Frage an Christian Schmidt bezüglich Recht

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Christian Schmidt
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Frage von Markus G. •

Frage an Christian Schmidt von Markus G. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Schmidt,

aus der Presse habe ich erfahren, dass die General-Konrad-Kaserne in Bad Reichenhall umbenannt werden soll.

1. Gibt es ernsthafte wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine Umbenennung nötig machen und wenn ja welche?

2. Gibt es schon Vorschläge für einen neuen Namensgeber oder wird wieder ein neutraler Begriff gewählt?

3. Für Bundeswehr gilt ja der Grundsatz, dass die Wehrmacht als Ganzes nicht traditionsfähig ist. Dies ist zwar auch meine Meinung, dennoch würde mich interessieren, ob dies auch für den Soldaten an der Front gilt, der für sein Vaterland tapfer und treu gekämpft hat und sich nichts zu schulden kommen hat lassen. Sind Angehörige der Wehrmacht, die nicht dem militärischen Widerstand angehörten und sich durch ihre Leistungen im Krieg ausgezeichnet haben, grundsätzlich traditionsunwürdig?

4. Sind Sie nicht der Ansicht, dass Bundeswehr ohne Wehrpflicht sich mit Bilderstürmerei wie im Fall Mölders unattraktiv für potentielle Rekruten macht? Meiner Ansicht nach benötigt eine kämpfende Armee auch kämpfende Vorbilder.

5. Gedenkt das Verteidungsministerium im Fall Mölders, sofern eine Rückbenennung nicht möglich ist, zumindest die Person Mölders durch z.B. eine Presseverlautbarung zu rehabilitieren? Schließlich wurde duch ein fachlich mangelhaftes und schlecht recherchiertes Gutachten des MGFA, massiver Schaden an dem Ansehen der Person Mölders angerichtet. Ich sehe hier das Verteidigungsministerium in der Pflicht.

Mit freundlichen Grüßen,

Markus G.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Grabler,

für Ihre Email vom 24. April 2012, in der Sie um Auskunft über die Verleihung von Kasernen und Beinamen für Verbände bitten, danke ich Ihnen. Meine Antwort hat sich aufgrund der nun abgeschlossenen Entscheidungsfindung zur Umbenennung der baulich nicht voneinander getrennten Liegenschaften General-Konrad-Kaserne und Artillerie-Kaserne in Bad Reichenhall in Hochstaufen-Kaserne verzögert. Ich bitte dafür um Verständnis.

Der Prozess der inzwischen vollzogenen Umbenennung der ehemaligen General-Konrad-Kaserne ist meines Erachtens ein sehr gutes Beispiel für einen zeitgemäßen Ansatz bei der Auswahl und Verleihung von Kasernen- und Beinamen für Verbände.

Der neue Name „Hochstaufen“ - eines Berges bei Bad Reichenhall und häufigen Anlaufpunktes der Gebirgsausbildung der dort stationierten Soldatinnen und Soldaten - wurde durch die örtlichen Vertrauenspersonen der Truppe selbst eingebracht. Er unterstreicht eindrucksvoll die große Verbundenheit unserer Soldatinnen und Soldaten mit ihrem Stationierungsort und der Region und beweist vor allem auch, dass diese als Staatsbürger in Uniform aktiv und konstruktiv an der öffentlichen Diskussion zu Tradition und Traditionspflege teilnehmen.

Ergänzt wird diese Entscheidung durch die Aufstellung von Dokumentationstafeln, die außerhalb der Kaserne sowohl die Entwicklung der Namensgebung als auch den Hintergrund der aus der NS-Zeit stammenden Wandbilder im Sinne der politischen Bildung darstellen.

Mit Blick auf diese Diskussion weisen Sie zu Recht darauf hin, dass die Wehrmacht als Institution des Dritten Reiches keine Tradition für die Bundeswehr begründen kann. Die militärischen Leistungen der Wehrmacht und ihrer Angehörigen können nicht von der politischen Zielsetzung des NS-Regimes getrennt werden. Maßstab für das Traditionsverständnis der Bundeswehr sind das Grundgesetz und die der Bundeswehr übertragenen Aufgaben und Pflichten. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, ob sich ein Angehöriger der Wehrmacht durch sein Wirken um Freiheit und Recht verdient gemacht hat. Dies gilt beispielsweise für die Angehörigen des militärischen Widerstands gegen Hitler und das NS-Regime, aber auch für die Soldaten der Wehrmacht, die nach 1945 aktiv am Aufbau der Bundeswehr mitgewirkt haben. Dessen ungeachtet bleibt festzuhalten, dass es Geschichtsklitterei wäre, alle Angehörigen der Wehrmacht pauschal mit den Verbrechen des Nationalsozialismus zu belasten. Wer in der Wehrmacht gedient hat, darf nicht allein deswegen verunglimpft oder ins Abseits gestellt werden.

