Frage an Claudia Roth von Dietmar S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Roth,
im folgenden verlinkten Artikel geht es um "Deutsche Zustände", so heißt die von Wissenschaftlern unter Leitung des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer erstellte große interdisziplinäre Langzeitstudie, die in diesem Monat in ihrer neunten Auflage veröffentlicht wurde. Was Heitmeyer und seine Kollegen über die Befindlichkeiten der Deutschen herausfanden, ist im höchsten Maße alarmierend.
So ist von einer "deutlichen Vereisung des sozialen Klimas", von einer "rohen Bürgerlichkeit", und von einem "zunehmenden Klassenkampf von oben" die Rede. "Zivilisierte, tolerante, differenzierte Einstellungen in höheren Einkommensgruppen scheinen sich in unzivilisierte, intolerante Einstellungen zu wandeln" - es gäbe Hinweise auf eine "entsicherte wie entkultivierte Bürgerlichkeit", so die Wissenschaftler.
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33857/1.html
Dies ist auch m.E. höchst alarmierend!
Was unternehmen Sie persönlich und ganz konkret in der nächsten Zeit als Abgeordnete, um dieser bedrohlichen Entwicklung entgegenzuwirken?
MfG
Ein Oberpfälzer
und sehr besorgter Bürger
Sehr geehrter Herr Schmutzer,
die in der Studie beschriebenen Tendenzen sind in der Tat Anlass zur Sorge bei allen Menschen, die sich dem sozialen Frieden in unserer Gesellschaft verpflichtet fühlen. Es gibt keine Patentrezepte, wie diese Entwicklungen gestoppt bzw. konstruktiv kanalisiert werden könnten. Eins ist aber klar: Um Spaltungen zu verhindern, die den gesellschaftlichen Frieden bedrohen, brauchen wir in allen gesellschaftspolitischen Sphären zukunftsfähige und gerechte Konzepte, die auf die Gleichheit der Würde des Menschen, auf Inklusion und Teilhabe setzen.
Deshalb wollen wir einen Sozialstaat, in dem sich Gerechtigkeit mit Freiheit verbindet. Grüne Sozialpolitik strebt gleichermaßen Selbstbestimmung, Teilhabe und verlässliche materielle Absicherung an. Wer arbeitet, muss von seinem Einkommen leben können. Deshalb sind für die Einführung von Mindestlöhnen, die notwendig sind, um dem zunehmenden Lohndumping Einhalt zu gebieten. Dazu gehört auch die gerechte Verteilung der finanziellen Kosten des sozialen Friedens: Diejenigen, die mehr schultern können, sollten durch entsprechende Gesetze in die Lage versetzt werden, ihren Beitrag dazu zu leisten. Hierzu schlagen wir eine zeitlich begrenzte Vermögensabgabe bei großen Vermögen vor.
Neben klassischen sozialpolitischen Maßnahmen muss Politik unermüdliche Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit leisten. Sie muss Bürgerinnen und Bürgern deutlich machen, dass sie Ängste vor sozialem Abstieg in Zeiten von großen Krisen zwar ernst nimmt, aber sie nur durch Erhalt des sozialen Friedens und Überwindung von spalterischen Tendenzen abbauen helfen kann. Auf einseitige Gruppeninteressen zu setzen, ist Gift für den sozialen Frieden.
Wenn Politik Konzepte entwickelt, die den Menschen glaubwürdig erscheinen und ihnen das Gefühl vermitteln, es ginge in der Gesellschaft insgesamt gerecht zu, dann haben spalterische Versuche von einzelnen Interessengruppen wenig Chancen auf Erfolg.
Ein anderes Politikfeld, dem bei der Überwindung von spalterischen Tendenzen eine besondere Rolle zukommt, ist Bildung. Mittlerweile ist es Allgemeinwissen, dass Armut beginnt, wenn Kinder wenig Chancen auf Bildung und Entwicklung haben. Zugang zu Bildung und bessere Betreuung von frühester Kindheit an ist eine Frage der Gerechtigkeit. Der Grüne Bildungsfahrplan sieht daher vor, verstärkt in Bildung zu investieren, mehr Ganztagsschulen einzurichten und unser Bildungssystem durchlässiger zu machen. Dazu gehört die Erziehung im Sinne unserer Verfassung und der Menschenrechtskonventionen, in der Tradition der Aufklärung, die Stärkung der Zivilgesellschaft und des bürgerschaftlichen Engagements.
Ebenso wichtig ist, dafür zu sorgen, dass ein Klima der Toleranz und des gegenseitigen Respekts in der Gesellschaft geschaffen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Das Bundestagsteam von Claudia Roth MdB