Frage an Claudia Roth bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Claudia Roth
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Kreszenzia F. •

Frage an Claudia Roth von Kreszenzia F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

hallo Frau Roth, wie naiv und bürgerfern sind eigentlich unsere Abgeordneten?? Niemand ist ihnen neidisch um ihre Bezahlung, gute Arbeit rechtfertigt gute Bezahlung. Unerträglich ist jedoch die Regelung der Selbstbedienung für Erhöhungen und der üppigen Pensionsregelung. Nach nur 1 Jahr Parlamentsarbeit sollen nun Ansprüche geltend gemacht werden, für die ein normaler Bürger 85 Jahre in die Rentenversicherung einbezahlen muss. Gibt es nicht parteiübergreifend ein Gremium, wo nochmals aufgerüttelt wird??? Warum nicht ein Verfahren wie in NRW????? In diesem Deutschland wächst nur eins, nämlich die Verdrossenheit ,der Bürger, Politik noch mitzutragen.
mfg Kreszenzia Felfernig-Winkler

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Sehr geehrte Frau Felfernig-Winkler,

unsere Fraktion hat das Vorhaben der großen Koalition und die Beschlussvorlage zur Erhöhung der Abgeordnetendiäten aus vielen Gründen nicht mitgetragen. Die Notwendigkeit einer radikalen Strukturreform bei der Abgeordnetenvergütung wird in keinem politischen Lager offen bestritten. Aber die große Koalition hatte mit ihrer überwältigenden Mehrheit im Bundestag nicht den Mut, eine Reform in die Wege zu leiten, die diesen Namen auch verdient hätte.
Die große Koalition hat mit dem Beschluss an alten Strukturen festgehalten und nur am bestehenden System herumdoktern wollen. Auch die Art und Weise, zuerst die Öffentlichkeit und danach die Oppositionsfraktionen darüber zu informieren sowie das Gesetz in Windeseile abstimmen zu lassen, war ein denkbar schlechter Stil.

Dennoch ließe sich Ihre Frage auch sachlicher formulieren, ohne schweres Geschütz an Vorwürfen, Vorurteilen und billigen Populismus einzufahren. Ihre Behauptung, „Nach nur 1 Jahr Parlamentsarbeit sollen nun Ansprüche geltend gemacht werden, für die ein normaler Bürger 85 Jahre in die Rentenversicherung einbezahlen“, ist so nicht richtig. Laut Beschluss werden die bisher geltenden Pensionsansprüche leicht gesenkt, künftig erwirbt ein Abgeordneter für jedes Jahr im Bundestag einen Pensionsanspruch in Höhe von 2,5 Prozent seiner Diät. Nur bei langjährigen Mandatsträgern würde Ihr Hinweis zutreffen.

Es ist in der Tat misslich, dass die Abgeordneten über ihren "Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung", den ihnen das Grundgesetz gibt, immer wieder selbst per Gesetz entscheiden müssen - und damit der Eindruck bzw. der Vorwurf der „Selbstbedienung“ besteht. Das ist aber auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 zurückzuführen, das es nicht gestattet hat, die Regelung der Diäten (damals im Saarland) dem Präsidium des Landtags zuzuweisen. Aus diesem Urteil wird gefolgert, dass eine Indexierung der Diäten, also ihre automatische Koppelung etwa an die Gehälter von Bundesrichtern, nicht statthaft sei. Das ist nun offensichtlich reformbedürftig. Es gibt und gab verschiedene Modelle sowohl im Parlament als auch unter den Sachverständigen, die Regelung von Gehalt und Altersversorgung per Gesetz anders zu gestalten. Die große Koalition von CDU und SPD hat sich hierbei taub angestellt.

Einen Systemwechsel wie in NRW halte ich persönlich für sinnvoll, im Bundestag muss er allerdings komplexeren Anforderungen gerecht werden. Bei der Frage der Alterversorgung bin ich dafür, dass sie künftig von den Abgeordneten selbst bezahlt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Claudia Roth

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