Derartige Initiativen aus der Truppe freuen mich deshalb besonders, zeigen sie doch auch der breiten Öffentlichkeit in Deutschland die Umsicht und das demokratische Bewusstsein, mit denen unsere Soldatinnen und Soldaten sich mit ihrem Beruf, der Geschichte unseres Landes und der Bundeswehr auseinandersetzen.

Ich stimme Ihnen zu, dass Streitkräfte trotz allem Vorbilder brauchen. Die Bundeswehr selbst kann aber inzwischen auf eine bald 57-jährige eigene Geschichte zurück blicken. Zunehmend wächst deshalb die Erkenntnis, dass auch die militärischen Leistungen von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr in der Zeit des Kalten Krieges und im Rahmen von Einsätzen in diesem Zusammenhang betrachtet und gewürdigt werden müssen. Die Bundeswehr beteiligt sich seit fast 20 Jahren an internationalen Einsätzen zur Bewahrung oder Wiederherstellung des Friedens. Sie hat sich in vielen Einsätzen bewährt. Die aus dem Soldatengesetz abgeleiteten militärischen Tugenden - Treue, Tapferkeit, Gehorsam, Kameradschaft, Wahrhaftigkeit, Verschwiegenheit und Fürsorge - werden im Einsatz von vielen Soldaten vorgelebt und erlebt. Vor diesem Hintergrund ist es heute offenkundig, dass die Bundeswehr selbst ein wichtiger Traditionsgeber ist. Wir werden daher neben heimat- und regional-bezogenen Identifikationsmöglichkeiten wie dem Hochstaufen zeitgemäße Vorbilder für unsere Soldatinnen und Soldaten auch und vor allem in der Bundeswehr selbst finden können.

Im Zusammenhang mit Oberst Werner Mölders verweisen Sie auf das Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes aus dem Jahr 2005. Die Feststellung in diesem Gutachten, dass Oberst Mölders sich in besonderem Maße durch Hitler und das NS-Regime hat instrumentalisieren lassen, bleibt weiterhin gültig. Über manche Bewertungen in diesem Gutachten mag man aber wissenschaftlich streiten (So z. B. über die Abhandlung zur „Opferbereitschaft“, die aus Mölders’ Angehörigkeit zum Bund Neudeutschland gezogen wird, einer katholischen Laienorganisation, die renommiert hat und der beispielsweise auch Willi Graf, von den Nazis hingerichtetes Mitglied der „Weißen Rose“, angehört hat.).

Nach meinen Informationen war das Gutachten des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes letztendlich nicht maßgeblich für die Umbenennung des Jagdgeschwaders 74 und der Kaserne in Visselhövede. Anlässlich des Jahrestages der Bombardierung von Guernica am 26. April 1937 hatte der Deutsche Bundestag am 24. April 1998 die Bundesregierung aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass Mitgliedern der „Legion Condor“ in Deutschland nicht weiter ein ehrendes Gedenken, z.B. in Form von Kasernenbenennungen der Bundeswehr, zuteil wird. Dieser Beschluss unterscheidet nicht zwischen Teilnehmern an den Angriffen auf die Stadt Guernica (an denen Mölders nicht teilgenommen hat) und anderen Legion-Condor-Soldaten. Über diese Entscheidung des Deutschen Bundestages mag man unterschiedlicher Ansicht sein; sie bleibt aber zu beachten.
Vor diesem Hintergrund entschied nach langer kontroverser Debatte der damalige Bundesminister der Verteidigung am 25. Januar 2005, den Bundestagsbeschluss, unter den Oberst Mölders als mindestens zeitweise Angehöriger der „Legion Condor“ zweifellos fiel, für die Bundeswehr umzusetzen. Oberst Werner Mölders, dessen fliegerische Fähigkeiten unbestritten sind, findet außerhalb der Bundeswehr Beachtung. Diese Fähigkeiten sind auch in der Bundeswehr geachtet. Daher sind auch keine Entscheidungen des Bundesministeriums der Verteidigung bezüglich Oberst Mölders geplant.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Schmidt MdB