Frage an Gerda Hasselfeldt von Frank F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Hasselfeldt,
heute Morgen habe ich Ihr Interview im Morgenmagazin gesehen und mich doch ein wenig gewundert.
In diesem Interview nehmen Sie als Begründung für ihre vom Bürgerwillen abweichende Meinung die Werteorientierung der CSU in Anspruch. Gleichzeitig äußern Sie den Wunsch nach einer Ideologiefreien Diskussion zum Thema Homoehe. Finden Sie das nicht selber widersprüchlich? Nehmen Sie damit nicht ein Recht für sich in Anspruch, dass Sie den anderen an der Diskussion beteiligten absprechen wollen?
Weiterhin bin ich sehr verwundert, dass Sie, wie auch andere Unionsabgeordnete, sich weiterhin weigern, die klare Tendenz des Bundesverfassungsgerichtes und der Mehrheit der Bürger umzusetzen. Mit welchem Recht tun Sie dies? Haben Sie nicht eine Verantwortung gegenüber den Bürgern für Recht und Gleichberechtigung zu sorgen? Haben Sie nicht eine Verantwortung, den Bürgerwillen umzusetzen, anstatt sich darüber hinweg zu setzen?
Sie, wie auch Ihre Kollegen im Bundestag, sind Vertreter des Volkes und haben das Volk und seinen Willen zu vertreten. Wenn dieser Wille nicht dem Ihren entspricht, steht es Ihnen frei, sich nicht mehr wählen zu lassen. Solange Sie sich aber als Volksvertreterin wählen lassen, sollten Sie auch den Volkeswillen respektieren und diesem nachkommen.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Flüggen
Sehr geehrter Herr Flüggen,
mir liegt viel an einer sachlichen Diskussion der Frage der bedingungslosen Gleichsetzung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft. Dabei müssen wir akzeptieren, uns in der Sache wohl gegenseitig nicht überzeugen zu können; dies ist jedoch ein Umstand, der politischen Diskussionen immanent und sogar in ein- und derselben Partei oder Fraktion alltäglich ist.
Eine Gesellschaft darf sich nach meiner Überzeugung dafür entscheiden, eine bestimmte Form des Zusammenlebens besonders zu fördern, weil sie diese Form am besten dafür geeignet hält, die Zukunft zu sichern. Dies tun wir, indem wir die Erwerbsgemeinschaft der Ehe im Vergleich zu anderen steuerlich besonders fördern. Für eine Ausweitung müsste es einen sachlichen Grund geben, den ich noch nicht erkennen kann. Dass Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, kann aus meiner Sicht dafür nicht ausreichen. Wenn die Debatten über Familie und demografischen Wandel nicht umsonst gewesen sein sollen, dann dürfen wir nicht verleugnen, dass die Kinderfrage für unsere Zukunft entscheidend ist. Deshalb wollen wir mit der Ehe diejenige Verbindung besonders fördern, aus der generell Kinder entstehen können. Dabei verschließen wir nicht die Augen vor Veränderungen in der Gesellschaft, doch solange die Ehe jedes Jahr für über 370.000 Menschen immer noch der erste Schritt der Familiengründung ist, sollte man mit guten Gründen diesen Schritt fördern. Daran ändert sich auch nichts, wenn nicht jede Ehe mit Kindern gesegnet wird oder nicht jedes Ehepaar mit Blick auf Kinder heiratet.
Ich sehe dabei übrigens eine Partei nicht in der Pflicht, nach jeder veröffentlichten Umfrage ihre mit guten Gründen untermauerten Überzeugungen fallen zu lassen. Zumal ich beispielweise auch erkenne, dass es die von Ihnen angeführte Mehrheit jedenfalls auf dem jüngsten Parteitag unserer Schwesterpartei CDU im Dezember 2012 nicht gab und sich die Delegierten auf dem Parteitag ausdrücklich gegen eine bedingungslose Gleichsetzung ausgesprochen haben. Zur Fairness gehört, auch dieses Votum der von der Parteibasis gewählten Delegierten ernst zu nehmen.
Wir stellen in der Tat auch fest, dass das Bundesverfassungsgericht vom besonderen Schutz der Ehe zunehmend Abstand nimmt. Dies müssen wir zur Kenntnis nehmen, wir müssen die Urteile umsetzen, doch wir müssen sie weder gutheißen noch kritiklos hinnehmen. Parteien und Fraktionen sind nicht lediglich Vollzugsorgan anderer Verfassungsorgane, sie dürfen und müssen ihre Position deutlich machen, für sie argumentieren und werben können. Außer Frage steht dabei natürlich, dass wir Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, die gesetzgeberisches Handeln erforderlich machen, umsetzen werden.
Meines Erachtens kann dabei trotz der Entscheidung zur Sukzessivadoption die Frage der Volladoption anders bewertet werden. Ich habe dabei keine Sorgen, dass Homosexuelle weniger gute Eltern wären; es wäre doch vollkommen absurd anzunehmen, dass die Liebe und Fürsorge für ein Kind von dieser Frage abhängig ist. Die Liebe und Fürsorge für ein Kind ist aber nicht der alleinige Maßstab für Adoptionen. Entscheidend hierfür ist die Frage, wie man die Entwicklung des Kindes am besten fördern kann; das Kind soll in allen Aspekten die idealen Voraussetzungen in seiner neuen Familie vorfinden. Und dort möchte ich den Blick ganz nüchtern auf die zahlreichen Sorge- und Umgangsrechtsverfahren lenken, in denen von den Familiengerichten als Argument für ein Umgangsrecht beider Elternteile häufig angeführt wird, dass der Bezug des Kindes zum jeweils vom Hauptumgangsberechtigten (häufig Mutter) andersgeschlechtlichen Elternteil (häufig Vater) für die ideale Entwicklung des Kindes notwendig sei. Und ich möchte den Blick darauf lenken, dass wir in Kindergärten und Grundschulen auch deshalb händeringend nach männlichen Erziehern und Lehrern suchen, um den Kindern den Kontakt zu beiderlei Rollenbildern zu ermöglichen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerda Hasselfeldt, MdB