Frage an Florian Pronold bezüglich Finanzen

Portrait von Florian Pronold
Florian Pronold
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Florian Pronold zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Jürgen K. •

Frage an Florian Pronold von Jürgen K. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Pronold,

ich fragte Herrn Niels Annen als meinem Bundestagsabgeordneten aus Hamburg zum Punkt:
Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaftssteuer- und Bewertungsrechts und dessen tatsächlichen Folgen auf die Zerstörung hiesiger Erwerbsarbeitsplätze im Produktionswirtschaftssektor durch den Lohnsummenvoltentrick, bei dem die bliebten Leiharbeitsverhältnisse ausgeblendet werden. Als Aussenhandelskaufmann im Anlagenbau kenne ich das gesamte Kalaidoskop der wegen der real nicht vorhandenen Nachweismöglichkeiten, sich gerade hier ein ganzer Kosmos an Verschiebungsvarianten mit der damit verbundenen Arbeitsplatzvernichtungswirkungen in Deutschland auftut.
Die Antwort von Herrn Annen war - gelinde gesagt - erschreckend wirklchkeitsfremd.
Ich bitte Sie deshalb, mir zu erläutern, wie Sie in praxi die mit diesem Gesetzentwurf verursachte Fortsetzung des Abbaus gewerblicher Arbeitsplätze in Deutschland ausschließen wollen, wobei gerade die Tatsache der praktisch unmöglichen Beweislast bei entsprechenden Manipulationen der Lohnsummen DIE Fragestellung ist.

Ich bin, mit Ihrer Erlaubnis, total geplettet von der Naivität und Realitätsfremdheit, mit dem dieser Gesetzentwurf genannte Murx zusammengeschustert wurde. Wenn es aber nicht Naivität und Realitätsfremdheit waren, die zu diesem "Erwerbsarbeitsplatzvernichtungsgesetz" führt, dann müssten hier
Manipulationen des Gesetzgebers aufscheinen, die den entsprechenden Lobbyistengruppen das Säckel zu Lasten der Bürger füllen sollen, die auf Erwerbsarbeitsplätze speziell im gewerblichen Produktionswirtschaftsbereich angewiesen sind,

Bitte erläutern Sie mir, wo mein Irrtum/ meine Irrtümer bei der Beurteilung dieses Entwurfes liegt/liegen.

Ganz herzlichen Dank und beste Grüße
Jürgen Klinger
Hamburg- Schnelsen

Portrait von Florian Pronold
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Klinger,

vielen Dank für Ihr Schreiben zur geplanten Erbschaftssteuerreform, zu dem ich gerne Stellung nehme:

Ihre pauschale Kritik am Regierungsentwurf ermöglicht - wegen der hinreichenden Unbestimmtheit ("Murx") leider keine fundierte Stellungnahme. Eine an der Sache orientierte Auseinandersetzung - eine gewisse Neigung zu demokratischer Streitkultur vorausgesetzt - ist meines Erachtens hilfreicher für das Verständnis komplexer Zusammenhänge.

Zu Ihrem Kritikpunkt: Sie behaupten, der Regierunsentwurf würde Arbeitsplätze im Produktionswirtschaftssektor durch den "Lohnsummenvoltentrick" zerstören, da die Leiharbeitsverhältnisse nicht in die Lohnsumme einbezogen seien.
Hierzu ist folgendes zu sagen:

1. ) Betriebe mit 10 oder weniger Beschäftigten sind ohnehin von der Lohnsummenregelung ausgenommen, so dass sie für einen Großteil der deutschen mittelständischen Unternehmen nicht relevant ist. Eine Bedrohung wie Sie sie sehen, ist hier objektiv nicht zu erkennen.

2. ) Die befürchtete Manipulation der Lohnsumme war und ist selbstverständlich in den laufenden Beratungen thematisiert worden. Für die Einbeziehung von Leih- und auch Saisonarbeitsplätzen in die Lohnsumme spricht, dass ansonsten in der Tat eine gewisse Gefahr besteht, dass Stammarbeitsplätze rechtzeitig vor einer Betriebsübergabe in Leiharbeitsplätze umgewandelt werden. In Bereichen mit geringer Qualifikationsanforderung mag dies wahrscheinlich sein, allerdings ist diese Praxis auch jetzt und damit losgelöst von der Erbschaftsteuerreform vorzufinden. In Bereichen mit hohen Qualifikationsanforderungen schätze ich diese Gefahr eher gering ein, denn Wechsel zu Leiharbeitsplätzen sind regelmäßig mit ökonomischen Einbußen (Qualifikation und Produktivität geringer) verbunden.

Darüber hinaus spricht gegen eine Einbeziehung, dass der Einsatz von Leiharbeitskräften regelmäßig stärkeren Schwankungen unterliegt und ihr Abbau gerade Stammarbeitsplätze erhält. Auch bei beim Einsatz von Saisonarbeitskräften treten starke Schwankungen auf, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat.

Bemerkenswert finde ich, dass Sie der festen Ansicht sind, ein Gesetzentwurf der - ausgehend von einem umzusetzenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts - das Gros der Unternehmen bei der Übergabe besser stellt als das geltende Recht, und der sich noch im parlamenarischen Verfahren befindet, würde zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen im Produktionssektor führen. Auch hier gilt das legendäre Struck´sche Wort, wonach noch kein Gesetz den Bundestag so verlassen habe, wie es eingebracht worden sei. Will heißen: Ich nehme selbstverständlich gerne noch konstruktive Vorschläge und Hinweise an, die geeignet sind, drohenden Mißbrauch zu unterbinden.

Wenn Sie, wie Sie schreiben "als Aussenhandelskaufmann im Anlagenbau ... das gesamte Kalaidoskop der wegen der real nicht vorhandenen Nachweismöglichkeiten, sich gerade hier ein ganzer Kosmos an Verschiebungsvarianten mit der damit verbundenen Arbeitsplatzvernichtungswirkungen in Deutschland auftut, (kennen)" wäre ich Ihnen für entsprechende Informationen sehr verbunden.

Ich halte es für gerechtfertigt - wie im Übrigen das Bundesverfassungsgericht auch - dass eine so weitgehende Begünstigung, wie sie in der Erbschaftsteuer geplant ist, auch an Bedingungen geknüpft werden muss. Diese müssen am Gemeinwohl ausgerichtet sein und die Fortführung eines Betriebes incl. dem nachhaltigen Erhalt von Arbeitsplätzen ist im Sinne des Gemeinwohls.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Pronold, MdB