Frage an Fritz Felgentreu bezüglich Innere Sicherheit

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Fritz Felgentreu
SPD
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Frage von Christopher B. •

Frage an Fritz Felgentreu von Christopher B. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Dr. Felgentreu,

wie sehen Sie und Ihre Partei die SPD, die Bundeswehr?
Wie wird die Bundeswehr wieder einsatzbereit? Werden die Trendwenden umgesetzt? Wann wird das Weißbuch im Deutschen Bundestag debattiert? Wie setzen sich die Kandidaten für die Kameraden in den Auslandseinsätzen ein? Wie wird Deutschland seiner Führungsrolle gerecht?
Wann wird die Bundeswehr attraktiv, nicht nur für die neuen Kameraden sondern auch für die alten Hasen. Wann wird die Bundeswehr wirklich eine reine Berufsarmee und keine Armee auf Zeit?
Ich wäre für eine direkte und nicht umschriebene Antwort sehr verbunden.

Mit freundlichen Grüßen,

Christopher Brettin

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Brettin,

vielen Dank für Ihre Anfrage zu meiner Sicht auf die derzeitige und künftige Situation der Bundeswehr.

Ich möchte aber an dieser Stelle, mit Blick auf die Rolle und Funktionalität der deutschen Streitkräfte, nicht für andere Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion sprechen, sondern Ihnen vielmehr meinen eigenen Blick auf diese Dinge darstellen. Wie Sie sicherlich wissen, stehen wir in Deutschland und Europa derzeit vor zahlreichen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Als ein fundamentales Instrument außen- und sicherheitspolitischer Handlungsfähigkeit nimmt die Bundeswehr hierbei einen wichtigen Platz ein: Seien es Ausbildungsmissionen wie im Irak, Abschreckungsszenarien wie in Litauen – die wir mit dem Ende des Warschauer Pakts eigentlich aus Europa gebannt vermuteten – oder der Kampf gegen Piraterie und illegalen Menschenhandel im maritimen Raum.

Vor dem Hintergrund dieser komplexen Auftragslage müssen wir uns meines Erachtens im Parlament, aber auch im Bundesministerium für Verteidigung kontinuierlich ehrlich machen, was die materielle und personelle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr angeht. Der Wehrbeauftrage des Deutschen Bundestages hat auch in seinem letzten Jahresbericht wieder darauf hingewiesen: Die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem, was den Soldatinnen und Soldaten auf dem Papier an persönlicher Ausrüstung und Material zusteht und dem, was ihnen tatsächlich zur Verfügung steht, trifft an vielen Standorten zurecht auf Unverständnis und schmälert dauerhaft die Attraktivität des Dienstes. Angesichts der jahrelangen Unterfinanzierung der deutschen Streitkräfte, der gescheiterten Strukturreform des ehemaligen Verteidigungsministers Thomas de Maiziere und der daraus an vielen Stellen erwachsenen „hohlen Strukturen“ muss man ehrlich konstatieren, dass die Bundeswehr nur begrenzt durchhaltefähig und damit nur eingeschränkt in der Lage war, die ihr gestellten Aufgaben zu erfüllen. Gerade deshalb haben wir Verteidigungspolitikerinnen und -politiker in der SPD-Bundestagsfraktion – und dies nicht erst seit dieser Legislaturperiode – immer wieder darauf gedrängt, das Ziel „Vollausstattung“ an die Spitze der Agenda zu setzen.

Die Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat mit der von ihr ausgerufenen „Trendwende Personal“ und „Agenda Rüstung“ ein richtiges und wichtiges Signal gesetzt und im Zuge dessen auch schon einiges angestoßen, das dringend notwendig war. Nichtsdestotrotz werden wir in der SPD-Bundestagsfraktion die Ministerin auch künftig an eine messbare und zügige Realisierung ihrer angekündigten Reformen erinnern. Angesichts der Tatsache beispielsweise, dass die von Frau von der Leyen versprochenen 130 Mrd. Euro für Rüstungsinvestitionen in den nächsten vierzehn Jahren in der mittelfristigen Finanzplanung des Einzelplans 14 nur teilweise hinterlegt sind, gilt es, immer wieder nachzuhaken und ihr ein Priorisieren der Rüstungsgroßvorhaben abzuverlangen.

