Frage an Gabriele Katzmarek bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Gabriele Katzmarek
SPD
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Frage von Christian B. •

Frage an Gabriele Katzmarek von Christian B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Katzmarek,

um TTIP ranken sich ja viele Mythen, unter anderem da hinter verschlossenen Türen verhandelt wird. Von „wichtig für Deutschland“ bis „Geheimgerichte bei denen drei Anwälte ein Urteil fällen“ ist alles dabei. Macht es nicht Sinn TTIP öffentlich zu diskutieren und zu erläutern warum es so wichtig für Deutschland sei?
Sind die deutschen und europäischen Gesetze in Daten- und Verbraucherschutz unangetastet oder werden sie durch TTIP untergraben?

Freundliche Grüße
Christian Bieser

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Bieser,

vielen Dank für Ihre differenzierten Fragen, auf die ich gerne eingehe.

Meiner Meinung nach macht es absolut Sinn, ein in Deutschland so kontrovers behandeltes Thema wie das Transatlantische Freihandelsabkommen öffentlich zu diskutieren. Die Politik, die Medien und alle beteiligten Interessenverbände und Nichtregierungsorganisation müssen über Chancen und Risiken von TTIP aufklären. Es muss uns gelingen, eine differenzierte Debatte darüber zu führen, ob wir ein solches Freihandelsabkommen wollen oder nicht und ob für uns die aktuellen aber insbesondere auch die zukünftigen Chancen oder die Risiken überwiegen. Die zentrale Frage ist meiner Meinung nach also nicht ob wir überhaupt eine Diskussion brauchen, sondern viel mehr wann wir diese Diskussion sinnvoll und effektiv führen können.

Die Verhandlungen mit den USA werden von der Europäischen Kommission geführt, da der Bereich der Handelspolitik vergemeinschaftet ist. Für diese Verhandlungen hat die Europäische Kommission ein Verhandlungsmandat der Mitgliedländer erhalten, das die Grundzüge der Position Europas festlegt. Diese Verhandlungen dauern an und in den wenigsten Bereichen gibt es bereits jetzt abschließend formulierte Verhandlungsergebnisse. Am Ende dieser Verhandlungen müssen das Europäische Parlament und mit großer Wahrscheinlichkeit auch die nationalen Parlamente abstimmen.

Dennoch haben die zivilgesellschaftlichen Akteure natürlich das gute Recht sich schon jetzt zum dem Thema zu positionieren und von der deutsche Politik zu fordern, Stellung zu beziehen. Das haben sowohl die Bundesregierung als auch die SPD getan: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit dem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine weitreichende und informative Rubrik auf der Homepage aufgebaut (http://www.bmwi.de/DE/Themen/Aussenwirtschaft/ttip.html), um eine sachliche Diskussion zu fördern. Die SPD hat sich klar zu den strittigsten Punkten positioniert (Beschluss Parteikonvent: http://www.spd.de/linkableblob/123760/data/20140920_parteikonvent_beschluss_ttip.pdf ; Homepage Rubrik TTIP auf SPD.de: http://www.spd.de/aktuelles/TTIP/ )

Problematisch und nicht zielführend ist meiner Meinung nach das Diskutieren ohne ausreichende Informationslage. Als gutes Beispiel für eine irrationale und verfrühte Diskussion kann die Debatte über das Chlorhühnchen dienen. Es ist inzwischen klar, dass ein Aufweichen der Lebensmittstandards bei bestehenden Gesetzen nicht Teil der Verhandlungen ist. Das Verbot des Imports von Chlorhühnchen wird also weiterhin bestehen bleiben, sofern die europäische und nationale Gesetzgebung es nicht kippt. Vom TTIP wird dahingehend kein Druck ausgehen.

Fairerweise möchte ich hinzufügen, dass nicht nur TTIP-Gegner ihre Argumentation mit schlecht gewählten Beispielen untergraben. Ich halte auch wenig von Ökonomen, die meinen die präzisen ökonomischen Effekte oder sogar die Arbeitsmarkeffekte für die einzelnen Mitgliedsstaaten berechnen zu können und damit für ein umfassendes und vor allem schnell umgesetztes Handelsabkommen werben. Sigmar Gabriel hat diese Berechnungen in seiner Rede im Bundestag zu TTIP am 27.11.2014 als „Voodoo-Ökonomie“ bezeichnet. Inhaltlich möchte ich mich der Aussage, dass präzise Effekte von Freihandelsabkommen schwer zu berechnen sind, gerne anschließen.

Zwischenfazit: Lassen Sie uns über TTIP diskutieren und zwar ohne Panikmache und ohne übertriebenen Optimismus. Lassen Sie uns insbesondere dann darüber diskutieren, wenn ein vorläufiges Verhandlungsergebnis oder ausverhandelte Zwischenergebnisse vorliegen.

Damit sind wir mitten in dem Thema: Was überwiegt, Chancen oder Risiken?

