Frage an Claudia Roth von Michael D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Roth,
herzlichen Dank für Ihre Antwort vom 12.07.2011 auf meine Frage vom 11.07.2011.
Sie antworten aber vorwiegend auf Fragen, die ich überhaupt nicht gestellt habe? Ich habe weder Ihr NEIN zu den Panzerlieferungen an Saudi-Arabien kritisiert, noch habe ich versucht die geplante Panzerlieferung an die Saudis dadurch zu rechtfertigen, dass Sie ebenfalls solche an Saudi-Arabien in Ihrer Regierungszeit zugelassen haben. Auch die Waffenlieferungen an China und die Türkei waren in meiner Frage überhaupt kein Thema! Ich bin mit meinem beschränkten Wissen über den Nahen Osten und dem fehlenden Zugang zu geheimdienstlichen Informationen auch überhaupt nicht in der Lage, mich "Für" oder "Gegen" solche Lieferungen auszusprechen und kann somit in Folge auch solche Entscheidungen weder kritisieren, noch rechtfertigen.
Trotz allem ist es mir gelungen aus Ihrer Antwort den Grund für Ihre damalige Entscheidung herauszulesen.
Sie haben also die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien zugelassen, weil Sie die angeschlagene Koalition mit der SPD nicht gefährden wollten. Mit einem beharrlichen NEIN Ihrerseit wäre - wie ich Ihrer Antwort entnehme kann - die Koalition wohl geplatzt, so dass Sie die Waffenlieferungen an Saudi Arabien zugelassen haben, um somit auch weiterhin Regierungsarbeit leisten zu können.
Halten Sie diesen faulen Kompromiss, den Sie damals eingegangen sind, aus heutiger Sicht für einen Fehler?
Würden Sie zukünftig im Zweifel wieder so handeln? Sprich erneut Waffenlieferungen in Ihrer Regierungsverantwortung zulassen (möglicherweise auch an Länder, die Sie als Diktaturen betrachten), wenn ein NEIN Ihrerseits zum Koalitionsbruch führen würde und Sie die Regierungsarbeit dann aufgeben müssten?
Vielen Dank für Ihre erneute Antwort.
Sehr geehrter Herr Danner,
die erste ausführliche Antwort war notwendig, um die Hintergründe der Kritik für ein besseres Verständnis darzulegen. Die Fortsetzung der Koalition mit der SPD war sinnvoll und richtig, weil es damals nur in dieser Konstellation möglich war, größere und weitaus gefährlichere Rüstungslieferungen zu verhindern. In dieser Koalition wurde die Bundesregierung verpflichtet, jährlich einen Rüstungsexportbericht vorzulegen. Die Überarbeitung der Rüstungsexportrichtlinien war ein weiterer Erfolg auf dem Wege zu mehr Transparenz im Rüstungsgeschäft. Eine parlamentarische Kontrolle des Bundessicherheitsrates konnte nicht durchgesetzt werden. Es waren also Erfolge und Misserfolge durch Kompromisse, die Sie als „faul“ bezeichnen. Abwägungen in Entscheidungssituationen angesichts realer Machtverhältnisse sind jedoch nach einem demokratischen Politikverständnis kein Verrat an Prinzipien, sondern Teil der demokratischen Auseinandersetzung. Denn jede Koalition lebt vom Spannungsverhältnis zwischen den jeweiligen Programmen der Parteien. Nur aus der Sicht eines totalitären Politikverständnisses sind Kompromisse immer faul. Vorstellungen von einer Eins-zu-Eins-Umsetzung von Programmen zeugen von einem Wunschdenken, das bei Modernisierungen und „revolutionären Entscheidungen“ eher Diktat im Sinne hat, als Mitgestaltung mit anderen Akteuren in einer parlamentarischen Demokratie.
Mit freundlichen Grüßen
Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro