Frage an Ekin Deligöz bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ekin Deligöz
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Frage von Malte S. S. •

Frage an Ekin Deligöz von Malte S. S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Deligötz,

folgendes lese ich in der Presseschau vom 14.10.2009 des "Migazins":

»Deligöz: Zu wenig türkischstämmige Migranten in den Parlamenten

[Die] Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz habe [der türkischen Zeitung "Sabah"] gesagt, dass sowohl in den Landesparlamenten als auch in den Stadträten zu wenige türkischstämmige Migranten vertreten sind. Die Zeit sei schon längst gekommen, dass diejenigen, die seit 50 Jahren teilweise mehr für das Land getan haben als die eigenen Bürger und es mehr als manch anderer verinnerlichen und lieben, nun auch gleichberechtigt in den jeweiligen Parlamenten vertreten werden. Wenn dieses Recht den Migranten nicht gegeben wird, werde man es sich nehmen.«
( http://www.migazin.de/2009/10/15/turkische-presse-europa-14-10-2009-sarrazin-bertrams-integrationsministerium/2/ )

Haben Sie diese Aussagen tatsächlich getan? Wenn ja, können Sie Ihre Forderungen und Ankündigungen näher erläutern? Verlangen Sie eine gesetzliche Quote für türkischstämmige Politiker in den deutschen Parlamenten? Wenn das zutrifft, und falls eine solche Quote nicht eingeführt wird: Mit welchen Mitteln gedenken Sie (oder wen auch immer Sie meinen) sich das Recht der Migranten auf eine Türkenquote zu "nehmen"?

Für klärende Antworten hierzu wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Mit freundlichen Grüßen,
Malte S. Sembten

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Sehr geehrter Herr Sembten,

gerne möchte ich ihre Fragen beantworten, aber zunächst eine inhaltliche Klarstellung vorwegschicken.
Der Bericht auf den Sie sich beziehen, basiert auf einem in türkischer Sprache verfassten Kommentar, der in zusammengefasster Form in verschiedenen türkisch sprachigen Zeitungen veröffentlicht wurde. Auch findet sich in der Presseschau auf der Homepage MIGAZIN eine knappe Widergabe eines solchen Berichts in deutscher Sprache. Dort wird aber eine Redewendung des Kommentares falsch – weil wörtlich und nicht sinngemäß übersetzt – wiedergegeben. Ich habe mittlerweile bei den Betreibern der Seite um eine entsprechende Richtigstellung gebeten. Tatsächlich gibt es im Türkischen die Redewendung ‚sich ein Recht nehmen‘. Sie hat aber eine völlig andere Konnotation als im Deutschen. Die sinnhafte und damit korrekte Übersetzung wäre: „sich mit ganzer Kraft einsetzen für“. Und nur so ist auch mein Aussage gemeint, nämlich dass Migranten sich weiterhin politisch und gesellschaftlich für mehr Beteiligung stark machen sollen. Ich selber engagiere mich – so wie die gesamte Partei von Bündnis 90/Die Grünen und viele andere Organisationen auch – zum Beispiel für die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für nicht EU-Bürger.
Im Übrigen wäre es völlig absurd, sich den Anspruch auf demokratische Beteiligung unter anderem in Parlamenten wie auch immer an sich reißen zu wollen. So etwas entspräche auch weder meinen demokratischen noch rechtsstaatlichen Grundauffassungen. Daran habe ich bisher auch in meiner gesamten politischen Arbeit keinen Zweifel aufkommen lassen.

Zur argumentativen Grundausrichtung des Beitrages sei gesagt: In öffentlichen Debatten wird bisweilen unterstellt, Migranten fühlten sich pauschal nicht als Teil der Gesellschaft und würden sich mehrheitlich abkapseln. Solche gibt es in der Tat, und es gibt problematische gesellschaftliche Tendenzen, auch unter Migranten. Gleichwohl gibt es etliche Migranten, die lange in Deutschland leben oder auch schon hier geboren sind, sich mit dem Land identifizieren und es als Ihre Heimat betrachten. Menschen, die sich als Teil der Gesellschaft, als Steuerzahler, Arbeitgeber und –nehmer, als Nachbar und Mitbürger engagieren und ihren Beitrag zu einem guten Zusammenleben leisten. Um das deutlich zu machen, habe ich ausgeführt, dass dieser engagierte Großteil in seinem Einsatz und auch in der Erfüllung seiner rechtsstaatlichen Pflichten nicht hinter dem vieler anderer Bürger – auch deutschstämmiger - zurück steht.

Die Schlussfolgerung des Gesagten liegt auf der Hand. Ich fordere keine gesetzliche Quote für türkischstämmige Politiker in den Parlamenten. Das entspräche mitnichten meiner Intention und stünde natürlich auch gegen das demokratische Prinzip einer freien und gleichen Wahl. Ich fordere eine solche Quote auch nicht an anderen Stellen. Sinnvoll finde ich es aber, für das politische Ziel einer stärkeren Berücksichtigung von Migranten zu werben; bislang sind sie im politischen Betrieb deutlich unterrepräsentiert.

Mit freundlichen Grüßen

Ekin Deligöz

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