Frage an Elvira Drobinski-Weiß bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Elvira Drobinski-Weiß
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Frage von Mathias J. •

Frage an Elvira Drobinski-Weiß von Mathias J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Drobinski-Weiß,

wie ich diesem Portal entnehme, haben Sie dem Vertrag von Lissabon zugestimmt. Noch diesen Monat urteilt das BVG über die Verfassungsbeschwerden gg. das Zustimmungsgesetz.

1. Wie beurteilen Sie die Tatsache, daß zu einem solch grundlegenden Gesetz das Deutsche Volk nicht in einer freien Abstimmung gehört wurde?

2. Halten Sie den Vertrag von Lissabon als vereinbar mit dem GG der Bundesrepublik Deutschland, und warum?

3. 2007 wurden im Amtsblatt der EU unter C 303/17 die „Erläuterungen zur Charta der Grundrechte“ veröffentlicht. Die -sehr unterschiedlichen- Meinungen von Parlamentariern (auch aus dem EU Parlament: Dr. Werner Langen, CDU, war diese Regelung erst gar nicht bekannt! s. Frage Hr. Jenni v. 01.06.09) betreffend der Gültigkeit dieser Veröffentlichung zeigt mir bereits Komplikationen um eine eindeutige Interpretation des Regelwerkes in Grund- und Menschenrechte betreffenden Fragen. Hier fehlt es an klarer Transparenz. Wie interpretieren Sie diese „Erläuterungen“ (v.a. zu a) Art. 2 Abs. 2 EMRK)? Die Unübersichtlichkeit sucht seinesgleichen: Erläuterungen beziehen sich auf die Charta, diese wiederum auf die Europäische Menschenrechtskonvention („gleiche Bedeutung und Tragweite“), welche u.a. einem 13. Zusatzprotokoll unterliegt, das aus dem Jahr 2001 stammt und eine Veröffentlichung von 2007 (s.o.) Vorrang zur Gültigkeit nehmen soll (??). Ferner greift Art. 6 des V.v. Lissabon die Charta als „rechtlich gleichrangig“ auf, was wiederum die „Negativdefinitionen“ der EMRK als Teil der Charta betrachtet. Und diese „Negativdefinitionen“ des „Rechtes auf Leben“ aus der EMRK schränken dieses Grundrecht ein - veröffentlicht am 14.12.2007. Wenn die Politik in Menschenrechtsfragen nicht ohne Mehrdeutigkeiten bleibt, sehe ich die demokratische Grundordnung gefährdet! Ich kann nur hoffen, Abgeordnete haben wirklich gewusst, was da unterschrieben wird! Ich bin auf das Urteil des BVG sehr gespannt. Sie auch?

Mit freundlichen Grüßen,
Mathias Joseph

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Joseph,

vielen Dank für Ihre Fragen. Gerne beantworte ich sie folgendermaßen.

1. Volksabstimmungen über diese Fragen sind zunächst vom Grundgesetz nicht vorgesehen, da es sich nicht um eine Neugliederung der Bundesländer handelt. Eine Volksabstimmung wäre daher nicht möglich gewesen. Darüber hinaus zeigen die Plebiszite in anderen Ländern, etwa in Frankreich und den Niederlanden, warum man an dieser Stelle sehr vorsichtig sein sollte. Alle repräsentativen Umfragen zeigen, dass die Menschen dort über ganz andere Fragen als die europäischen abgestimmt haben. Das gilt im übrigen auch für das Ergebnis der gerade stattgefundenen Europawahl in Deutschland. Daher ist es richtig, dass diejenigen darüber abstimmen, die damit durch Wahlen beauftragt sind und sich intensiv damit auseinandergesetzt haben. Deren Verhalten zu beurteilen, das ist wiederum die Möglichkeit jedes Einzelnen bei der Bundestagswahl.

2. Ja. Begründung: Er enthält keine Regelungen, die dem Grundgesetz widersprechen.

3. Die Frage des Menschenrechtsschutzes ist m.E. beantwortet, weil das Bundesverfassungsgericht hier schon lange eine klare Rechtsprechung hat, die das Schutzniveau des Grundgesetzes sichert(sogenannte Solange-Urteile). Der europäische Menschenrechtsschutz geht - entsprechend der Verträge und der ständigen Rechtsprechung - eher noch darüber hinaus. Es besteht daher kein Grund zur Sorge.

Auf das Urteil des Bundesverfassungsgericht bin ich deswegen gespannt, weil ich mir sicher bin, dass der Vertrag von Lissabon grundgesetzkonform ist und alle Debatten darum dann beendet sein werden.

Mit freundlichen Grüßen

Elvira Drobinski-Weiß