Frage an Hans-Peter Uhl bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Hans-Peter Uhl
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Frage an Hans-Peter Uhl von Horst S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Uhl,

jüngst wurde der 60. Jahrestag der deutschen verfassung mit großem Trara gefeiert.
Wenn ich das Grundgesetz aber in Punkto Artikel 146 richtig verstehe, hätten wir eigentlich den 20. Jahrestag, einer Gesamtdeutschen, von einer Volksabstimmung gebilligte Verfassung begehen müssen.

Haben die derzeitigen Machtinhaber Angst vor dem Volk, oder wie ist diese, absolut verfassungswidrige, Verweigerung zu verstehen? Wie sehen sie diese Problematik?

Da uns Volksabstimmungen immer mehr verweigert werden, die Legitimation unserer Politiker durch "Entparlamentarisierung" immer fragwürdiger ist, komme ich leider zu oben genannter Annahme, das die derzeit im Amt befindlichen Parteien, den mündigen Bürger als Alptraum sehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Horst Schurich

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr Schurich,

ich verstehe nicht, was Sie mit "Entparlamentarisiserung" meinen. Ich finde, wir können froh sein über unser Grundgesetz, das eine im Weltmaßstab sehr gelungene verfassungsmäßige Ordnung darstellt. Unsere Rechtsordnung baut übrigens auf den mündigen Bürger und fürchtet ihn ganz und gar nicht.

Über das Thema Volksabstimmungen kann man diskutieren und mit guten Gründen unterschiedlicher Meinung sein.

Das Thema Einigungsvertrag und Art. 146 GG ist jedoch längst erledigt, und zwar auf ganz und gar verfassungskonforme und legitime Weise. ich zitiere dazu aus dem einschlägigen Grundgesetz-Kommentar (Maunz/Dürig, 53. Auflage 2009):

>>Art. 146 a.F. lautete: „Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“. Mit dieser Maßgabe brachte der Grundgesetzgeber von 1949 zwei Grundsätze zum Ausdruck: zum einen den ohnehin selbstverständlichen, also nur deklaratorisch zu verstehenden Grundsatz, daß das GG durch eine neue Verfassung abgelöst werden kann; zum anderen die Option, die deutsche Wiedervereinigung über den Erlaß einer neuen gesamtdeutschen Verfassung zu vollenden. Mit letzterer Maßgabe stand Art. 146 a.F. alternativ neben dem Weg zur Einheit über das Beitrittsverfahren nach Art. 23 S. 2 GG. Das GG stand in seiner Fassung von 1949 unter dem Vorbehalt, lediglich „für eine Übergangszeit“ zu gelten (Präambel a.F.) - eine Übergangszeit, die bis zur Vollendung der „Einheit und Freiheit Deutschlands“ gelten sollte (Präambel a.F.). Zur Erreichung der Einheit sah das GG alternativ zum einen den Weg des Beitritts anderer deutsche Gebiete zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 23 S. 2 GG und den Weg der Zusammenführung der geteilten Teile Deutschlands über eine neue gesamtdeutsche Verfassung gemäß Art. 146 a.F. vor. [...]

Beide Wege zur Einheit sind alternativ und nicht etwa kumulativ zu verstehen gewesen. Denn die Alternative zwischen beiden Wegen entschied zugleich über das weitere Schicksal des GG. Im Falle des Beitrittsverfahrens gemäß Art. 23 S. 2 GG a.F. war das GG in dem beitretenden Gebiet in Kraft zu setzen - mit der Konsequenz, daß das GG damit und gleichzeitig definitive und abschließende gesamtdeutsche Verfassung wird. Da sich die deutsche Einheit über den Beitritt der früheren DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfüllt hat, ist damit gleichzeitig über das GG entschieden worden. Das GG ist gemäß Art. 3 EinigungsV auf dem Gebiet der früheren DDR in Kraft gesetzt worden und hat damit zugleich die Rolle einer nur provisorischen bzw. nur für die Übergangszeit bis zur deutschen Einheit geltenden Verfassung verloren. Das GG ist vielmehr zur definitiven gesamtdeutschen Verfassung geworden. Dies ist die implizite Option, die das GG sich über Art. 23 S. 2 a.F. selbst eröffnet hatte. Damit ist der andere Wege, der über Art. 146 a.F., obsolet geworden. Die deutsche Einheit bedingt keine neue gesamtdeutsche Verfassung.<<

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Uhl