Frage an Christine Lambrecht bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Christine Lambrecht
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Frage von Klaus B. •

Frage an Christine Lambrecht von Klaus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Lambrecht,

Ihre Antwort an Herrn Ernst habe ich mit großem Interesse gelesen. Leider blieben einige seiner Fragen unbeantwortet. Aus diesem Grund möchte ich diese Fragen erneut stellen:
Warum soll es übrigens ausländischen Staaten gestattet werden ohne Richterbeschluss auf die Daten zuzugreifen? Wie kontrolliert man anschließend die Nutzung dieser Daten im Ausland?
Weitere Fragen in diesem Zusammenhang sind:
1. Ist es richtig, dass die §§ 112, 113 TKG allen Behörden den Zugriff auf die Identität von Telefon-, Handy-, E-Mail und Internetnutzern (Name, Anschrift, Geburtsdatum), die irgend ein Interesse daran haben können (z.B. Polizei, Staatsanwaltschaft, Geheimdienste, Zoll, Behörden zur Bekämpfung von Schwarzarbeit) eröffnen? 2. Stimmt es, dass schon die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (z.B. Falschparken) Zugriffe im automatisierten Abrufverfahren rechtfertigen sollen? 3. Dass E-Mail-Anbieter künftig in das Online-Abrufverfahren des § 112 TKG einbezogen werden sollen? 4. Dass auch die Film- und Musikindustrie und andere „Rechteinhaber“ Auskunft über die Identität der Kommunizierenden verlangen dürfen, etwa um die Benutzung von Tauschbörsen im Internet verfolgen zu können? Wenn ich das richtig verstanden habe komme ich zu meiner nächsten Frage. 5. Ist Ihnen bekannt, dass Rechteinhaber Staatsanwaltschaften bereits jetzt mit zig tausenden von Verfahren wegen Urheberechtsverletzungen förmlich überschwemmen und wird das nicht noch in einem weit stärkeren Maß geschehen, weil ja bisher bei Flatrates keine Daten aufgezeichnet werden mussten? Dann kann doch von massenhaftem Zugriff gesprochen werden?

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Brueckner

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SPD

Sehr geehrter Herr Brueckner,

mit dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung haben wir das Recht der Telekommunikationsüberwachung nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts rechtsstaatlich eingegrenzt. Wir sind uns bewusst, dass verdeckte Ermittlungsmaßnahmen intensiv in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Folglich gelten für ihre Anordnung strenge Voraussetzungen mit einem wirksam ausgestalteten Rechtsschutz und umfassenden Benachrichtigungspflichten.

Wie bisher gilt auch künftig für verdeckte Ermittlungsmaßnahmen und den Zugriff auf Daten, dass diese nur von einem Richter angeordnet werden dürfen. Den Zugriff haben dann die Polizei und Staatsanwaltschaft nur insoweit, wie es ihnen der richterliche Beschluss erlaubt. Außerdem muss im Fall einer verdeckte Ermittlungsmaßnahme oder dem Zugriff auf Daten eine schwere Straftat vorliegen. Neu ist, dass als Anlass solche Straftaten grundsätzlich nicht mehr in Frage kommen, die im Höchstmaß mit weniger als fünf Jahre Freiheitsstrafe bedroht sind. Die Tat muss, auch diese tatsächliche Regelung ist neu, auch im konkreten Einzelfall schwer wiegen. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass schon die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, wie etwa das Falschparken, Zugriffe auf Daten rechtfertigen.

Die künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Zu den Telekommunikations-Verkehrsdaten gehören neben den Daten über die Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Dabei speichert das Telekommunikationsunternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail Versendung, nicht hingegen, welche Internet-Seiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.

Die Daten werden, wie bisher, nur bei den Telekommunikationsunternehmen gespeichert. Polizei und Staatsanwaltschaften können grundsätzlich auch nur dann auf Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. Eine Befugnis zum Abruf von Daten durch die Geheimdienste oder ausländische Staaten ergibt sich aus dem Gesetz hingegen nicht.

Außerdem sind Zugriffe auf Daten nur zum Zweck der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, nicht hingegen zur Durchsetzung privater Ansprüche zulässig.

Mit freundlichen Grüßen
Christine Lambrecht, MdB