Frage an Gerhard Schick bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Gerhard Schick
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Frage von Hartmut Georg M. •

Frage an Gerhard Schick von Hartmut Georg M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Dr. Schick,

in 2014 wanderten 1,46 Mio. Menschen nach Deutschland ein. 914 000 gingen aus Deutschland fort, wie man anhand dieses Links sehen kann: http://www.sat1.de/news/politik/deutschland-hoechste-zuwanderung-seit-1992-103242

In 2015 kam die Asylkrise. Herr Minister Herrmann sprach davon, dass in nur wenigen Wochen alleine nach Bayern 318 000 Flüchtlinge kamen: http://www.sueddeutsche.de/news/politik/migration-seit-september-mindestens-318-000-fluechtlinge-ueber-bayern-eingereist-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-151027-99-09316

Der Spiegel schreibt, dass nach Deutschland in nur wenigen Wochen 409 000 Flüchtlinge kamen: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeslaender-registrierten-in-40-tagen-409-000-fluechtlinge-a-1058120.html

Warum werden nicht Länder wie Ghana, Tunesien ( wo viele von uns Urlaub machen), Algerien, Marokko, Kenia usw. als sichere Herkunftsländer eingestuft und warum werden diese Menschen nicht sofort an der Grenze abgewiesen? Bekommen wir für 2015 einen realistischen, ehrlichen Ein-und Abwanderungsbericht der jedwede Einwanderung berücksichtigt?

Ich setze mich für Fibromyalgiekranke ein. Viele haben Probleme mit Wohnungen und finden trotzt Qualifikationen keine Arbeit mehr. Darunter sogar ein Ingenieur. Diese Menschen haben Ängste, und Arbeitsplätze und Wohnungen wachsen nicht auf den Bäumen. Warum werden nicht diese Menschen vorrangig "integriert"? Warum also werden nicht zuerst diese Menschen " integriert"? Und warum wird die kommende Automatisierung nicht berücksichtigt. Dazu diesen Link http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/automatisierung-die-roboter-kommen-1.2360577

Sollten Ihrer Meinung nach Länder wie die Türkei, das Kosovo, Albanien und die Ukraine in die EU aufgenommen werden? Warum fragt man die Menschen nicht, ob sie eine weitere EU-Erweiterung und noch mehr Freizügigkeit wollen?

Mit freundlichen Grüßen
H.G.Mayer

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Sehr geehrter Herr Mayer,

Sie werfen in Ihrer Mail mehrere Aspekte auf. Ich werde darauf einzeln eingehen.

Sie stellen die Frage, ob "wir für 2015 einen realistischen, ehrlichen Ein-und Abwanderungsbericht [bekommen] der jedwede Einwanderung berücksichtigt." Dem Statistischen Bundesamt liegen die Zahlen aus den letzten Jahren vor. Diese finden Sie hier: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Wanderungen/Wanderungen.html . Das Statistische Bundesamt weist dabei auf folgende Aspekte hin: "In beiden Quellen sind Schutzsuchende grundsätzlich berücksichtigt. Momentan dürfte es jedoch in beiden Statistiken eine Untererfassung dieser Personengruppe geben, die nicht quantifiziert werden kann. Schutzsuchende sind zwar meldepflichtig und damit grundsätzlich in der Wanderungsstatistik erfasst. Allerdings ist davon auszugehen, dass eine zeitnahe Erfassung aller Schutzsuchenden durch die Meldebehörden nicht möglich war. Wegen Fehlbuchungen, insbesondere in Zusammenhang mit der Verteilung der Schutzsuchenden innerhalb Deutschlands können auch Doppelerfassungen vorgekommen sein." Ich bezweifele aber, dass diese Fehlschätzungen zu einer deutlichen Verschiebung der Daten führen. Meines Erachtens liegen uns somit Daten vor, die realistisch sind und jede Form der Zuwanderung berücksichtigen.

Sie fragen, warum Länder wie "Ghana, Tunesien ( wo viele von uns Urlaub machen), Algerien, Marokko, Kenia usw. als sichere Herkunftsländer eingestuft [werden] und warum werden diese Menschen nicht sofort an der Grenze abgewiesen?". Art 16a, Absatz 1 unseres gemeinsamen Grundgesetzes definiert: " Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.". Dieses Asylrecht gilt individuell und kann auch für den Fall nicht kollektiv gelten, in dem ein Drittstaat als sogenannter sicherer Herkunftsstaat definiert wird. Eine direkte Abweisung an der Grenze ohne Prüfung des individuellen Anspruchs auf Asyl ist somit verfassungswidrig. Das leuchtet insb. dann ein, wenn man die Menschenrechtssituation in den einzelnen von Ihnen genannten Ländern betrachtet. Für das Land Kenia sagt beispielsweise das Auswärtige Amt: "Nach den umstrittenen Wahlen vom 27.12.2007 kam es im Zusammenhang mit den ausbrechenden Unruhen zu einer Vielzahl von schweren Menschenrechtsverletzungen. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat sich den im Rahmen der sog. "post-election violence" verübten Menschenrechtsverletzungen angenommen, [...]" ( http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Kenia/Innenpolitik_node.html ). Zwar kann Kenia politisch in Deutschland als sog. sicherer Herkunftsstaat definiert werden, individuelle Asylgründe können aber vorliegen, weswegen einzelne Personen in Deutschland nach wie vor das Recht auf Asyl genießen. Ob ein Land als sicherer Herkunftsstaat eingeordnet wird, obliegt der Bundesregierung nach eingehender Prüfung der Verhältnisse in dem jeweiligen Land. Ich halte die Lage von Homosexuellen in Ländern wir Algerien oder Ghana (das bereits als sicherer Herkunftsstaat gilt) für bedenklich und teile nicht die Einschätzung Anderer, diese Länder als sicher zu definieren.

Länder wie die Türkei, Albanien und die Ukraine sind durchaus potentielle Beitrittskandidaten für die Europäische Union. Mit der Türkei laufen bereits Beitrittsverhandlungen, Albanien gilt als Beitrittskandidat. Mit der Ukraine bestehen enge Verbindungen in der sog. vertieften und umfassenden Freihandelszone - ein Beitritt in den nächsten Jahrzenten ist aber unwahrscheinlich. Mit dem Kosovo sind mir bisher keine Gespräche bekannt. Ich halte enge Gespräche und einen Austausch mit potentiellen Kandidaten immer für gewinnbringend. So kann die EU beispielsweise ihren Einfluss geltend machen, um die Situation in den Ländern zum Positiven zu beeinflussen und den Frieden in Europa durch einen geeinten Kontinent weiter zu forcieren. Dabei muss aber jedes Land individuell betrachtet werden. Denn gerade in denen von Ihnen genannten Ländern gibt es teilweise in Sachen Demokratie noch Aufholbedarf.

Beste Grüße
Gerhard Schick