Frage an Dirk Fischer bezüglich Verkehr

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Dirk Fischer
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Frage von Manfred M. •

Frage an Dirk Fischer von Manfred M. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Fischer,

heute habe ich in Spiegel-online einen bemerkenswerten Film über die Vertragsgestaltung mit der Firma Bilfinger und Berger zum Ausbau der A 1 zwischen Hamburg und Bremen gesehen. Demnach sind die Verträge so gestaltet, dass der Bund einen minderen und festen Anteil der Mauteinnahmen erhält, während der Vertragspartner bei steigendem Verkehrsaufkommen die Mehreinnahmen kassiert. Der Vertrag scheint mir die öffentliche Hand schwer zu benachteiligen.
Die Einsicht in diese Verträge sollen nicht einmal die Behörden in Niedersachsen haben, geschweige denn, die Öffentlichkeit. Warum enthält uns der Staat den Inhalt solcher Verträge vor?

Halten Sie es für zumutbar, dass die Bürger und Steuerzahler unseres Landes über solche Verträge, unser Staatsvermögen und die Funktionalität unserer Infrastruktur betreffen nicht informiert werden? Sind diese Verträge überhaupt durch parlamentarische Beschlüsse legitimiert, und wenn ja, mit welcher Begründung zieht sich der Staat aus der Kontrolle unserer Infrastruktur immer mehr zurück und entzieht sie damit einer demokratischen Mitgestaltung durch die Bürger?

Sind wir schon mitten in einer Entwicklung, durch Verträge mit Privatunternehmen, wie jüngst mit den Energiekonzernen zur Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, die demokratische Einflussnahme auf Infrastrukturprojekte abzuschaffen, um andererseits als Steuerzahler für die Fehlspekulationen von Landesbanken und "systemrelevanten" Banken als Gesellschaft mit unbeschränkter Haftung" mit unseren Steuergeldern einzustehen?

Mit großem Interesse sehe ich Ihrer Antwort entgegen.

Mit freundlichen Grüßen

Manfred Muster

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Sehr geehrter Herr Muster,

vielen Dank für Ihre Frage zum Ausbau der A 1 zwischen Hamburg und Bremen. Dazu kann ich Ihnen folgende Informationen geben:

Das A-Modell-Projekt A 1 zwischen Hamburg und Bremen ist eines der vier Pilotprojekte im Bereich der Bundesfernstraßen, mit denen der Bund Bau-, Erhaltungs- und Betriebsleistungen über einen Zeitraum von 30 Jahren sowie die Finanzierung des Leistungspakets an private Partner übertragen hat. Die Refinanzierung erfolgt über die auf der Konzessionsstrecke anfallende LKW-Maut bzw. Teile davon (sog. Baukonzession). Wesensmerkmal einer Baukonzession mit verkehrsmengenabhängiger Vergütung ist der Umstand, dass der Konzessionär neben dem Bau- auch das Verkehrsrisiko auf der Strecke übernimmt. Er profitiert daher grundsätzlich von steigenden Verkehren, wird umgekehrt durch hinter seinen Erwartungen zurückbleibende Verkehre ebenso grundsätzlich belastet. Die eingegangenen Verpflichtungen zur Leistungserbringung bleiben davon unberührt. Beim Projekt A 1 werden die seitens des Konzessionärs über den Konzessionszeitraum angenommenen Mauterlöse nicht vollständig zur Refinanzierung benötigt. Daher hat der Konzessionär im Rahmen seines dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Angebotes dem Konzessionsgeber angeboten, einen festen Anteil der Mauterlöse von der Weiterleitung an den Konzessionär in Abzug bringen zu dürfen. Ein schwerer Nachteil für die öffentliche Hand ist mit der Regelung nicht verbunden, sie ist einer Konzession grundsätzlich wesensimmanent.

Dass nicht einmal die Behörden in Niedersachsen Einsicht in die Verträge haben sollen, ist nicht zutreffend. Das Land Niedersachsen nimmt im Wege der grundgesetzlich verankerten Auftragsverwaltung die Abwicklung des Vertrages für den Bund wahr.

Zutreffend ist allerdings, dass die Verträge wegen der schutzwürdigen Interessen der Vertragspartner grundsätzlich nicht veröffentlicht werden. Dieser Umstand ist allerdings keine Besonderheit der A-Modelle, auch konventionell geschlossene Bauverträge werden nicht veröffentlicht.

Die Verträge sind selbstverständlich entsprechend legitimiert und bedeuten keineswegs, dass sich der Staat von der Kontrolle der Infrastruktur verabschiedet und sie damit einer demokratischen Mitgestaltung der Bürger entzieht. Die demokratische Einflussnahme auf Infrastrukturprojekte ist durch Baukonzessionen auch nicht abgeschafft. Bei ÖPP-Projekten handelt es sich lediglich um eine Beschaffungsvariante, die sich im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen als gegenüber der konventionellen Errichtung und Unterhaltung der Infrastruktur im konkreten Fall als insgesamt vorteilhaft herausgestellt hat. Weder das Projekt als solches stand und steht zur Disposition, noch werden die rechtlichen Grundlagen der Verantwortlichkeit des Staates für die Verkehrsinfrastruktur in irgendeiner Weise beschnitten oder in Abrede gestellt.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Fischer