Frage an Christian Ahrendt von hans-juergen b. bezüglich Wirtschaft
warum geben die abgeordneten ihre bezüge nicht an.
warum sind abgeordnete käuflich? warum dürfen abgeordnete noch nebentätigkeiten ausüben.? Die sollten sich doch lieber voll auf ihr mandat besinnen und nicht das mandat nutzen, wenn noch weitere aufsichtsratvorsitze zu erhalten
Sehr geehrter Herr Buchholz,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Gestatten Sie mir, dass ich ausnahmsweise davon ausgehe, dass auch dem Leserkreis von abgeordnetenwatch.de die Problemlage, die Sie ansprechen, des jüngsten Bundesverfassungsgerichtsurteils in dieser Sache wegen (vom 4. Juli 2007, 2 BvE 1/06; 2 BvE 2/06; 2 BvE 3/06; 2 BvE 4/06) bekannt ist. Ich erlaube mir deshalb, auf eine kurze Einführung in das Thema zu verzichten. Hinweisen möchte ich dennoch auf die folgenden Links, die auf die Netzseiten der Bundestagsverwaltung...:
http://www.bundestag.de/mdb/nebentaetigkeit/index.html
....bzw. jene des Bundesverfassungsgerichts führen:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/es20070704_2bve000106.html
Hier sind weitere Informationen zu finden, die dem Leserkreis und Ihnen dienlich zu sein vermögen.
Entgegen Ihrer ersten Frage müssen Bundestagsabgeordnete nach dem o.g. Urteil des Bundesverfassungsgerichts ihre Einkünfte aus Nebentätigkeiten nun offenlegen. Danach gehen von Nebentätigkeiten wie etwa in Aufsichtsräten "besondere Gefahren für die Unabhängigkeit" der Abgeordneten aus. Das Volk habe deshalb einen "Anspruch darauf", zu erfahren, von wem und in welcher Größenordnung seine Vertreter Geld entgegennähmen. Das Interesse der Abgeordneten an einer Vertraulichkeit der Daten sei demgegenüber "nachrangig". Nach Auffassung der vier Richter, die sich gegen die Klage ausgesprochen haben, liege die Annahme "nicht fern", dass Einnahmen aus Nebentätigkeiten "Rückwirkungen auf die Mandatsausübung haben können". Der Gesetzgeber habe deshalb 2005 die umstrittene Transparenzregelung beschließen dürfen. Sie sieht vor, dass der Bundestag die Quellen der Nebeneinkünfte veröffentlichen muss, und die Mandatsträger angeben müssen, ob sie im Monat zusätzlich zwischen 1000 bis 3500 Euro, bis zu 7000 Euro oder mehr als 7000 Euro verdienen.
Wie Sie darauf kommen, dass Abgeordnete käuflich seien, Herr Buchholz, kann ich leider nicht nachvollziehen, denn sie nennen keine Beispiele. Ich kann jedoch feststellen, dass ich, solange ich Mitglied des Bundestages bin (seit Oktober 2005), um mich herum nur anständige und ehrenwerte Kolleginnen und Kollegen finde, denen nichts ferner läge, als sich kaufen zu lassen.
Zu Ihrer letzten Frage und Bemerkung kann ich Ihnen folgendes schreiben: Abgeordnete dürfen Nebentätigkeiten ausüben, weil es ihnen gesetzlich nicht untersagt ist. Und ich halte das für richtig. Uns Abgeordneten muss auch weiterhin die Möglichkeit verbleiben, neben der Ausübung des Mandats weiteren Tätigkeiten --ob als Selbständige, Freiberufler, abhängig Beschäftigte oder sonstwie- nachzugehen, denn ein ernstzunehmender Fakt ist, dass nach einer Neuwahl immer wieder viele Abgeordnete aus dem Bundestag ausscheiden; oftmals nach nur einer Legislaturperiode. Der Wiedereinstieg in den Beruf (-salltag) gelingt dann natürlich leichter, wenn die Verbindungen nicht gekappt wurden.
Zu beachten ist bei dieser Diskussion immer, dass ein Verbot von Nebentätigkeiten in der Konsequenz dazu führen müsste, dass sich nur noch wenige ausgewählte Berufsgruppen für eine Bundestagskandidatur entschieden. Selbständige und Freiberufler beispielsweise würde man sehr wahrscheinlich noch seltener als heutzutage antreffen (...Beamte sehr wahrscheinlich in noch erheblich größerer Zahl; Gegenfrage, Herr Buchholz: Wie würde sich das auf die Reformfähigkeit des Landes auswirken?). Und sagen Sie mir, welches Interesse diese Menschen an einer Kandidatur denn haben sollten, wenn sie zwischen ihrer wirtschaftlich unabhängigen Tätigkeit und dem abhängigen Mandat zu entscheiden, aber zugleich zu befürchten hätten, nach einer Abwahl möglicherweise ins wirtschaftlich Bodenlose zu fallen (das Übergangsgeld gibt es ja nur für kurze Zeit!)? Diese Frage wird man überzeugend nicht beantworten können.
Meines Erachtens ist das Ziel des repräsentativen Querschnitts der Bevölkerung in den Parlamenten unabhängig von der Zahl der Nebentätigkeiten höher zu gewichten ist als die "tätigkeitsbezogene bzw. --reduzierte Gleichheit" der Abgeordneten. Denn bei der Mitgliedschaft in einem Parlament geht es nicht etwa ums Geldverdienen (...dennoch wird auf die tatsächlichen Einkommen allzu gerne geschielt und damit fälschlicherweise argumentiert...), sondern darum, Politik für alle Bevölkerungsteile durch alle Bevölkerungsteile zu machen. Zur Bevölkerung sind aber beispielsweise auch die Selbständigen und Freiberufler zu zählen, und genau deshalb gehören sie auch so, wie sie sind, also ohne Abstriche, in die Parlamente. Dass sie Nebentätigkeiten ausüben oder --wie Sie schreiben, Herr Buchholz- gar Aufsichtratsmandate wahrnehmen, ist aus wohlverstandenem demokratischen Interesse hinzunehmen. Diese Menschen befruchten den Parlamentarismus, weil sie spezielles Wissen und besondere Erfahrungen einzubringen vermögen.
Mit freundlichen, liberalen Grüßen
Ihr Christian Ahrendt