Frage an Eckehart Ehrenberg bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Eckehart Ehrenberg
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Frage an Eckehart Ehrenberg von Matthias B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Eine Frage zu Internationalität, der Krise der europäischen Einheit und Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarn an den Sicherheitspolitiker:

In Charlottenburg, Hardenbergstr. 29 a (Zoo-Palast), gab es früher eine Archivalien- und Beutekunstsammelstelle der SS und des Auswärtigen Amtes. Ein Ende 1939 eingerichtetes Sonderkommando Künsberg reiste durch das ganze ns-besetzte Europa und beschlagnahmte Akten, Archivalien und Kunstgegenstände (es wurden auch alle Akten des Auswärtigen Amtes in Warschau beschlagnahmt und abtransportiert). Zeitweise lagerten dort mehr als 300.000 Einzelstücke. Auf dem Hintergrund des Sammelschwerpunktes besetzte Sowjetunion und der vollständigen Zerstörung von etwa 400 Museen samt Depots im ns-besetzten Russland und der SU während des Krieges hatten wir den Vorschlag einer mehrsprachigen Kennzeichnung dieses historischen Ortes ausgesprochen.

Wie stehen Sie inhaltlich zum Vorschlag der öffentlichen mehrsprachigen Kennzeichnung dieses Ortes? Was halten Sie z.B. davon, dort neben einem viersprachigen Texthinweis (deutsch, polnisch, russisch und englisch) vielleicht auch eine Hörsäule aufzustellen, in der in vier Sprachen die Ortsnamen der gut 400 zerstörten Museen als Hörbeitrag abgespielt wird? Teilen Sie die Auffassung, dass in unserem Bezirk mit der geplanten Stele zum Gedenken an den Täterort des Generalplan Ost auf dem Kurfürstendamm Nr. 140-143 und besagtem Hinweis auf die SS-Archivaliensammelstelle vielleicht ein Schlüsselansatz liegt, um das Kriegsende und die Spaltung Europas besser zu verstehen sowie die aktuelle Krise der inneren Einheit Europas konstruktiv zu überwinden? (und hoffentlich auch 300 bis 400 leitende Museumsmitarbeiter aus Russland und den GUS zur Enthüllung einladen)? Mir scheint, dass sehr tiefsitzende antislawische Grundemotionen bis heute bestehen und nicht aufgearbeitet sind.
Matthias Burchard
Verein zur Völkerverständigung mit MSOE
Web: http://gplanost.x-berg.de

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Antwort von
DL

Sehr geehrter Herr Burchard,

zunächst vielen Dank für Ihren Hinweis, Ihren Vorschlag und Ihre Fragen vom 25. August.

Grundsätzlich bin ich sehr dafür, authentische Orte für Hinweise auf historische Vorgänge zu nutzen, auch dann, wenn solche Orte in der Zwischenzeit baulich sehr verändert wurden.

Hinzu kommt, dass die von Ihnen beschriebenen Verbrechen des SS-Sonderkommandos wenig bekannt sind. Es hat ja zu diesen Dingen eine lange Zeit des Schweigens gegeben, das vor allem durch die im Ansatz verdienstvolle Wehrmachtsausstellung für eine breitere Öffentlich durchbrochen wurde.

Ich unterstütze also Ihren Vorschlag einer mehrsprachigen öffentlichen Kennzeichnung des Ortes am Zoo-Palast und werde mich für seine Realisierung einsetzen. Statt einer Hörsäule fände ich aber vielleicht eine Vitrine noch besser, in der einige Karten und Dokumente mehrsprachig zur Schau gestellt werden.

Ein anderes Problem sind die deutschen Beziehungen zu den osteuropäischen Staaten und die von Ihnen angesprochenen antislawischen Grundemotionen. In dieser Hinsicht sehe ich zwei Erfordernisse, die sich teilweise widersprechen:

(1) Die lange Geschichte gewaltsamer und verbrecherischer Interaktion zwischen Deutschland und seinen osteuropäischen Nachbarn bzw. Deutschen/Österreichern und Menschen slawischer Herkunft muss weiter geduldig aufgearbeitet werden auf der Grundlage der Wahrheit und des Menschen- bzw. Völkerrechts. Dabei kommt es darauf an, dass dieser Prozess nicht nur unter Beteiligung von Wissenschaftlern und Politikern stattfindet, sondern eine größere Breite erlangt, wofür Ihr Vorschlag hilfreich ist.

(2) Die heutige Generation muss sich in der Lage fühlen, die positiven Eigenschaften von Menschen aus den Nachbarländern unbefangen zu entdecken und sich an ihnen zu erfreuen.

Aus dem letzteren Grunde ist es wichtig, die historische Wahrheit zu kennen, während es kontraproduktiv, wenn nicht sogar gefährlich wäre, eine Kultur des schlechten Gewissen zu pflegen, in der sich die dringend benötigten positiven Emotionen nicht entwickeln können. Ich sage das so deutlich - auch als Wissenschaftler -, weil es aus nachvollziehbaren Gründen in Deutschland eine Tendenz dazu gibt, nachdem der lange verschwiegene volle Umfang der Verbrechen früherer Generationen aufgedeckt wurde.

Mit den besten Grüßen

Ihr

Eckehart Ehrenberg