Frage an Claudia Roth bezüglich Gesundheit

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Claudia Roth
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Aniko K. •

Frage an Claudia Roth von Aniko K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Roth,

seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem SGB II und der damit verbundenen beabsichtigten Absicherung des menschenwürdigen Existenzminimums. Mich interessiert dabei besonders die Auswirkung auf den Einzelnen und auf die Gesellschaft. In diesem Zusammenhang habe ich einige Einzelschicksale kennengelernt und studiere seit 2005 Statistiken, die auf eine starke Verunsicherung einer breiten Bevölkerungsmasse schließen lassen. Dauerhafte Existenzängste wirken nicht aktivierend, sondern sehr schädlich auf das menschliche Gehirn.

Am 9. Februar 2010 gab es zum SGB II ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts bzgl. der Berechnungsgrundlage der Hartz4-Regelsätze.
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html

Aus dem Urteil resultierte eine Neuberechnung der Regelsätze. Aus den Leitsätzen des Gerichts geht hervor, dass das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum eigenständige Bedeutung hat. Deshalb sind aus meiner Sicht § 31, SGB II, Absenkung und Wegfall des Arbeitslosengeldes II und § 32, SGB II, Absenkung und Wegfall des Sozialgeldes ebenfalls verfassungswidrig. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum wird ganz klar verletzt, da eine praktizierte Absenkung des Existenzminimums die eigenständige Bedeutung unzulässig aufhebt. Auch wenn das damalige Verfahren die Sanktionsparagrafen (§ 31 und 32, SGB II) nicht beleuchtet hat, kann die Argumentation leicht abgeleitet werden.

Ich manchen Fällen wurden bereits Lebensmittelkarten ausgegeben, wenn durch Sanktionen das Existenzminimum auf Null gesetzt wurde. Dies stellt ebenfalls kein menschenwürdiges Existenzminimum im Sinne des Grundgesetzes dar. Ganz zu schweigen von der Bedrohung durch Obdachlosigkeit. Außerdem stellt sich die Frage, wie die ständige negative Nachrichtenlage auf die Bevölkerung insgesamt wirkt.

Ist Ihnen bewusst, dass die Sanktionsparagrafen einen starken existenzbedrohenden Charakter besitzen?

MfG

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Kleehammer,

einige Bedenken, die Sie in Ihrer Frage ansprechen, teilen wir. Aus diesem Grund haben wir uns dafür eingesetzt, dass die bestehenden Strukturen vor Ort verbessert werden und die Regelsätze für Kinder und Erwachsene in einer Weise gestaltet werden, dass die soziale Teilhabe in der Realität ermöglicht wird. Wir orientieren uns dabei an den Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

Ein weiteres zentrales Element der Grundsicherung in unserem Konzept ist die Stärkung der Rechte der Hilfebedürftigen und ihrer Angehörigen. Die schematische Fallbearbeitung mittels EDV-Masken durch die Job-Center muss einer qualifizierten, individuellen und umfassenden Zusammenarbeit weichen. Sowohl Scheinangebote zur Überprüfung der Arbeitsbereitschaft als auch Sanktionsandrohungen und -automatismen darf es in Zukunft nicht mehr geben. Wir wollen weg von der Unkultur des Misstrauens und des Sanktionierens. Dafür müssen Hilfebedürftige und ihre Angehörigen in ihren Rechten gestärkt werden. Die Bundesregierung hat demgegenüber den umgekehrten Weg eingeschlagen: Sanktionen sollen in Zukunft auch ohne schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen möglich sein. Es soll ausreichen, wenn Betroffene „Kenntnis“ von den Rechtsfolgen gehabt haben. Damit tritt die Bundesregierung die Bürgerrechte mit Füßen.

Die Kunden der Job-Centers müssen zukünftig das Recht haben, zwischen Maßnahmen zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Unterstützung zu äußern. Auf dieses Recht müssen sie im Erstgespräch hingewiesen werden. Eigene Vorschläge müssen Priorität in der Planung haben. Die Ausübung von bürgerschaftlichem Engagement muss anerkannt werden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Kunden der Job-Centers die Möglichkeit haben, den persönlichen Ansprechpartner auf ihren Wunsch einmalig zu wechseln. Bei allen Trägern des SGB II sollen unabhängige Ombudsstellen eingerichtet und finanziell abgesichert werden, um in Konfliktfällen unvoreingenommen vermitteln zu können. Dadurch können unterschiedliche Auffassungen und Vorstellungen in einem frühen Stadium bearbeitet und gelöst werden. Die stetig steigende Anzahl von Gerichtsverfahren sollte dadurch wieder deutlich sinken. Der Grundbedarf, der für eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben notwendig ist, darf nicht durch Sanktionen angetastet werden. Wird Fähigkeiten, Wünschen und Vorschlägen der Einzelnen nicht Rechnung getragen und besteht keine Wahl zwischen verschiedenen Förderangeboten, sollten keine Sanktionen verhängt werden dürfen (Sanktionsmoratorium). Widerspruch gegen die Verhängung einer Sanktion muss in Zukunft aufschiebende Wirkung haben.

Mit freundlichen Grüßen

Das Mitarbeiter-Team im Bundestagsbüro

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