Frage an Franz Thönnes bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Franz Thönnes
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Frage an Franz Thönnes von Wolfgang H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Thoennes,
dieser Satz ist fuer mich einen Lacher wert:

"Abgeordnete haben nach Artikel 48 Grundgesetz und der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung ("Diät")."

Glauben Suie wirklich, das der Grad der "Unabhaengigkeit" eines Abgeordneten von seiner Bezahlung abhaengt? Glauben Sie wirklich, das Menschen, die sehr viel weniger verdienen, korrupter sein muessen?

Gestatten Sie mir eine weitere Frage: Wozu braucht Deutschland ein Heer von 600 Bundestagsabgeordneten? Man muss schon Senat und Kongress der USA, eines sehr viel groesseren Landes als der BRD zusammenrechnen, um auf diese unerhoert Anzahl von hochbezahlten Beamten zu kommen, die leider wenig zur Loesung der Problem dieses Landes beitragen.

Ich habe in einer persoenlichen sache einmal 3 Bundestagsabgeordnete angeschrieben, golauben Sie das ich eine Antwort ergalten haette, ohne zu hinterfragen?

Was ist Ihnen das Volk wert? Wenn es zu anstregend wird, sollte sich der Bundestag vielleicht ein anderes Volk suchen?

In der Rentensache, die hier u.a. von Holdefleiss, Bohm, und Bartmuss angesprochen wurde ist doch ein Versagen der CDU-FDP Regierung von 1992 unuebersehbar. Woher kommt Ihr Interesse, diese Entscheidung, die offenbar im Widerspruch zum Grundgesetz gefaellt wurde, zu verteidigen?

Ich habe einmal gelernt das sich eine Demokratie dadurch auszeichnet, das sie auch die Interessen der Minderheiten schuetzt. Nun, das kann man doch von den vielen Bundestagsabgeordneten, die zu unserer Rentensituation bisher Stellung genommen haben, ueberhaupt nicht sagen!

Wo kommt den nun Ihre vielgeruehmte "Unabhaengigkeit" ins Spiel? Vielleicht ist die irgendwo seit der Wende verlorengegangen? Ist nun jeder sich selbst der Naechste?
Fragt besorgt,

Wolfgang H. aus Heidelberg

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hartmann,

vielen Dank für Ihre Frage, die Sie mir über Abgeordnetenwatch.de gestellt haben.

Meine Position zum Thema Diäten habe ich auf Abgeordnetenwatch.de bereits in meiner Antwort an Herrn Clausen ausführlich dargestellt. Zwei Punkte will ich aber nochmals ausführen.

Abgeordnete, die für ihre parlamentarische Tätigkeit finanziell entschädigt werden, sind ein Erfolg der historischen Entwicklung der Demokratie. Niemand sollte in die Politik gehen, nur um Geld zu verdienen. Es darf aber auch nicht sein, dass nur diejenigen in die Politik gehen, die es sich finanziell leisten können. Eine Demokratie benötigt daher auch ein System angemessener Abgeordnetenentschädigung.

Was angemessen ist, ist in der Öffentlichkeit ein kontrovers diskutiertes Thema. Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen 150.000 und 250.000 Bürger in ihrem Wahlkreis repräsentieren und vertreten sollen? Was ist angemessen für Abgeordnete, die die Auslandseinsätze deutscher Soldaten zu beschließen (Kosovo, Afghanistan) oder abzulehnen haben (Irak)? Was ist angemessen für Abgeordnete, die über die Zukunft unserer sozialen Sicherungssysteme zu entscheiden haben? Was ist angemessen für Abgeordnete, die zwischen Staatsverschuldung und Haushaltskonsolidierung zu entscheiden haben?

