Frage an Daniela Kolbe bezüglich Soziale Sicherung

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Daniela Kolbe
SPD
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Frage von Heinz O. •

Frage an Daniela Kolbe von Heinz O. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Kolbe,

in Ihrer Rede vom 06.06.2014 sagten Sie, dass in den Vorschlägen der Bund-Länderkommissionen nicht von der Abschaffung von Sanktionen die Rede sei, was Ihrer Meinung nach auch gut so ist.
Ich erlaube mir deshalb, Sie auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht vom 18.07.2012 hinzuweisen in dem es heißt:
„Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (…). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht.“(BVerfG, 1 BvL 10/10 v. 18.07.2012 (AsylbLG), Leitsatz 2)
Und weiter:
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verlangt, dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss.“ (BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.07.2012 (AsylbLG), Abs- Nr. 120).

Im Gegensatz zum Urteil vom 09.02.2010 gibt es somit keinen Interpretationsspielraum hinsichtlich der Sanktionen mehr, sondern sie sind eindeutig verfassungswidrig!

Warum wird dieses Urteil dennoch von der "GroKo" ignoriert und weiterhin
an Sanktionen festgehalten, die nur den Unternehmen dienen und die Steuerzahler mit erheblichen zusätzlichen Kosten belasten (Sozialgerichte, Kosten der Anwälte
die lt. Spiegel im Jahr 2012 39,6 Millionen Euro betrugen, etc.), aber keinen
"Nutzen", zumal rund die Hälfte dieser Sanktionen als rechtswidrig beurteilt wurden?
Ist das Grundgesetz und Ihr Eid darauf schon zu einer Makulatur verkommen?
Warum setzen Sie sich nicht mit den Betroffenen auseinander, die Ihnen aus jahrelanger Praxis nachweisen können, wie es vor Ort tatsächlich läuft?
Die Tatsache, dass allein im Mai 2014 über 200.000 Widersprüche gegen Bescheide
erhoben wurden, von denen ein Großteil zugunsten der AL beurteilt werden, zeigt
auch die Inkompetenz vieler Jobcenter-Mitarbeiter und produziert Kosten, die
in keiner Relation zum "Nutzen" stehen, was auch der Bundesrechnungshof mehrfach gerügt hat. Warum lassen Sie so etwas zu?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Onasch,

vielen Dank für Ihre Nachricht vom 25. Juni.

In meiner Rede vom 6. Juni habe ich davon gesprochen, dass in dem Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum SGB II nicht die Abschaffung aller Sanktionen gefordert wird und dass ich dies begrüße. Ich habe jedoch nicht gesagt, dass in dem Bericht die Forderung steht, dass keine Sanktionen abgeschafft werden sollen, wie Sie geschrieben haben.

Im Gegenteil habe ich, wie Sie dem Wortlaut meiner Rede entnehmen können, deutlich gemacht, dass ich u.a. für die Abschaffung der verschärften Sanktionen für junge Menschen unter 25 Jahren bin. Es gibt aus meiner Sicht keine wirklich guten Gründe, warum unter 25-Jährige härter bestraft werden sollten als Ältere. Ich finde auch, dass diese Sanktionen als erzieherische Maßnahme ein ganzes Stück überbewertet werden. Ich bezweifle, dass möglichst scharfe Sanktionen dazu führen, dass sich bei jungen Erwachsenen Verhaltensänderungen einstellen oder dadurch gar eine Nachsozialisation möglich wird. Nach meinen Informationen gibt es inzwischen auch konkrete Planungen, diese Sanktionen abzuschaffen und Jugendliche zukünftig wie Erwachsene zu behandeln.

Das von Ihnen zitierte Urteil vom 18.07.2012 ist mir bekannt, da ich in der SPD-Fraktion u.a. für den Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes zuständig bin. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung nicht dazu geäußert, wie es zu Sanktionen im Bereich des Sozialrechts steht. Das Urteil hat jedoch zu meiner Zufriedenheit festgestellt, dass die Leistungen für Berechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu niedrig sind.

Sanktionen sind aus meiner Sicht grundsätzlich notwendig. Ich lehne die radikale Abschaffung aller Sanktionen ab. Die Tatsache, dass Leistungen des Staates an bestimmte Pflichten gebunden sind, stößt auch bei den Betroffenen auf Zustimmung. Der überwiegende Teil der Betroffenen weiß, warum eine Sanktion gegen ihn oder sie ergangen ist und 80 Prozent der Betroffenen haben zudem auch die Rechtsschutzbelehrung verstanden. Sie wissen also, welche Folgen ihr Handeln hat. Es gibt somit ein grundsätzliches Verständnis der Betroffenen dafür, dass es Sanktionen gibt und warum es sie gibt.

Ich bin regelmäßig in Kontakt mit den Jobcentern, Arbeitsagenturen und natürlich auch den Betroffenen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der einzelnen Behörden machen einen guten Job. Mit der Reform der Sanktionen im SGB II, die wir nach Abschluss der Arbeit der Arbeitsgruppe in Angriff nehmen werden, werden wir derzeit noch bestehende Probleme im Bereich der Jobcenter beseitigen. Ich hoffe, dass dadurch auch die Anzahl der Klagen in diesem Bereich reduziert werden wird.

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Kolbe