Frage an Christine Lambrecht von Bettina W. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Lambrecht,
als Fachanwältin für Familienrecht halte ich auch bei örtlichen Organisationen Vorträge zur Unterhaltsrechtsreform.
Nachdem in der letzten Woche die Entscheidung des BVerfG bekannt wurde, wonach § 1615l BGB hinsichtlich der Dauer des geschuldeten (Betreuungs-)Unterhalts für Mutter nichtehelich geborener Kinder und der Ungleichbehandlung von ehelich und nichtehelich geborenen Kindern als verfassungswidrig erklärt wurde, bitte ich um Mitteilung, ob und wann nunmehr mit der Unterhaltsrechtsreform zu rechnen ist.
Ist der 1.7.2007 noch zu halten?
Nach meiner Wahrnehmung stehen bis dato weder die neuen Tabellen zum Kindesunterhalt fest noch die Rangfolgen.
Ich habe folgende weitere konkrete Fragen:
1. Wie ist der Streitstand in den Fraktionen zur Frage der Erwerbsobliegenheit ab dem 3. Geburtstag des jüngsten Kindes auch bei ehelich geborenen Kindern nach der Entscheidung des BVerfG?
2. Wo kann ich eine verbindliche Quelle finden, auf die ich die Zuhörer bei Vorträgen verweisen kann? Die Homepage des Bundesjustizministerium spiegelt nicht den aktuellen Stand wider.
3. Wie verhält es sich mit dem Aspekt, dass auch getrenntlebende und geschiedene Mütter ab dem 3. Geburtstag des jüngsten Kindes ab dem 1.7.07 eine Erwerbsobliegenheit haben sollen, soweit eine Betreuungsmöglichkeit für das Kind während der Arbeitszeit der Mutter besteht.
Für Ihre Rückanwort danke ich vorab,
mit freundlichem Gruß
B e t t i n a W o h l
Rechtsanwaltskanzlei
N E E S & W O H L
Sehr geehrte Frau Wohl,
auf keinen Fall ist noch bis zum 1.7.2007 mit der Reform des Unterhaltsrechts zu rechnen. Die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag ist jetzt erst einmal verschoben. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, welche die geltende Rechtslage zur Dauer des Betreuungsunterhalts nach § 1615l BGB für verfassungswidrig erklärt hat, ist die Reform noch einmal sorgfältig zu erörtern. Insbesondere ist eine Regelung zu treffen, welche Alleinerziehende gegenüber geschiedenen Ehepartnern nicht mehr benachteiligt. Unstreitig ist, dass die Kinder im 1. Rang stehen und ihre Ansprüche zuerst erfüllt werden. Danach sind meiner Meinung nach und, wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgibt, die Ansprüche aller Kinder betreuenden Elternteile zu erfüllen unabhängig davon, ob sie einmal verheiratet waren oder nicht. Denn, wie das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich festgestellt hat, kommt es für die Frage, wie lange Kinder betreut werden nicht darauf an, ob die Eltern verheiratet waren. Dies habe ich auch von Anfang an befürwortet, denn die Kinder haben keinen Einfluss auf den Familienstand ihrer Eltern. Eine Ungleichbehandlung von nicht verheirateten und geschiedenen Müttern in der Rangfolge, in der ihre Unterhaltsansprüche erfüllt werden, benachteiligt aber faktisch das nicht eheliche Kind. Beide Mütter müssen daher gleichrangig behandelt werden.
Hinsichtlich der Erwerbsobliegenheit, nach der Sie fragen, sollte der Anspruch auf Unterhalt für alle betreuenden Elternteile nach dem Kompromiss, der Ende April mit der CDU/CSU getroffen wurde, ab der Geburt des jüngsten Kindes mindestens 3 Jahre dauern. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts haben wir die Reform neu zu beraten und eine Regelung zu treffen, die den Gerichten im Einzelfall eine sachgemäße Entscheidung ermöglicht. Die Dauer, für die der Unterhalt gezahlt wird, wird sich aber sicherlich nach den Belangen des Kindes, wie etwa die Belastung durch die Trennung der Eltern, und der Möglichkeit der Betreuung richten. Das Interview mit der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in der Welt am Sonntag vom 27.05.07 gibt den aktuellen Diskussionsstand wieder.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB