Frage an Ekin Deligöz bezüglich Familie

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Ekin Deligöz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Hans-Erich K. •

Frage an Ekin Deligöz von Hans-Erich K. bezüglich Familie

Sehr geehrte Frau Deligöz,

ich wundere mich über die unsinnigen Kindergeldzahlungen.
Die Besserverdienenden brauchen das Geld nicht, ein großer Teil der Geringverdienenden gibt das Geld nicht ausschließlich für Kinder aus.
Warum schafft man das Kindergeld nicht ab und finanziert statt dessen Ganztagskindergärten, Ganztagsschulen, Betreuungseinrichtungen usw. ?
Man hätte damit mehrere Dinge erreicht.
Die Kinder würden besser betreut und auch deren Bildungserfolge würde besser kontrolliert.
Die oft zitierte Integration würde besser funktionieren, da viele Eltern ihre Kinder in die, für sie kostenlosen Einrichtungen schicken würden.
Zusätzlich würden eine erhebliche Anzahl von qualifizierten Arbeitsplätzen geschaffen. Die Kosten die durch Schäden fehlentwickelter Kinder und Jugendlicher verursacht werden, würden erheblich gesenkt.

Viele Grüße
Hans-Erich Klein

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Klein,

ich verstehe Ihren Unmut über die von der Großen Koalition verabschiedete Kindergelderhöhung.
Allerdings teile ich nicht Ihre Gründe dafür.
Aus meiner Sicht ist das zentrale Problem, dass die Große Koalition mit dem beschlossenen Gesetz die soziale Schieflage im bestehenden System zementiert. Gut verdienende Eltern erhalten über die steuerlichen Freibeträge auch weiterhin eine höhere Förderung für ihre Kinder als "normale" Kindergeldbezieher. Kinder, deren Eltern Sozialleistungen beziehen, bekommen durch die Anrechnung des Kindergeldes auf die Regelsätze sogar weniger als vorher. Die Reform ist also weder zielgenau noch werden bestehende Ungerechtigkeiten abgemildert.
Sie unterstellen, dass ein Großteil von Geringverdienern das Geld nicht für ihre Kinder ausgeben würde. Eine Studie der Hans Böckler Stiftung hat deutlich gezeigt, dass die große Mehrheit der Eltern zu allererst bei sich spart und sich große Mühe gibt, dass die Kinder möglichst wenig unter ihrer Geldnot leiden. Sicherlich gibt es Familien, in denen Eltern nicht immer im Sinne ihrer Kinder agieren, in denen der Alkoholkonsum den Alltag bestimmt. Diese Familien als Blaupause für die Familienförderung in Deutschland zu nehmen, halte ich aber für falsch.
Eltern, die mit der Erziehung und Versorgung ihrer Kinder überfordert sind, dürfen nicht alleine gelassen werden. Vielmehr müssen sie begleitet und in ihrer Erziehungskompetenz gestärkt und sinnvoll unterstützt werden.
Die zentrale Bedeutung der Infrastruktur sprechen auch Sie an. Ich vertrete aber den Standpunkt, dass man den Infrastrukturausbau nicht gegen die materielle Absicherung von Familien ausspielen darf.
In der grünen Bundestagsfraktion wird derzeit ein Modell diskutiert, das beide Elemente vereint. Die sogenannte Kindergrundsicherung erkennt an, dass die Förderung und Unterstützung von Familien und Kindern auf zwei Säulen ruhen muss: zum einen auf der Bereitstellung einer hochwertigen Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur sowie effektiven Dienstleistungsangeboten. Um an der Gesellschaft teilhaben zu können muss zum anderen aber auch die materielle Basis stimmen.
Mit dem zweiten Standbein der Kindergrundsicherung, der einkommensorientierten Kindergrundsicherung (EKiG), bekommen Kinder eine angemessene, materielle Förderung.
Sie soll 330 Euro im Monat pro Kind betragen und entsprechend der Leistungsfähigkeit der Eltern besteuert werden.
Jedes Kind ist zwar gleich viel Wert, aber nicht jedes braucht die gleiche Förderung. Daher würden Familien mit hohen Einkommen weniger bekommen als heute. Voraussetzung dafür wäre die Zusammenfassung von bestehenden Familienleistungen und die Reduktion der Eheförderung.
Das heute ungerechte System der Familienförderung würde umgedreht: Familien mit kleinen und mittleren Einkommen bekämen mehr, Familien mit hohem Einkommen weniger.
Unser Ziel ist es, dass jedes Kind unabhängig von seiner sozialen und ethnischen Herkunft eine individuelle Förderung und Unterstützung bekommt. Es sollen endlich Kinder in den Mittelpunkt der Förderung gestellt werden und nicht mehr länger bestimmte Lebensmodelle.
Zur Klarstellung: das Kindergeld ist nicht einfach eine reine staatliche Förderung von Familien. In seiner derzeitigen Ausgestaltung erfüllt das Kindergeld eine Doppelfunktion: in erstere Linie wird bei einkommenssteuerpflichtigen Eltern über das Kindergeld die steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes gewährleistet. Hierbei handelt es sich um den verfassungsrechtlich gebotenen Familienlastenausgleich. Zum anderen dient das Kindergeld auch der monetären Förderung von Familien. Nur dieser Teil, der abhängig vom Erwerbseinkommen ist, kann als familienfördernde Leistung definiert werden. Man kann also nicht einfach, wie Sie es fordern, das Kindergeld komplett streichen und ohne eine weitere Kompensation die gesamten Mittel in die Infrastruktur umleiten.

Mit freundlichen Grüßen
Ekin Deligöz

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