Frage an Heinrich Niemann bezüglich Verkehr

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Heinrich Niemann
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Frage von Reiner N. •

Frage an Heinrich Niemann von Reiner N. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Dr. Niemann,

verstehen Sie den Bürgerprotest gegen das geplante neue Einkaufszentrum an der B1 (´Mahlsdorf 21´?) - mit NEBENWIRKUNGEN für den Verkehr, das Wohnumfeld und den vorhandenen Einzelhandel?

In wessem Interesse ist dieses Bauvorhaben (Mega-Zoo, EDEKA-Neukauf und weitere) mit über 5.000 m² Verkaufsfläche? Teilen Sie die Einschätzung, daß die Mahlsdorfer KEIN neues Einkaufszentrum an der B1 brauchen, und daß das Projekt für die Anwohner der Straße ´An der Schule´ zu einer VerkehrsbeUNruhigung führt?

Wie beurteilen Sie als langjähriger Stadtrat für Stadtentwicklung die Auswirkungen auf den gewachsenen Ortskern von Mahlsdorf direkt am Bahnhof?

Mit nachdenklichen Grüßen
Reiner Nürnberg

Bürger wollen Bau eines Einkaufs-Zentrums verhindern
http://www.jotwede-online.de/archiv/0610/einkaufszentrum.htm

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Nürnberg,

Ihre Frage berührt ein sehr komplexes Themengebiet, die weitere Entwicklung des Ortsteilzentrums Mahlsdorf. Es hat ein lange Vorgeschichte und berührt in der Tat unterschiedliche, ja auch gegensätzliche Interessen, ist mit Erwartungen, Wünschen und auch Befürchtungen nicht weniger Bürger verbunden und muss das geltende Recht, insbesondere das Baurecht beachten, auf dessen Grundlage und nach dessen Regeln letztlich eine Großteil der Probleme und auch Konflikte gelöst werden müssen.
Ich verstehe die kritischen Fragen und auch Proteste von Bürgern, die entstanden sind, nachdem vor über einem Jahr Pläne eines Grundstückseigentümers und Investors für weitere Handelseinrichtungen bekannt wurden. Inzwischen hat sich die, wohl auch von der örtlichen CDU und anderen zusätzlich entfachte, Aufregung ein wenig gelegt. Wie Sie vielleicht wissen, wurde nach monatelanger Blockade endlich die Auswertung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung des zur Klärung des Bauvorhabens eingeleiteten rechtlichen Verfahrens der BVV zur Kenntnis gegeben. Mit diesem Schritt wurde vor allem auch über das zulässige Ausmaß neuer Handelseinrichtungen eine Aussage getroffen. Die zahlreichen Meinungsäußerungen von Bürgern sind abgewogen und bewertet worden. In der Akteursrunde Mahlsdorf findet sich gegenwärtig eine AG zusammen, die gemeinsam mit dem Investor das Vorhaben weiter begleiten soll.

Bei dem Bauvorhaben geht es ganz klar um private Interessen wie auch bei der Einkaufshalle unmittelbar am Bahnhof, wo erfreulicherweise viel Bewegung entstanden ist. Nach vielen Jahren Stillstand auf dem Gelände, das bis vor kurzem der Konsumgenossenschaft gehörte, will nun auch hier der neue Eigentümer investieren. Es hatte zuweilen den Anschein, dass hier politische Akteure für den einen oder anderen Partei ergriffen hatten. Um aber diese privaten Interessen nach Nutzung bzw. Vermarktung Ihres Eigentums in Übereinstimmung mit den öffentlichen Interessen zu bringen, mit dem, was aus der Sicht der Kommune (des Bezirks und des Landes Berlin sowie der Bürger) nötig ist, werden hier das sogenannte Zentrenkonzept des Bezirks und die Festlegungen der geltenden B-Pläne zugrunde gelegt. Dieses Zentrenkonzept ist parteiübergreifend beschlossen worden, um vor allem einem "Wildwuchs" bei der Ansiedlung von Handel zu begegnen. In Mahlsdorf ist zudem eine Akteursrunde unter Leitung des Bezirksamtes etabliert worden, die schon mehrmals tagte und gewährleisten soll, dass die Transparenz erhöht wird und die Meinung der Bürger und der betroffenen bzw. in Mahlsdorf tätigen anderen Unternehmen oder Institutionen qualifiziert und rechtzeitig erarbeitet werden. Sie soll helfen, wie schon begonnen, mit den Investoren möglichst zu einvernehmlichen Lösungen zu gelangen.

