Frage an Ekin Deligöz bezüglich Soziale Sicherung

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Ekin Deligöz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Thomas R. •

Frage an Ekin Deligöz von Thomas R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Deligöz,

Sie sind Mitglied der KIKO, deshalb hoffe ich sehr, dass Sie meine Frage(n) beantworten können:
Wie groß ist das Ausmaß von Verbrechen an Kindern: (häusliche) Gewalt, Misshandlungen, Entführungen, "mittelalterliche Erziehung", etc.
Wie sieht die Lage in Deutschland aus, wie international?
Gibt es signifikante Unterschiede im Vergleich zu früher? Welche (unterschiedlichen) Ursachen haben diese Formen von Verbrechen und was kann momentan dagegen unternommen werden, welche Möglichkeiten haben Staat und Behörden, wo sind die Grenzen, wo gibt es noch Grauzonen und Problemstellungen und was möchte Ihre Partei weiterhin unternehmen oder einbringen?

Da es sich hier um eine sehr umfangreiche Fragenstellung handelt und Sie diese vllt. nicht in diesem Rahmen ausreichend beantworten können, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir auch weiterführende Quellen (Bücher, evtl. Internet oder sonstige Medien) aufweisen könnten.

Vielen Dank!!!

Thomas Rudolph

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Rudolph,

vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit.
Zu dem von Ihnen angesprochenen Bereich gibt es keine einheitliche Statistik, dennoch wissen wir, dass in den letzten Jahren in der Bevölkerung das Bewußtsein für diese Tatbestände gewachsen ist. Das zuständige Ministerium gibt dazu folgende Zahlen:

a) Vernachlässigung:
* keine repräsentativen Daten oder Untersuchungsergebnisse in der BRD
* Schätzungen:
5-10% aller Kinder bis 6 Jahren (Esser & Weinel 1990), entspricht ca.
250.000-500.000
Kindern
* Befragung von Jugendämtern zu Fällen, in denen die Anrufung des Familiengerichts erforderlich war

b) Erziehungsgewalt / körperliche Misshandlung:
* die Mehrheit der Eltern wendet zumindest minderschwere Formen physischer Erziehungsgewalt an, etwa leichte Ohrfeigen oder einen Klaps (Bussmann 2002, 2003, 2005, Pfeiffer und Wetzels 1997)
* ca. 10% bis 15% der Eltern wenden schwerwiegendere und häufigere körperliche Bestrafungen an (Engfer 2005)
* Insgesamt ist die Tendenz eher abnehmend.
* Polizeiliche Kriminalstatistik nach § 225 StGB (anzeigte Fälle von
Misshandlung)
1990: 600 Kinder; 2005: 1445 Kinder unter 6 Jahren
1990: 1337 Kinder; 2005: 3377 Kinder unter 14 Jahren

c) Misshandlung / Vernachlässigung mit Todesfolge
* Kindesmisshandlung/-vernachlässigung mit Todesfolge:
jährlich ca. 50 Kinder (UNICEF 2003)
* Kindstötungen Tendenz in den letzten Jahrzehnten deutlich abnehmend (Halbierung der jährlichen Fallzahlen seit 1980; Polizeiliche Kriminalstatistik -
Todesursachenstatistik)

d) Eingriffe in die elterliche Sorge (Kinder unter 3 Jahre):
* Inobhutnahmen: 1785 Fälle in 2005 (Steigerung der Fallzahlen von 1995 bis
2005 um
ca. 40 %; Statistisches Bundesamt; hängt auch mit dem neuen gesetzlichen Verfahren zusammen, das Inobhutnahme einfacher macht)
* Sorgerechtsentzug: etwa 2200 Fälle jährlich von Kindern unter 3 Jahren (Münder; Mutke, Schone 2000)

Bündnis 90/ Die Grünen haben das Recht auf gewaltfreie Erziehung auf den Weg gebracht und die Zahlen zeigen, dass sich hier ein positiver Trend durchsetzt. Wir setzen daher bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche auf eine Stärkung der Elternkompetenz, niedrigschwellige Hilfs- und Unterstützungangebote sowie eine gute Zusammenarbeit der staatlichen Institutionen. Hier ist es vor allem wichtig, dass gerade auf kommunaler Ebene die Angebote bestehen bleiben, gut geschultes Personal vorhanden und gut vernetzt ist. Die Finanznot der Kommunen führt leider in vielen Fällen dazu, dass der Rotstift zu Lasten der Kinder und junger Familien angesetzt wird.

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