Frage an Dietmar Bell bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

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Dietmar Bell
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Frage von Samuel K. •

Frage an Dietmar Bell von Samuel K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrter Herr Bell,

bezugnehmend auf meine letzte Frage bedauere ich, keine Antwort von Ihnen erhalten zu haben. Ich habe mittlerweile von einigen Schulen erfahren, die bereits für dieses Schuljahr kein AO-SF für die ersten drei Schuljahre durchführen durften, dass dort in der ersten Grundschulklasse katastrophale Verhältnisse herrschen sollen. In diesen Schulen werden Schüler, die bislang mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache oder emotionale Entwicklung in Förderschulen oder nur mit GU in Regelschulen eingeschult wurden als Regelschüler ohne zusätzliche Förderung in normalen Grundschulklassen nach Regelschulrichtlinien unterrichtet. Die Grundschullehrer beteuern, dass sie außer Stande seien, unter den gegebenen Rahmenbedingungen diese Schüler gezielt oder individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt zu unterrichten, was dazu führe, dass die behinderten Kinder nicht nur nichts lernten, sondern auch den Unterrichtsablauf störten, da sie dem Unterricht nicht folgen könnten. Viele dieser Schüler wechselten nun zum Halbjahreswechsel doch auf eine Förderschule, durch eine bis dahin permanente Überforderungssituation völlig frustriert und mittlerweile lernunwillig. Daher fordere ich Sie auf, mir endlich folgende Fragen zu beantworten: Weshalb setzt sich die Landesregierung über folgende Landtagsbeschlüsse hinweg, 1. das AO-SF gegen ein neues auf die Inklusion abgestimmtes Verfahren zu ersetzen, 2. dass Kindern mit Behinderung weiterhin sonderpädagogische Förderung zusteht und 3. dass Sonderpädagogen in das Kollegium der Regelschulen fest übernommen werden müssen und lässt statt dessen viel mehr zu, dass die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs durch die Administration verboten und Kinder mit Behinderung wie Regelschüler unterrichtet werden? Geht es in Wahrheit nur darum, die UN-BRK zur Maskierung von Sparmaßnahmen zu missbrauchen, indem man einfach die sonderädagogische Förderung von Kindern mit Behinderung abschaffen will?

MfG
Samuel Karbe

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Sehr geehrter Herr Karbe,

vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 07.03., auf die ich nach einiger Recherche - da das von Ihnen angesprochene Thema vor allem die kommunalpolitische Umsetzung hier in Wuppertal und weniger die Landesebene betrifft - hiermit gerne wie folgt antworten kann:

Ihre Feststellung, dass die völlige Einstellung der sonderpädagogischen Förderung von Kindern mit Beeinträchtigungen - gleich, welcher Art und Ausprägung diese Beeinträchtigung ist - von der Landesregierung beabsichtigt sei, muss ich zunächst entschieden zurückweisen, und daneben erst recht den Vorwurf, die UN-Behindertenrechtskonvention solle dazu missbraucht werden, als Vorwand für Kürzungen im Schulwesen zu dienen! Zwar ist das langfristige Ziel in der Tat die möglichst weitgehende Inklusion aller Kinder mit Beeinträchtigungen in den Regelschulbetrieb, allerdings in gestaffelter und zeitlich gestreckter Form, um den Übertrag von materiellen Ressourcen und fachlicher Kompetenz vom Sonderschul- in den Regelschulbereich sicherzustellen. Dass das aktuell an vielen Schulen anders "ankommt" bzw. mitunter vor Ort auch evtl. überstürzt und damit eben überfordernd umgesetzt wird, bedauern meine KollegInnen und ich ausdrücklich; dies entspricht aber nicht dem langfristig ausgelegten Plan der Landesregierung.

Auf den von Ihnen befürchteten Wegfall sonderpädagogischer Förderung in Wuppertal kann ich daneben konkret so antworten:

Insgesamt sind im laufenden Schuljahr bisher 311 Anträge der Grundschulen eingegangen und bearbeitet worden. Davon wurden 30 Anträge, also weniger als 10%, wegen mangelnder Nachvollziehbarkeit/Fehler bei der Antragstellung etc. nicht eröffnet; dazu ist allerdings zu bemerken, dass eine Nachbesserung des Antrages und eine spätere Eröffnung immer möglich ist. 17 Anträge aus den abgelehnten 30 betrafen Schulneulinge, die im kommenden Schuljahr eingeschult werden. In den Klassen 2 und 3 wurden bei 85 Schülerinnen und Schülern der Förderbedarf gemäß AO-SF §5 Lernen, emotionale Entwicklung und Sprache beantragt. Häufig handelt es sich hierbei um Entwicklungsverzögerungen, die erst im Laufe der Schuleingangsphase deutlich wurden.

Dazu ist nun aber anzumerken, dass der überwiegende Anteil dieser Schüler aufgrund eines entsprechenden Elternwunsches den Gemeinsamen Unterricht an einer Grundschule besucht. Alle Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen des Gemeinsamen Unterrichts - auf eben diesen langsamen Ressourcenwechsel vom reinen Sonderschul- in den Regelschulbereich habe ich mich in meinen einleitenden Bemerkungen oben bezogen - werden im Personalbereich der Grundschulen geführt, sie sind in die pädagogische Begutachtung im Rahmen des AO-SF fest eingebunden. Die Zahl der Kinder mit sonderpädagogischer Förderung nun hat sich nach vorsichtiger Schätzung im laufenden Schuljahr leicht erhöht, dem wird auch durch die Aufstockung des Stellenanteils im Gemeinsamen Unterricht Rechnung getragen.

Die von Ihnen geschilderten Aussagen sind sicherlich in ihrem jeweiligen Einzelzusammenhang zutreffend und sollten Ihre betreffenden Bekannten dazu veranlassen, bei Ihrer jeweiligen Schulleitung auf eine Überarbeitung des jeweiligen AO-SF-Antrages wie oben geschildert zu dringen, denn noch einmal: Eine systematische Unterwanderung von AO-SF-Anträgen ist weder vorhanden noch beabsichtigt!

Mit freundlichen Grüßen

Josef Neumann

i.A. Jakob Steffen
wiss. Mitarbeiter