Frage an Claudia Roth bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Claudia Roth
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von L. O. •

Frage an Claudia Roth von L. O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Roth,

als politikinteressierter Mensch habe ich mich in Anbetracht der anstehenden Landtagswahlen u. a. auch mit dem Parteiprogramm der Grünen auseinandergesetzt.

Dabei ist mir aufgefallen, dass, trotz immer mehr fundierter Studien hierzu, das Thema Cannabis , als Medizin oder Genussmittel immer weiter in den Hintergrund getretrn ist.

Hat Ihre Partei hieran das Interesse verloren oder gar eine ideologische Kehrtwende vollzogen?

Ich bin schwer enttäuscht, da grade in den letzten 10 Jahren das enorme Potenzial von Hanf in all seinen Formen erforscht und bewießen wurde.
Auch dass es bereits in viellen Ländern erfolgreiche Medizinalprogramme gibt, im "Forschungsstandort" Deutschland jedoch vehement gegen solche Initiativen vorgegangen wird kann ich nicht nachvollziehen.

Da die Grünen diesen Themenkomplex offenbar ignorieren, trotz anderer Programmaussagen, nimmt ihnen nach Hanfsamenverbot und Zustimmung zum Krieg, in meinen Augen den letzten Rest Glaubwürdigkeit.

Wie sehen Sie den Sachverhalt? Werden Sie mich eines Besseren belehren, indem ehemals grüne Kernthemen wieder integraler Bestandteil Ihrer Politik werden oder darf man eine Intensivierung des aktuellen Konformismus erwarten?
Gibt es, wie ich vermute, mittlerweile gar eine Antihaltung in der Fraktion?

Ich hoffe Sie beantworten meine Fragen individuell, und nicht in dem Stil, den so viele Abgeordnete auf dieser Plattform an den Tag legen (Ideologische Phrasen, mantrahaftes vorbringen von Dogmen, etc.).

Hochachtungsvoll L. O.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr O.,

Sie stellen zu Recht fest, dass das Thema Cannabis als Genussmittel und als Medizin in der öffentlichen Wahrnehmung kaum noch vorkommt. Die mangelnde Berichterstattung bedeutet aber nicht, dass wir uns mit diesem Thema nicht mehr beschäftigen würden - ganz im Gegenteil. Auf der letzten Bundesdelegiertenkonferenz der Partei Bündnis 90/Die Grünen in Freiburg haben wir einen Antrag beschlossen, der sich mit Cannabis als Medizin beschäftigt. Hierbei geht es vor allem darum, dass Cannabis als Ganzes und nicht nur Cannabis-Extrakte als Arzneimittel zugelassen werden. Dies ist insbesondere wichtig, da so nicht nur einzelne Pharmafirmen Cannabis als Medizin in Tabletten anbieten können, sondern auch "wirkliches" Cannabis, gerade bei Schmerzpatienten benutzt werden kann.

Cannabis ist Deutschlands derzeit gebräuchlichste illegalisierte Alltagsdroge. Zwischen zwei und vier Millionen Menschen gebrauchen Cannabis gelegentlich oder haben es schon einmal probiert. Die Anzahl der Jugendlichen mit Cannabiserfahrungen zwischen 18 bis 24 ist seit 1980 von 14,4 Prozent auf 42,7 in 2003 Prozent gestiegen und danach wieder leicht gesunken.

Ein irgendwie gearteter Einfluss der Cannabiskriminalisierung auf die Konsumzahlen ist nicht festzustellen. Im Gegenteil. Fachleute wie die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen kritisieren, dass die Kriminalisierung den Beweis ihrer Effektivität über Jahrzehnte schuldig geblieben ist. Vielmehr führt die massive Ahndung von Konsumdelikten zur sozialen Ausgrenzung junger Menschen.

Wir fordern daher schon seit langem die Entkriminalisierung von Cannabis. Konkret wollen wir die Aufhebung der Strafbarkeit insbesondere des Besitzes sowie des Anbaus von Cannabis zum Eigengebrauch. Dies war auch Inhalt eines Antrags, den wir schon in der vergangenen Wahlperiode in den Deutschen Bundestag eingebracht hatten (Drs. 16/ 11762). Union, FDP und SPD sprachen sich gegen diesen Antrag aus. Gleichzeitig ist die Verbesserung der Prävention und der Therapie des riskanten Cannabisgebrauches notwendig. Wirksame Prävention, auch die des riskanten Cannabisgebrauchs, muss glaubwürdig sein. Die derzeitige vor allem auf Kriminalisierung setzende Drogenpolitik wird diesem Erfordernis nicht gerecht. Zudem behindert die Kriminalisierung nach Ansicht von Suchtexperten den Zugang zu Hilfsangeboten vor allem für junge Menschen mit riskantem Gebrauch.

Mit Glas oder Blei verunreinigte Cannabisprodukte zeigen, dass der durch die Kriminalisierung entstehende Schwarzmarkt für Cannabiskonsumenten gefährliche gesundheitliche Folgen haben kann. Eine vergleichende Studie im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergab, dass eine „Dekriminalisierung“ von Cannabis den Konsum nicht erhöhe und zur Reduktion sozialer Kosten führe.

Keine Droge ist harmlos. Auch Cannabis kann bei intensivem Gebrauch zu einer psychischen Abhängigkeit führen. Bei manchen Menschen besteht auch die Gefahr der Auslösung von Psychosen. Zudem führt das Cannabisrauchen zu ähnlichen gesundheitlichen Schädigungen wie der Tabakkonsum. Ziel einer glaubwürdigen und wirksamen Prävention muss die Verhinderung des frühen Einstiegs in den Cannabiskonsum und die bessere und frühere Erreichbarkeit von Menschen mit intensiven (riskanten) Konsummustern sein.

Weitere drogenpolitische Initiativen auch zur medizinischen Verwendung von Cannabis finden Sie auf der Homepage der grünen Bundestagsfraktion http://www.gruene-bundestag.de

Wir sind weiterhin eng an dem Thema dran, versuchen auf allen Ebenen, wo wir mit gestalten können, eine bessere Politik durchzusetzen. Neben der politischen Gestaltung beteiligen wir uns aktiv an gesamtgesellschaftlicher Aufklärungsarbeit. Wir unterstützen unter anderem den Deutschen Hanfverband bei Untersuchungen und Projekten oder arbeiten in parteiinternen Arbeitsgruppen zu diesem Thema.

Mit freundlichen Grüßen

Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro

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