Frage an Hans-Michael Goldmann von Ottmar M. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Guten Tag Herr Goldmann,
Sie setzen auch in der Milchwirtschaft auf eine „marktwirtschaftliche“ Lösung und wollen gleichzeitig ein Gesamtkonzept, um den deutschen Milchbauern zu helfen. Wie also, Herr Goldmann, sieht Ihr „Gesamtkonzept“ aus? Wie sehen Ihre verbesserten Rahmenbedingungen für die Milchbauern denn aus? Die Dieselbeihilfe reicht zweifellos nicht aus. Auch die Abschaffung eines Tierschutz-TÜV (was auch immer das sein mag) dürfte nicht reichen. Wie sollen deutsche Milchbauern ohne Außenschutz in einem Hochlohngebiet wie Mitteleuropa und entsprechend hohen Flächenkosten zu Weltmarktbedingungen produzieren? Welchen Beitrag müsste die Bundesregierung nach Ihrer Auffassung zum verbesserten Absatz "marktfähiger Produkte“ unternehmen. Zu welchen „auskömmlichen“ Erzeugerpreisen sollen neue Märkte erschlossen werden? Weshalb hat nach Auffassung die Milchquote versagt? Wie viele Milcherzeuger hätten wir denn nach Ihrer Auffassung ohne Quote? Mehr oder weniger als jetzt? Weshalb können Milcherzeuger die Exportmöglichkeiten am Weltmarkt besser nutzen, nur weil die Quotenkosten (nach Ihrer Auffassung) wegfallen, dafür aber der Erzeugerpreis drastisch sinkt?
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
die FDP tritt konsequent für eine soziale Marktwirtschaft und damit gegen Protektionismus und Exportsubventionen ein. Auch die neue Bundeslandwirtschaftsministerin hatte dem Protektionismus im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin 2009 den Kampf angesagt. Bedauerlich ist, dass Frau Aigner gleichzeitig für die Wiedereinführung von Exportsubventionen, die sie eigentlich im Rahmen der WTO abschaffen möchte, eingetreten ist. Auch in diesem Bereich ist die Politik der Bundesregierung mehr als widersprüchlich und zum Schaden der heimischen Land- und Ernährungswirtschaft.
Die Milchquote sollte seinerzeit nicht nur Milchseen beseitigen helfen, sondern auch den Milchbauern helfen. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass die Milchquote den Bauern weder einen auskömmlichen Milchpreis garantiert, noch das Höfesterben beendet hat. Während es 1984 noch rund 380.000 Milcherzeuger gab, sind es heute noch knapp 100.000. Interessant ist, dass schon während der letzten großen Koalition (1967) das Landwirtschaftsministerium ausführlich Quotensysteme für die Milch geprüft hat und zu dem Urteil kam, dass sie nicht funktionieren könnten. Nahezu alle Kritikpunkte des Ministeriums haben sich seit Einführung der Milchquote bewahrheitet. Deshalb muss man die Einführung der Milchquote als Fehler bezeichnen.
Ich selbst bin seit 2002 für die Agrarpolitik der FDP-Bundestagsfraktion verantwortlich und sage seit dem immer wieder, dass die Bauern sich auf den Markt einstellen müssen. Dort wo staatliche Vorgaben die Wettbewerbschancen deutscher Bauern verschlechtern, müssen entweder fairer Wettbewerb geschaffen werden oder durch staatliche Ausgleichszahlungen Nachteile ausgeglichen werden. Dies ist für uns die gesellschaftspolitische Rechtfertigung für die Flächenprämie. Die Hauptursache für den daniederliegenden Milchpreis ist, dass trotz des laufenden Umstrukturierungsprozesses und der massenhaften Aufgabe von Milchbauern in den letzten Jahrzehnten, immer noch zuviel Milch in Europa produziert wird (denn trotz weniger Milchbauern und Milchkühen, wird durch erfolgreich gezüchtete Milchkühe heute fast ebenso viel Milch produziert wie vor 15 Jahren).
Die deutsche Politik kann den Bauern vor allem dort helfen, wo die Produktionskosten durch staatliche Vorgaben und Steuern höher sind, als bei unseren europäischen Nachbarn. Das ist auch der Grund warum die FDP-Bundestagsfraktion seit geraumer Zeit ein stringentes Konzept für die Landwirtschaft und insbesondere für die Milchbauern fordert. Die Milchgipfel, die Seehofer und Aigner abgehalten haben, waren nichts als Augenwischerei und Symbolpolitik. Sie sollen darüber hinwegtäuschen, dass die Regierung ihre Hausaufgaben nicht macht.
Entscheidend ist, die Landwirte auf der Kostenseite zu entlasten:
- Gleichbehandlung beim Agrardiesel (deutsche Landwirte zahlen ca. 50 € pro Hektar mehr für ihren Diesel als z.B. ihre französischen Nachbarn).
- Entlastung bei der Ökosteuer.
- Beschränkungen bei Fütterungsverboten aufheben (Gentechnisch veränderte Futtermittel sind billiger als herkömmliche und werden bei den meisten unserer Nachbarn verfüttert, in Deutschland gibt es massive Beschränkungen).
- Bürokratieabbau, um die Landwirte bei den Verwaltungskosten zu entlasten.
Dies sind vier Punkte, bei denen die Regierung sofort handeln könnte. Damit stärkt man die marktfähigen Betriebe und erhöht ihre Marktchancen. Des Weiteren kann sich die Bundesregierung in Gesprächen bei der Industrie dafür einsetzen, dass wieder Butter und Milch in der Lebensmittelindustrie verwendet werden und nicht pflanzliche Fette. Auch das Schulmilchprogramm muss konsequent ausgeschöpft werden.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Michael Goldmann