Grundsätzlich sind internationale Handelsabkommen für die exportorientierte deutsche Wirtschaft und die davon abhängenden Arbeitsplätze von großer Bedeutung. Bislang gibt es kein Handelsabkommen mit den USA. Aufgrund der Bedeutung des großen US-amerikanischen Markts für unsere Hersteller von Industriegütern, landwirtschaftlichen Produkten und unsere Dienstleistungsunternehmen unterstützen wir die Europäische Kommission in dem Versuch, ein transatlantisches Freihandelsabkommen mit den USA auszuhandeln.

Wir sprechen uns jedoch nur unter bestimmten Bedingungen für ein Handelsabkommen mit den USA aus. Die Weltwirtschaft braucht verlässliche Regeln. Wir wollen globale Standards für einen fairen und nachhaltigen Welthandel setzen und den Abbau von tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse im gegenseitigen Interesse voranbringen. Denn viele technische Standards in den USA und der EU unterscheiden sich, obwohl sie einen ähnlichen Zweck dienen, z.B. im Automobilbau. Wir erwarten deutliche Kostensenkungen durch die gegenseitige Anerkennung von Standards und Zulassungsverfahren, die das gleiche Ziel verfolgen. Es geht dagegen bei TTIP nicht um die Absenkung von Standards, sondern um eine Vereinfachung des Exports, wovon gerade kleine und mittelständische Unternehmen profitieren.

Wir wollen eine Einigung – aber nicht um jeden Preis. Rote Linien dürfen nicht überschritten werden. Die Arbeitnehmerrechte und Arbeitsstandards, das Recht der Mitbestimmung, der Betriebsverfassung und der Tarifautonomie dürfen nicht in Frage gestellt werden. Das heißt: Nationale Gesetze oder Vorschriften eines EU-Mitgliedsstaates für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, die Vorschriften über Lohnverhandlungen, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge bleiben unberührt. Schmutzigen Wettbewerb durch Lohndumping wollen wir nicht. Es soll ein Mechanismus zur wirksamen Anwendung der ILO-Kernarbeitsnormen in einem eigenen Kapitel geschaffen werden. Bestimmungen zur Unterstützung international anerkannter Standards zur verantwortlichen Unternehmensführung dürfen ebenso nicht fehlen. Darüber hinaus ist mir wichtig, dass die Daseinsvorsorge nicht gefährdet werden darf. Einen direkten oder indirekten Zwang zu Privatisierungen wird es nicht geben.

Audiovisuelle Dienstleistungen sind vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen, was bereits im Verhandlungsmandat festgelegt wurde. Die Mitgliedstaaten der EU müssen darüber hinaus das Recht haben, sensible Dienstleistungen wie den Kulturbereich mit dem Ziel des Erhalts der kulturellen Vielfalt besonders zu unterstützen. Wenn unterschiedliche Schutzniveaus existieren, dürfen diese durch das Abkommen nicht untergraben werden. Dies betrifft zum Beispiel den Umwelt- und Verbraucherschutz oder auch den Datenschutz. Das Abkommen soll durch hohe Standards für Verbraucherschutz, Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen Maßstäbe für andere Handelsabkommen setzen.

Ablehnend stehe ich den Schiedsgerichten gegenüber, die Sie ja in Ihrem Schreiben auch erwähnen. Es ist für mich nicht akzeptabel, dass Schiedsgerichte über mögliche Klagen von Unternehmen gegenüber Staaten entscheiden. In Deutschland, Europa und den USA herrscht Rechtssicherheit. Unternehmen haben die Möglichkeit ihre Rechte vor deutschen, europäischen und US-amerikanischen Gerichten durchzusetzen; für den internationalen Handel gibt es darüber hinaus die Welthandelsorganisation, die bei Konflikten vermitteln kann. Weiterführende Gerichtsinstanzen sind meiner Meinung nach nicht nötig.

Trotz dieser roten Linien muss uns jedoch auch klar sein: Die Welt wartet nicht auf uns. Im pazifischen Raum verhandeln die USA aktuell mit zahlreichen Anrainerstaaten über ein ähnliches Handelsabkommen. Wenn dieses vor TTIP abgeschlossen würde, würden dort Standards festgeschrieben, die für die Unternehmen der USA bindend wären. TTIP müsste sich dann an einem Abkommen orientieren, dass nicht wie TTIP von Partnern auf Augenhöhe ausgehandelt wurden, sondern bei dem die USA in einer deutlich stärkeren Position waren.

Lassen Sie mich kurz auf ihre letzte Frage konkret eingehen: Bestehende europäische Gesetze im Bereich Daten- und Verbraucherschutz werden meines Wissens nach nicht untergraben. Allgemein lässt sich festhalten, dass bestehende europäische Gesetze nicht über die Schiedsgerichtsverfahren untergraben werden können, solange sie nicht diskriminierend angewendet werden, man also beispielsweise das gleiche Gesetz für US-Unternehmen restriktiver auslegen würde als für europäische Unternehmen.

Sehr geehrter Herr Bieser, ich hoffe ich konnte Ihnen meine Position zu TTIP erläutern. Ich möchte Ihnen abschließend versichern, dass es mit der SPD nur ein Abkommen geben wird, das den Interessen der Menschen und der Wirtschaft unseres Landes nützt. Letztendlich wird der Deutsche Bundestag über das Abkommen zu entscheiden haben.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriele Katzmarek

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