werden konnte, gezeigt. In der Schweiz ist mittlerweile sogar die Stimmabgabe per SMS möglich.

Nicht gering zu achten sind jedoch die Hürden, die auf dem Weg zu einer partizipativen Internetnutzung zu überwinden sind. Diese sind rechtlicher sowie praktischer Natur.

Zunächst ordnet das Grundgesetz die Gesetzgebung allein dem Bund und den Ländern zu. Und der Ort, an dem in der Bundesrepublik Deutschland Gesetze beschlossen werden, sind der Bundestag und die jeweiligen Landesparlamente. Nur die gewählten Abgeordneten als Mitglieder eines Parlaments stimmen über Gesetzesvorhaben ab, denn sie sind die Vertreter des (Wahl-) Volkes. Rein rechtlich sehe ich derzeit also keine Möglichkeit, die BürgerInnen an Gesetzesentscheidungen zu beteiligen. Es müssten erst entsprechende Regelungen geschaffen und die Wahlgesetze mangels einschlägiger Regelungen geändert werden.

Darüber hinaus ist fraglich, ob die BürgerInnen schon bereit sind, ihre Stimmabgabe zu Hause am Computer jener in der örtlichen Wahlurne vorzuziehen; das Internet ist noch immer nicht in allen Bevölkerungsschichten verbreitet. Auch ist zu bedenken, dass die technische Seite absolut gewährleistet sein muss, um Ergebnismanipulationen durch virtuelle Angriffe und Ausfälle zu verhindern und eine allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl zu erreichen. Insbesondere die notwendige Kombination von eindeutiger Authentifizierung der einzelnen Wahlberechtigten bei gleichzeitiger und dauerhafter Geheimhaltung seiner Wahlentscheidung muss gewährleistet sein. Das alles bedeutet im Ergebnis, dass erst dann, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die Stimmabgabe und die Akzeptanz des Verfahrens vollständig gesichert ist, Wahlen per Internet verantwortet werden können. Diese Entwicklungsstufe ist allerdings noch nicht erreicht.

Übrigens: Ich bezweifle das im Zusammenhang mit Onlinewahlen immer wieder genannte Argument, dass sich dadurch die Beteiligung der Wählerinnen und Wähler signifikant erhöhen ließe. Diese bleiben nachgewiesenermaßen nicht der praktischen Erschwernis des Wahlvorgangs wegen zu Hause, sondern weil sie mit der praktischen Politik unzufrieden sind. Mit Blick auf die vielen gebrochenen Versprechen der Großen Koalition auf Bundesebene bringe ich dafür sogar ein gewisses Maß an Verständnis auf. Allerdings, und auch das möchte ich hier ganz klar zum Ausdruck bringen, gehört das Wahlrecht mit zum Kernbestandteil der Demokratie. Für den Kampf um dieses Recht ließen und lassen immer noch unzählige Menschen ihr Leben. Allein schon aus bloßem Respekt vor dieser unschätzbar wertvollen Möglichkeit, mitzubestimmen, sollte man zumindest in die Wahlkabine treten. Was man mit dem Wahlzettel selbst anstellt, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Zu Hause bleiben ist aber in jedem Falle falsch!

Ich hoffe, Ihnen geholfen zu haben!

Mit freundlichen, liberalen Grüßen

Ihr Christian Ahrendt