Was den parlamentarischen Rückhalt für die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz angeht, möchte ich kurz auf das Szenario in Incirlik verweisen. Auslandseinsätze werden, wie Sie sicherlich wissen, vom Deutschen Bundestag mandatiert. In letzter Konsequenz bedeutet dies auch, dass die Soldatinnen und Soldaten mit einer Mehrheit des Bundestags kurzfristig aus dem Einsatzgebiet „zurückgeholt“ werden können. Entscheidungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr sind und bleiben immer auch eine Gewissensentscheidung der Abgeordneten, die es sich mit dieser Entscheidung nicht leicht machen. Umso wichtiger ist es, dass ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, sich ein ordentliches Bild über die Bedingungen im Einsatzgebiet der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr machen zu können, um letztlich eine bestmöglich informierte Entscheidung treffen zu können. Die Causa Türkei zeigt, dass das uneingeschränkte Besuchsrecht für deutsche Parlamentarier für vereinzelte Partnernationen keine Selbstverständlichkeit ist. Auf Initiative der SPD-Verteidigungspolitikerinnen und -politiker hin wurde daher in den Text der Mandatsbegründung die Forderung mit aufgenommen, dass das Bundesministerium für Verteidigung alternative Luftwaffenstützpunkte bei umliegenden Partnern prüfen solle. Das uneingeschränkte Recht der Abgeordneten, die Soldatinnen und Soldaten im Einsatzgebiet zu besuchen und direkt von ihnen etwas über die Bedingungen vor Ort zu erfahren, ist für die SPD-Bundestagsfraktion ein hohes Gut – auch weil es ein Signal des parlamentarischen Rückhalts für die Kameradinnen und Kameraden im Einsatz ist.

Die Frage der Führungsrolle Deutschlands stellt sich meines Erachtens auf verschiedenen Ebenen. Deutschland ist ein Land, das wirtschaftlich und europapolitisch stark dasteht. Umso mehr müssen wir darauf achten, ob und wie wir anderen Ländern gegenüber als Partner mit Führungsanspruch auftreten. Eine massive militärische Aufrüstung vonseiten Deutschlands könnte auch dazu führen, dass sich Deutschlands Nachbarländer von uns distanzieren bzw. sich dadurch in ihrer eigenen territorialen Integrität bedroht sehen. Deshalb bleibt es sinnvoll, derartige bi-, tri- und multilaterale militärische Kooperationen zu beschließen, wie wir sie mit Frankreich oder mit den Niederlanden derzeit praktizieren. Auf diese Weise denken wir stärker europäisch und begegnen unseren Nachbarn als Partner auf Augenhöhe.

Bitte gestatten Sie mir noch eine letzte Bemerkung zu Ihrer Frage nach der Bundeswehr als reine Berufsarmee. Wie Sie wissen, hat sich die Bundeswehr mit Aussetzung der Wehrpflicht zu einer Freiwilligen- und Berufsarmee gewandelt. Die von Ihnen vorgeschlagene Überführung in eine reine Berufsarmee erscheint mir weder zweckmäßig noch finanziell tragbar. Zum einen würden hierbei die Kosten für die Altersversorgung der pensionierten Berufssoldaten massiv ansteigen – wobei sie jetzt schon einen sehr hohen Anteil an den Gesamtpersonalausgaben innehaben. Zum anderen sehen wir uns dabei möglicherweise einer überalternden Armee gegenüber, die ihren Aufgaben gegebenenfalls nicht mehr gerecht würde. Letztlich birgt Ihr Vorschlag dann auch das Risiko einer schleichenden Entkopplung von Bundeswehr und Gesellschaft, da es immer weniger Berührungspunkte der beiden miteinander gäbe. Die Gefahr von Vorfällen wie die Affäre um Oberleutnant „Franco A.“, deren Aufklärung gerade erst beginnt, könnte dann noch größer werden. Das wiederum ist kein Ziel sozialdemokratischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik und wird es auch künftig nicht sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Fritz Felgentreu