Frage an Gregor Gysi bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Frage von Carsten E. •

Frage an Gregor Gysi von Carsten E. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Gysi,

vielen Dank für Ihre Antwort zu meiner Frage des Falles "Mollath". Sie denken nun, man müsse mit sowas leider leben. Ich denke das nicht. Ich denke, dass wenn man die unheilvolle, auf Pseudowissenschaften beruhende Allmacht von Psychiatern deutlich einschränken würde, dann könnte es einen Fall "Mollath" gar nicht erst geben. Dann könnte ein ggf. korrupter, oder sonst wie ungeeigneter, Richter allenfalls versuchen einen solchen Menschen via Fehlurteil hinter (normale) Gitter bringen lassen - was man hier kaum mit Sicherungsverwahrung bedenken könnte - der Geschasste würde also allenfalls ein paar Jahre verlieren, zudem mit etwas mehr Menschenrechten. Auch könnte er hier Rechtsmittel einlegen, womit ein solches Ganovenstück (i.d.R.) schnell zu Ende gebracht werden könnte. Es sei denn, unser gesamtes Rechtssystem ist bereits derartig willkürlich und korrumpiert, dass hier generell jeder Bürger, auf jede Weise aus der Gesellschaft entfernt werden kann, sobald einem aus irgendeiner "erhabenen Ecke" danach ist.

Ist Ihnen eigentlich klar, dass jederzeit, jeder Arzt, jedem Bürger eine psychische Erkrankung diagnostizieren kann? Allenfalls wenn sich ein Bürger vorsorglich mit einer Patientenverfügung absicherte, sind dem noch einige Grenzen gesetzt (welcher normale Bürger hat sowas?). Und ist Ihnen klar, dass Sie als Patient eine solche Diagnose nie mehr komplett loswerden können? Wussten Sie, dass es gängige Alltagspraxis ist, dass z.B. Menschen mit seltenen (körperlichen) Erkrankungen regelmäßig Psychodiagnosen erhalten, weil die Erkrankungen oft schwer auszumachen sind? Ich nehme an, Sie kennen das Bundesprojekt "NAMSE"?

So liegt die Ursache für einen Fall Mollath, sowie unzähliger sonstiger "Psychofälle", einzig daran begründet, dass Ärzte die Befugnis haben, über andere Menschen zu richten - obwohl sie das (fachlich) niemals final können.

Halten Sie also diese Gewalt, die Ärzte ausüben können, für etwas, mit dem man so leben muss?
MfG

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Sehr geehrter Herr Erber,

das Problem liegt nicht nur in der Rechtsprechung, sondern auch darin, dass es immer wieder Fachärztinnen bzw. Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie gibt, die derartige Gutachten erstellen. Denken Sie bitte an den Massenmörder aus Norwegen. Zunächst machte die eine Kapazität ein Gutachten und es stellte sich heraus, dass der Mann zurechnungsunfähig ist. Anschließend machte eine andere Kapazität ein Gutachten und stellte fest, dass der Mann völlig zurechnungsfähig ist. Wie soll ein Richter dann entscheiden?

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Gysi

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