Frage an Fritz Schmalzbauer von Markus B. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Schmalzbauer,
mit Verwunderung habe ich die Aussage von Oskar Lafontaine zur Kenntnis genommen, dass milliardenschwere Familienbetriebe gegen die Verfassungsgrundlagen verstoßen und enteignet werden sollen, um die Angestellten an dem Firmenvermögen zu beteiligen. Diese Aussage klingt für mich sehr stark nach einem Wechsel unseres bisher geltenden Wirtschaftssystems vom Kapitalismus zum Kommunismus. Beispiele aus der jüngeren und der älteren Vergangenheit haben aufgezeigt, dass sich dies nicht positiv, sondern vielmehr negativ auf das Wohl des einzelnen Bürgers auswirkt. Werden Betriebe systematisch enteignet wird dies zu einer Flucht von Unternehmen ins Ausland führen und weitere Direktinvestitionen am Wirtschaftsstandort Deutschland versiegen lassen (zurecht, wie ich meine).
Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang ist folgende: Ab wann sollen Unternehmen enteignet werden? Ab einem Milliardenumsatz? Ab einem Millionenumsatz? Jeder selbständig tätige Geschäftsmann wird nach der ersten Enteignung um sein Hab und Gut fürchten.
Ich würde sie bitten zu dieser Ansicht ihres Parteivorsitzenden und somit ihrer Partei Stellung zu beziehen. Außerdem möchte ich noch anfügen, dass ich weder zum Kreis der Milliardäre noch der Millionäre zähle und auch nie in diese monetären Regionen vorstoßen werde, wenn die Inflationsrate die 20% Hürde nicht dauerhaft überschreitet.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Baumgärtl
Sehr geehrter Herr Baumgärtl,
Vielleicht lohnt sich einmal ein Blick in Artikel 14 und 15 Grundgesetz. Tatsächlich haben sich milliardenschwere Vermögen nicht von selbst sondern durch die Arbeit anderer und durch Steuerbegünstigungen gebildet. Bei bestem Willen hätte ein langlebiger Arbeitnehmer, der 1945 mit 40 DM Startkapital seine Karriere begonnen hat, auch heute noch keine Milliarde auf dem Konto. Noch schneller ging es übrigens in Russland und China. Kurzum: Ich bin der Auffassung, dass es ein bodenloser Skandal ist, wenn seit der Schröder-Fischer-Reform durch Steuervergünstigungen grosse Vermögen immens vermehren konnten, ohne einen gerechten Anteil an die Allgemeinheit abzuführen (Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer auf große Erbschaften, Besteuerung von Unternehmensveräußerungen und Spekulationsgeldern ohne reale Arbeit). Auf der anderen Seite verdiente die Mehrheit der Bevölkerung immer weniger - von niedrigen Renten, Krankenkassenzuzahlungen und Hartz IV gar nicht zu reden. Eine Gesellschaft, in der ein aktiver Mittelbau (besser verdienende Arbeitnehmer, Freiberufler...) den Hauptteil der Steuerlast trägt, während sich große Vermögen der gesellschaftlichen Verantwortung ganz legal entziehen, hat ein Problem. Sie löst innere Widersprüche aus und läuft Gefahr (siehe Debatte über Managergehälter) ihren inneren Zusammenhalt völlig zu verlieren. Daher bin ich - neben den notwendigen Reformen in Steuerangelegenheiten - für eine Debatte, wie sich unsere Gesellschaft entwickeln soll: Auf der Basis des Grundgesetzes (Menschenwürde, Sozialstaat) oder als börsenorientiertes Gesamtunternehmen mit Polizeifunktion. Wenn Oskar Lafontaine diese Debatte angestoßen hat, umso besser. Ich bin im übrigen für eine erweiterte Mitbestimmung der Arbeitnehmer, ihrer Gewerkschaften und Betriebsräte in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten.
Nach meiner Überzeugung hat seit der "Agenda 2010" ein Systemwechsel stattgefunden. Er geht zu Lasten der abhängig Beschäftigten und Arbeitssuchenden und bevorzugt einseitig eine kleine Schicht Wohlhabender. In der Tradition der Aufklärung und der französischen Revolution gilt es festzuhalten, dass Freiheit Gleichheit und Solidarität voraussetzt - soll Freiheit nicht nur einem kleinen Teil der Menschen vorbehalten sein, der es sich leisten kann. Daher wird die Zukunft nur vernünftig gestaltbar sein, wenn Gleichheit und Solidarität zu einem neuen Gesellschaftsvertrag führen, an dem sich alle nach ihren Möglichkeiten beteiligen. Der Staat hat die Pflicht, den Rahmen zu definieren, um Schaden von seinen Bürgern abzuwenden. Das schließt keinesfalls aus, dass es viele schöpferische und sozial verantwortliche Unternehmerpersönlichkeiten gibt, deren Wirken zu mehr Arbeitsplätzen und nicht zu spekulativen Arbeitsplatzvernichtungen beitragen.
Nun zur "Flucht": Wissen Sie eigentlich, dass Bürger der USA auch dann steuerpflichtig bleiben, wenn sie im Ausland Erträge erwirtschaften? Wissen Sie, dass ein erheblicher Teil von Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagert haben, wieder reumütig an den Standort Deutschland zurückgekehrt sind? Was ist das für ein staatsbürgerliches Verhalten, wenn auch Ihnen bekannte Stars und Sportler ihr Vermögen ins benachbarte Ausland schaffen und die hiesige Infrastruktur zu Gewinnmehrung nutzen. Es gibt sehr viele Fragen, auf die keine schnellen Antworten passen. Sich darum zu drücken, ist auch kein Ausweg.
Mit besten Grüßen
Fritz Schmalzbauer