Ihre Frage, ob "die Mahlsdorfer" diese Verkaufsfläche brauchen, bewegt auch mich, hilft jedoch leider bei den zu treffenden Entscheidungen nicht recht weiter. Ich glaube, sie wäre auch nicht leicht zu beantworten. Ebenso kann sie nicht mit einer Art Volksabstimmung geklärt werden.

Hier geht es darum, privaten Investoren auf privatem Grundstück, behördliche Antwort zu geben, ob und was sie bauen dürfen und was nicht. Darauf haben diese Eigentümer wie jeder andere Eigentümer ein Recht. Diese Antwort ist nicht einem freien Ermessen überlassen, sondern aus dem Baurecht und anderen Bestimmungen wie einem Zentrenkonzept abzuleiten. Dazu gehören auch Verträge zwischen dem Bezirk und dem Investor, die z.B. die Einhaltung bestimmter öffentlicher Belange verbindlich regeln.
Im übrigen sehe ich bei den vor kurzem vorgestellten Plänen für ein neues Einkaufszentrum am Bahnhof Mahlsdorf noch manche Verbesserungsnotwendigkeit und offene Fragen. Ich würde mir hier eine noch kritischere Sicht der Bürger wünschen. Ist der jetzt angedachte Parkplatz unmittelbar an dieser wichtigem Ort in Mahlsdorf anstelle eines (attraktiven) Gebäudes, wie sie der geltende B-Plan festgelegt hatte, wirklich ohne Alternative? Auch ist eine enge Abstimmung der Planungen der Bahn AG, des Handelsunternehmens und des Bezirks an diesem Ort für mich eine zwingende Forderung. Hier sehe ich mich auch in Übereinstimmung mit Herrn Czaja.
Zu den Verkehrsproblemen halte ich die vor Jahren nach gründlicher Debatte entwickelte Verkehrslösung mit der Straße an der Schule und einer zweigleisiger Straßenbahn immer noch für sinnvoll und richtig. Zur Zeit erfolgt eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung des zuständigen Senatsbereichs. Und selbstverständlich ist die Frage von Straßenausbaubeiträgen möglichst mit der Abschaffung des diesbezüglichen Gesetzes aus der Welt zu schaffen. Dass durch den Straßenbau neu betroffene Anlieger in ihren berechtigten Ansprüchen (Lärmschutz etc.) geschützt werden müssen, ist selbstverständlich. Die freigehaltene Trasse der Straße an der Schule berührt diesbezüglich nur wenige Anlieger.
Die Befürchtungen über einen rapiden Zuwachs von Autoverkehr sind auch nach neuem Gutachten nicht zu belegen. Ein sehr großer Teil des Autoverkehrs wird nach wie vor von den im Quartier wohnenden Bürgern verursacht und nicht vom Durchgangsverkehr. Von seiten der CDU wird allerdings eine Verbindung zur TVO hergestellt mit der Absicht, dafür finanzielle Mittel umzuverteilen.

Sehr geehrter Herr Nürnberg,
ich führe das alles so ausführlich auf, weil meiner Meinung nach -auch als Politiker der LINKEN - nur bei Beachtung und voller Nutzung der jetzt geltenden "Spielregeln" auch der Bürgerwille zielführend und erfolgreich mobilisiert werden kann. Scheinfronten nützen genauso wenig wie rechtlich nicht haltbare Versprechungen. Auch unrealistische Erwartungen einzelner Bürger an das Bezirksamt helfen nicht, die - wie es scheint, noch von DDR-Erfahrungen ausgehen, als tatsächlich eine Kreisplankommission oder der Stadtrat für Handel und Versorgung bestimmen konnte, wo welches Geschäft eingerichtet wird.

Die Akteursrunde für das Ortszentrum Mahlsdorf halte ich für ein geeignetes Gremium für bessere Mitwirkung und Mitentscheidung der Bürger.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Heinrich Niemann