Auf Ihre Frage nach der Anzahl der Bundestagsabgeordneten bitte ich folgendes zu bedenken. Bereits jetzt ist die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten außerordentlich zeitaufwendig. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass ein engagierter Parlamentarier in einer Sitzungswoche durchschnittlich 60 bis 70 Stunden arbeitet. In einer sitzungsfreien Woche sind es ca. 50 bis 60 Stunden überwiegend im Wahlkreis unter häufiger Einbeziehung von Terminen, die auch am Wochenende stattfinden. Eine Verkleinerung des Bundestages würde das Arbeitspensum der Bundestagsabgeordneten weiter erhöhen. In Berlin müsste die Arbeit in den Ausschüssen des Bundestages auf eine geringere Anzahl an Volksvertreter verteilt werden. Dies ist bei dem derzeitigen Arbeitsumfang kaum vorstellbar. Im Wahlkreis würde die Verkleinerung des Bundestages zwangsläufig zu einer erhöhten Bürgerferne führen. Die Präsenz im Wahlkreis bei Vereinen und Verbänden, in Schulen, bei Unternehmen, an Infoständen und bei Bürgersprechstunden sowie die persönliche Befassung mit einer dann noch steigenden Anzahl von Bürgerzuschriften würden erheblich erschwert. Eine derartige Entwicklung kann nicht im Interesse unserer Demokratie sein.

Auch die Kosten können kein Argument für eine Verkleinerung sein. Die Gesamtkosten des Deutschen Bundestages sind für das Jahr 2008 mit 628,54 Millionen Euro veranschlagt. Auf die Bevölkerung Deutschlands (ca. 82 Mio.) umgerechnet bedeutet dies ca. 7,70 Euro pro Jahr/Einwohner. Die Diäten der Bundestagsabgeordneten machen hierbei mit ca. 54 Millionen Euro nur einen geringen Anteil aus. Bei den absehbaren negativen Auswirkungen einer Verkleinerung sind diese Kosten mehr als gerechtfertigt.

Der Vergleich mit den amerikanischen, parlamentarischen Strukturen ist wenig hilfreich. Zwar haben wir im Repräsentantenhaus nur 435 Mitglieder und im Senat nur 100 Mitglieder, die in beiden Fällen auch größere Gebietseinheiten betreuen, aber sie haben erheblich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als die Abgeordneten des Deutschen Bundestages. So kommen auf einen Parlamentarier im Repräsentantenhaus zwischen 15 – 20 Mitarbeiter und auf einen Senator durchschnittlich 40 Mitarbeiter, die alle natürlich auf den Gehaltslisten der beiden Parlamente stehen. In Deutschland dagegen dürften wir bei Vollzeitmitarbeitern je Abgeordneten bei ca. 3 -5 liegen. Auch bei diesen Vergleichzahlen und dem damit verbundenen Arbeitsvolumen dürfte es dann vorteilhafter sein, mehr demokratisch gewählte Parlamentarier und eine höhere Betreuungsdichte im Land zu haben, statt weniger Volksvertreter aber dafür erheblich mehr Angestellte, die auf den Gehaltslisten stehen.

Dann will ich gerne auch noch einmal auf die von mir auf Abgeordnetenwatch.de bereits getätigten Aussagen zum Themenfeld Rente und zu Ihren Überlegungen zum Minderheitenschutz eingehen. Wie Sie zu der Einschätzung kommen, dass die Entscheidungen der CDU-FDP Regierung von 1992 „offenbar“ im Widerspruch zum Grundgesetz getroffen wurden, kann ich nicht nachvollziehen. Es gibt auch kein Gerichtsurteil, dass Ihre Interpretation stützen würde. Das wiederum die getroffenen Entscheidungen und anscheinend auch die Aussagen verschiedener Bundestagsabgeordneter auf Abgeordnetenwatch.de zu diesem Thema, nicht Ihre oder die Meinung einiger Fragesteller widerspiegelt bedeutet übrigens nicht, dass es in unserer Demokratie keinen Minderheitenschutz gibt. Minderheitenschutz zeichnet sich nicht dadurch aus, dass sich jede Minderheit mit Ihrem Anliegen durchsetzt. Es bedeutet, ernst zu nehmen, zu respektieren und nicht zu ignorieren, und mit den Interessen und Problemen offen und sachlich umzugehen. Wie Sie an meinen, von Ihnen erwähnten Antworten sehen, beantworte ich die Anliegen ausführlich. Manchmal sogar auch dann noch, wenn ich vieles bereits in persönlichen Gesprächen oder in persönlicher Korrespondenz mit den hier Fragenden diskutiert habe.

Mit freundlichen Grüßen
Franz Thönnes