Frage an Franz-Josef Jung bezüglich Innere Sicherheit

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Franz-Josef Jung
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Frage an Franz-Josef Jung von Werner K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Dr. Jung,
anlässlich der 50-Jahr-Feier der EU wurde sicher auch das Thema "Europäisches Militär" zur Sprache gebracht.
Was würde diese Streitmacht für Deutschland bedeuten?
Nachdem unsere Bundeskanzlerin alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, dass Europa Wirklichkeit wird und dass bis Ende 2009 alles in "trocknen Tüchern" sein soll, dann müsste eigentlich das bisher für Deutschland geltende Nato-Truppenstatut seine Gültigkeit verlieren und damit müssten auch alle den Amerikanern zur Verfügung gestellten Liegenschaften geräumt werden (Katterbach, Illesheim, Grafenwöhr, Rammstein, Heidelberg etc.)
Dazu gehören auch die riesigen Waffenlager incl. Atombomben, welche in der Nähe von Rammstein gelagert sind. Oder: Wer darf dann darüber verfügen?
Können wir bei einer europäischen Armee sicher gehen, dass nicht, wie derzeit durch die US-Army, die z.B. in Katterbach und Illesheim Piloten für den Kriegseinsatz im Irak aus- und weiterbildet, wieder gegen das deutsche Grundgesetz Artikel 26 verstoßen wird?
Auf Ihre Antwort bin ich gespannt.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Kopper

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CDU

Sehr geehrte Herr Kopper,

haben Sie vielen Dank für Ihre freundliche Anfrage, mit der Sie die Meinung vertreten, dass mit Fortschreiten der Idee einer europäischen Armee das NATO- Truppenstatut seine Gültigkeit verlieren müsse.

Die Europäische Union in Verbindung mit der Idee eines weiteren Zusammenwachsens europäischen Militärs und das Werte- und Verteidigungsbündnis der NATO sind in der sicherheitspolitischen Betrachtung aber zwei grundverschiedene Dinge.

Mit Ende des Zweiten Weltkrieges und dem aufkommenden Kalten Krieg zeichnete sich für die westlichen Demokratien recht bald die Notwendigkeit eines Verteidigungsbündnisses gegen die damals empfundene Bedrohung durch die Sowjetunion ab. Also wurde 1949 die NATO als ein Verteidigungsbündnis westlicher Demokratien gegründet. Neben dem rein militärischen Aspekt, nationalen Streitkräften eine gemeinsame Koordinationsplattform für die Verteidigung gemeinsamer Interessen und Werte zu bieten, hatte die NATO von Anbeginn an als Wertegemeinschaft demokratischer Nationen eine ausgeprägte politische Komponente. Wir müssen als geschichtliche Tatsache betrachten, dass Deutschland mit fast 1400 Kilometern innerdeutscher Grenze damals im Brennpunkt dieses Konfliktes lag.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gründete sich der Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in Deutschland zunächst auf das Besatzungsrecht. Mit dem Inkrafttreten des sogenannten Deutschlandvertrags vom 26. Mai 1952 (Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Westmächten, BGBl. 1955 II S. 303) endete das Besatzungsregime am 5. Mai 1955.

Mit dem Beitritt der jungen Bundesrepublik in die NATO wurde eine rechtliche Grundlage für die Stationierung alliierter Truppen auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland erforderlich, die am 23. Oktober 1954 mit dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland (BGBl. 1955 II S. 253) zwischen Deutschland und acht Vertragspartnern (Belgien, Dänemark, Frankreich, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland, Vereinigte Staaten von Amerika) geschaffen wurde, eben das sogenannte NATO-Truppenstatut. Der auf unbegrenzte Zeit abgeschlossene Aufenthaltsvertrag gilt auch nach Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages weiter.

In der Zeit des Kalten Krieges war die Stationierung verbündeter Truppen auf deutschem Boden als sichtbares Zeichen gegenüber dem Warschauer Vertrag zu sehen. Ein Angriff auf die Bundesrepublik wäre einem Angriff auf die gesamte NATO gleichgekommen. Heute ergibt sich die Notwendigkeit zur Stationierung (die Gewährung von Aufenthaltsrechten) auch aus anderen Gründen.

Sicher ist Ihnen das Programm der NATO „Partnership for peace“ (PfP) bekannt. Die Partnerschaft für den Frieden (Partnership for Peace - PfP) ist eine 1994 ins Leben gerufene Verbindung zur militärischen Zusammenarbeit zwischen der NATO und 23 europäischen und asiatischen Staaten, die (noch) keine NATO-Mitglieder sind. Das Ausmaß der Zusammenarbeit kann dabei von jedem teilnehmenden Staat selbst bestimmt werden. Meist handelt es sich dabei um gemeinsame Manöver und Bedachtnahme auf NATO-Standards bei der Beschaffung neuen militärischen Geräts. Die Teilnahme an friedenserhaltenden und friedensschaffenden Missionen der NATO ist über die PfP ebenfalls möglich. Vorgesehen ist auch die Konsultation der NATO bei Bedrohung eines Unterzeichnerstaats von außen. Die PfP ist jedoch explizit kein Verteidigungsbündnis; die Beistandspflicht bleibt NATO-Mitgliedern vorbehalten.

Koordiniert wird die Zusammenarbeit zwischen NATO und den Partnerstaaten seit 1997 im Euro-Atlantischen Partnerschaftsrat (EAPR), zuvor Nordatlantischer Kooperationsrat (NAKR).

Für gemeinsame Übungen, insbesondere mit den alten Partnern der NATO, wird das NATO-Truppenstatut auch zukünftig hilfreiche Grundlage sein.

Allerdings wird auch die Westeuropäische Union zukünftig angesichts des europäischen Zusammenwachsens eine neue Bedeutung erfahren. Es ist auch denkbar, dass in Zukunft eine gemeinsame europäische Armee aufgestellt werden wird. Sicher aber nicht bis 2009. Hier sind zunächst nationale Befindlichkeiten zu überwinden. Angesichts der Tatsache, dass der Kalte Krieg erst 1990 beendet wurde und die EU bereits 27 Mitgliedsstaaten umfasst, viele davon gleichzeitig Mitglied in der NATO, befinden wir uns auf einem sehr erfreulichen Weg des Zusammenwachsens.

An dieser Stelle soll abschließend deutlich auf die unterschiedlichen sicherheits- und verteidigungspolitischen Interessen von NATO und europäischer Union hingewiesen werden. Eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik unterliegt anderen Grundbedingungen, als wir Sie in der NATO finden. Die NATO betont die euro-atlantische Allianz, schlägt bildlich gesprochen den Bogen von Westeuropa über den Atlantik zum amerikanischen Kontinent. Beides hat in der heutigen Zeit seine Berechtigung und wird auch zukünftig für ein friedliches Zusammenleben der Völker notwendig sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Franz Josef Jung